Machen sich die Konzerne hier die Taschen voll?
Ölpreise sinken, Sprit wird teurer: Was läuft hier eigentlich schief?
11 Cent mehr innerhalb nur einer Woche? Viele Bürger stellen sich an der Tankstelle zurzeit die Frage, warum steigen die Spritpreise wieder so stark? Der ADAC bestätigt, bei Diesel sind es am Dienstag 11 Cent mehr - in nur einer Woche. Und das obwohl die dem Spritpreise zugrunde liegenden Ölpreise eigentlich gesunken sind. Gleichzeitig verzeichnen die Mineralölkonzerne Rekordgewinne. Machen sich die Konzerne also nur die "Taschen" voll?
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Warum sind die Spritpreise aktuell so hoch?

Laut einer Berechnung des ADAC am vergangenen Dienstag lag der Preis für einen Liter Diesel im bundesweiten Durchschnitt bei etwa 2,144 Euro. Im Vergleich zur Vorwoche macht das einen Unterschied von 13,2 Cent aus. Auch bei Super E10 gab es einen Preisanstieg von circa 7,8 Cent pro Liter.
Für den Anstieg der Spritpreise gibt es aktuell mehrere Gründe, wie Energieexpertin Karin Pittel vom ifo-Zentrum gegenüber RTL/ntv erklärt.
Zum einen gebe es durch aktuelle Streiks von Raffineriemitarbeitern in Frankreich ein eingeschränkteres Angebot an Rohöl – nicht nur in Frankreich: „Wenn insgesamt weniger produziert wird, dann geht natürlich der Preis nach oben,“ erklärt Pittel.
Ein weiterer Grund für den Preisanstieg ist eine Ankündigung der OPEC – also der Allianz der Ölländer – im November weniger zu produzieren.
Und zuletzt beginnt aktuell die Heizölsaison, vor dem Winter füllen viele nochmal die Heizöltanks auf: „Und bei vielen ist natürlich auch die Angst da, auch wegen der OPEC Entscheidung, dass die Ölpreise vielleicht noch weiter ansteigen könnten. Und das führt natürlich dann auch dazu, dass die Leute sich entscheiden, dann lieber jetzt einzukaufen, zum Beispiel Heizöl, als es weiter zu verschieben.“
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Wie hängen Öl- und Spritpreis zusammen?
Benzin und Diesel werden in Raffinerien aus Rohöl hergestellt. Der Preis für Rohöl ist in den letzten Monaten zwar deutlich gesunken, trotzdem hat sich der gesunkene Preis nicht positiv auf die Preise von Benzin und Diesel ausgewirkt. Laut Experten hat das unter anderem mit einer Entkoppelung der Weltmarktpreise für Benzin und Diesel vom Rohöl zu tun.
Das heißt die Preisentwickelung der einzelnen Rohstoffe hängt nicht mehr so stark zusammen, wie es etwa Anfang des Jahres noch der Fall war. Außerdem bestimmt nicht nur allein der Rohölpreis den endgültigen Preis an der Tankstelle. Transportkosten, Raffineriekosten und die Gewinne der Mineralölkonzerne beeinflussen zusätzlich den letztendlichen Preis an der Zapfsäule.
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Wer macht sich hier eigentlich die Taschen voll?

Rohölpreis niedrig, Spritpreise hoch – machen sich also am Ende doch wieder die Mineralölkonzerne die Taschen voll? Die Schätzungen zu Quartalsberichten der Mineralölkonzerne zum Beispiel von Shell, BP oder Total vermitteln jedenfalls diesen Eindruck. Analysten erwarten etwa für Shell eine Umsatzsteigerung von 41,17 Prozent im Vergleich zum Vorjahresviertel, das entspräche einem Umsatz von insgesamt 84,76 Milliarden USD.
„Wir sind in einem fossilen Energiekrieg. Das heißt, die Ölpreise gehen exorbitant nach oben und die Mineralölkonzerne sind so genannte Kriegs- und Krisengewinner,“ erklärt Wirtschaftsexpertin Claudia Kemfert gegenüber RTL/ntv. Auch Energieexpertin Karin Pittel spricht von „heftigen“ und „exorbitanten“ Gewinnen der Mineralölkonzerne.
Pittel gibt aber auch zu bedenken, dass die Mineralölkonzerne in der Coronakrise deutliche Verluste gemacht haben. „Aber das Gefühl, dass sich da jemand bereichert auf Kosten des Bürgers in einer Krise, das ist natürlich wahnsinnig schnell da. Aber es ist grundsätzlich einfach so, wenn das Angebot zurückgeht oder die Nachfrage steigt, dann reagieren natürlich die Preise.“
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Warum kontrolliert niemand die Mineralölkonzerne?
Zuständig dafür, dass die Mineralölkonzerne ihre Marktmacht nicht ausnutzen, ist das Bundeskartellamt. Bereits im März hatte das Kartellamt angekündigt, die Branche insgesamt genauer unter die Lupe zu nehmen - vor allem mit Blick darauf, was zwischen Rohöleinkauf und Tankstellenverkauf passiert. Viel dabei herausgekommen ist in den letzten Monaten allerdings nicht.
Der für das Kartellamt zuständige Minister, Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, setzt auf die Kontrolle durch das Kartellamt: „Wir werden weiterhin uns natürlich mit den kartellrechtlichen Fragen beschäftigen müssen, aber Öl ist eben auch wie Energie teil einer ökonomischen Auseinandersetzung geworden."
Für eine gründliche Prüfung sind dem Amt allerdings aktuell noch weitestgehend die Hände gebunden: „Der Grund für das Wettbewerbsdurchsetzungsgesetz ist ja, dass das Kartellrecht eine tiefgehende Sektorenprüfung im Moment, ich will nicht sagen, unmöglich macht, aber sehr erschwert,“ erklärt Habeck in einer Pressekonferenz am Mittwoch.
Ein neues Gesetz soll jetzt mehr Spielräume ermöglichen, allerdings gibt es noch keinen genauen Plan, wann dieses Gesetz nun kommen soll. Die Ressortabstimmung zum Gesetzesentwurf wird in "Kürze zu Ende gehen" und soll dann "zeitnah" ins Kabinett gebracht werden.
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Umfrage: Sollte das Kartellrecht wegen der Spritpreise verschärft werden?
Anmerkung der Redaktion: Ergebnisse unserer Opinary-Umfrage sind nicht repräsentativ.
Was kann man dagegen tun?
Das Kartellamt als Kontrollinstanz scheint aktuell also weitestgehend machtlos. Wie könnten wir die Spritpreise aber trotzdem in den Griff bekommen und die Macht der Mineralölkonzerne reduzieren?
Wirtschaftsexpertin Claudia Kemfert schlägt eine Preisdeckelung des Sprits, ähnlich wie bei den Strompreisen vor: „Man deckelt einen Preis oder nimmt die Übergewinne weg oder besteuert den Umsatz und gibt das den Tankkunden oder auch den Betroffenen zurück. Das könnte man politisch auch machen und wird leider nicht umgesetzt.“
Die einfachste Lösung, um nicht mehr abhängig von teuren Spritpreisen zu sein, sei laut Kemfert aber ganz klar eine: weg von fossiler Energie: „Der Dreh- und Angelpunkt ist aktuell ein fossiler Energiekrieg. Wir müssen weg von Benzin und Diesel. Da gibt’s gar keinen Weg dran vorbei.“
(khe/mit dpa)
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