Tijen Onaran: „Schlechter verhandelt“ – das Argument zieht nicht mehrGender Pay Gap: "Eins können wir selbst tun - über unsere Bezahlung reden!"

„Schlechter verhandelt“ – das Argument zieht nicht mehr, wenn es darum geht, Frauen weniger Gehalt als ihren männlichen Kollegen zu zahlen. Eine Frau aus Sachsen hat genau dagegen geklagt und gewonnen. Sie verdiente 1.000 Euro weniger Gehalt als ihr Kollege und das für die gleiche Arbeit. Das Arbeitsgericht gab ihr Recht und will damit auch die Positionen von anderen Frauen stärken.
Aber wie wegweisend ist das Urteil wirklich? Was muss getan werden, damit Frauen in Deutschland für gleiche Arbeit genauso bezahlt werden wie ihre männlichen Kollegen? Und welche Rollen spielen Krisen dabei, dass Lohnanpassungen bei Frauen ausbleiben? Antworten darauf gibt Tijen Onaran, Unternehmerin, Autorin (‘Nur wer sichtbar ist, findet auch statt’*) und Gründerin der Diversitätsberatung ACI Consulting, im Gespräch mit RTL.
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"Allen ist natürlich klar, dass die Person, die sich für diese Transparenz interessiert, nicht Mitarbeiterin des Monats wird"
Dass sich wenig verändert habe seit der Einführung des Entgelttransparenzgesetzes ist das eine, das andere sind ausbleibende Sanktionen für Unternehmen, die sich nicht dran halten, erklärt Gründerin Tijen Onaran. Das Gesetz sollte zur Gleichbezahlung von Männern und Frauen beitragen. Es trat 2017 in Kraft. Doch was hat es gebracht?
„Es gibt bislang keine Sanktionen für Unternehmen, die sich nicht an das Entgelttransparenz-gesetz halten. Damit das Gesetz umgesetzt wird, bedarf es eben auch Konsequenzen fürs Nicht-Handeln. Hinzu kommt, dass der Anspruch auf Auskunft ohnehin stark eingeschränkt ist“, sagt Onaran. Er gelte erst, wenn es bei einem Unternehmen mindestens sechs Personen des jeweils anderen Geschlechts in entsprechenden Positionen gebe. Auch dürfe nur alle zwei Jahre Auskunft verlangt werden, und zwar immer nur bezüglich zwei konkreter Entgeltbestandteile, so Onaran weiter.
„Und allen ist natürlich klar, dass die Person, die sich für diese Transparenz interessiert, nicht Mitarbeiterin des Monats wird. Hat das Unternehmen mehr als 500 Beschäftigte, so KANN es eine betriebliche Prüfung der Entgeltgleichheit vornehmen, es ist dazu allerdings nicht verpflichtet“.
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"Wehe Frauen sind zu klar in ihren Forderungen. Dann sind sie zu laut, zu energisch...irgendein ZU geht immer"

Um ungleiche Gehälter zwischen den Geschlechtern zu vermeiden, sei der erste Schritt das Schaffen von Transparenz im Unternehmen, erklärt die Gründerin. Dabei gehe es konkret um Transparenz in Bezug auf eventuell vorliegende Gender Pay Gaps.
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„Sie [die Unternehmen, Anm. d. Red.] müssen also selbst ermitteln, wo der Gap liegt und wie groß er ist, heißt, was er auch finanziell bedeutet. Und dann ist da noch eine große Hürde: Sie müssen eingestehen, dass es in der Vergangenheit ungleiche Bezahlung gab und diese gleichzeitig sofort abschaffen. Davor schrecken viele Unternehmen noch zurück“, so Onaran. „Nennen wir es doch beim Namen: Berechnung ist überhaupt kein Problem!“
Den Gap zu beheben, sei für die meisten Unternehmen finanziell möglich. Aber tief verankerte Glaubenssätze, wie: Frauen seien nicht so qualifiziert, Frauen seien nicht so leistungsfähig und ähnliche Aussagen hätten sich so fest eingeprägt, dass die ungleiche Bezahlung gar nicht als ungerecht wahrgenommen werde. „Und dann gibt es noch die gängigen Ausreden, vor allem, um sich selbst zu beruhigen: Selbst schuld, wenn Frauen einfach schlechter verhandeln. Nur, wehe, sie sind zu klar in ihren Forderungen. Dann sind sie nämlich zu laut, zu energisch, zu unsensibel…irgendein ZU geht immer.“
Gerade was auch den Fachkräftemangel in Deutschland angeht, spielen Frauen eine mehr als bedeutende Rolle, macht die Unternehmerin und Gründerin klar. Dabei müssten aber zuerst die passenden Arbeitsbedingungen für Frauen geschaffen werden:
„Wichtiger Punkt an dieser Stelle: 800.000 Arbeitskräfte hätten wir auf einen Schlag mehr in Deutschland, wenn alle Frauen mit Kindern so viel arbeiten würden, wie sie es Umfragen zufolge gerne möchten. Dies gelingt allerdings nur mit attraktiveren Arbeitsbedingungen.“
Tijen Onaran: Eine Sache können wir selbst tun: Über unsere Bezahlung reden!

Ein Gender Pay Gap von 18 Prozent lasse sich nicht wegdiskutieren: „Frauen werden am Arbeitsmarkt immer noch benachteiligt“. Und auch die Folgen der Lohnlücke zwischen Frau und Mann seien gravierend.
„Frauen sind mehr und öfter auf Sozialleistungen angewiesen und die Gehaltslücke sowie das Ehegattensplitting machen es oftmals für Frauen nicht attraktiv, zu arbeiten. Mittlerweile ist vom Gender Pension Gap die Rede, die Rente fällt also viel niedriger aus. Deutschland ist auch hier wieder negativer Vorreiter: Der Gender Pension Gap liegt bei 45%“, erklärt Onaran.
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Doch wie sieht es mit der Politik aus, was kann sie für mehr Lohngerechtigkeit tun?
Auf die Frage macht Onaran deutlich: „Endlich mal anfangen etwas zu tun. Alle kennen die Lage. Der Fachkräftemangel kommt hinzu. Das Problem ist erkannt und erforscht, dennoch müssen aktuell Frauen vor Gericht ihr Recht einklagen“. Es dürfe nicht davon abhängen, ob der Arbeitgeber das wolle oder nicht. Es dürfe kein Glück sein. Es müssen also einheitliche Regeln eingeführt werden, die gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit verbindlich festlegten.
„Aus der eigenen Beratungspraxis nehme ich aber durchaus wahr, dass viele Unternehmen bereit sind, sich hier zu verändern“, beschreibt die Gründerin ihre Erfahrungen. Eine Sache könnten wir selbst tun, so Onaran: „Über unsere Bezahlung reden, mit Freund*innen, mit Kolleg*innen, mit unserer Familie. Transparenz hilft jedem Einzelnen für eine fairere Bezahlung.“
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Inwiefern haben Krisen wie der Ukraine-Krieg auch Einfluss auf die Lohnanpassung von Frauen?
Welchen Einfluss auch Krisen auf die Lohnanpassung von weiblichen Gehältern haben, erklärt die Unternehmerin so:
„Zum einen belasten Krisen die Wirtschaft, was zu einem Rückgang der Beschäftigung und zu Entlassungen führen kann. Frauen arbeiten häufiger in Branchen, die von Krisen stark betroffen sind, wie z.B. Einzelhandel, Dienstleistungen und Tourismus“. Damit seien Frauen in der Regel stärker von Arbeitsplatzverlusten betroffen als Männer. Das könne dazu führen, dass Frauen gezwungen seien, Jobs mit niedrigeren Gehältern anzunehmen. Um dem entgegenzuwirken, müsse an verschiedenen Stellenschrauben gedreht werden.
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„Eine stärkere Sichtbarkeit von Frauen in Führungspositionen in Wirtschaft und Politik ist dringend notwendig. Die Frauen brauchen Stimmen, die auf bestehende Missstände und deren Konsequenzen immer wieder verweisen und Lösungen anbieten. Nur wenn ich es selbst sehen kann, kann ich es auch werden. Wir brauchen die sichtbaren Vorbilder“, betont Onaran.
Es könne doch niemand ernsthaft argumentieren, dass es es uns nicht gelinge einen gesetzlichen Rahmen zu schaffen, der ungleiche Bezahlung verhindere. „Dann lasst mal bitte ein paar motivierte Frauen ran.“
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Zu groß, zu klein, gefällt nicht - jede sechste Online-Bestellung wird zurückgeschickt, bei Kleidung sogar jede zweite. Für den Kunden einfach, für den Handel eine logistische Herausforderung. Denn die Pakete müssen nicht nur abgeholt werden, die Ware muss auch noch geprüft werden. RTL+ zeigt in der Doku "Retouren-Wahnsinn - Die dunkle Seite des Onlinehandels" alles – von der Rücksendung bis zur Verwertung der Ware.
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