Einbußen von über 80 Milliarden Euro jährlich
Millionen Arbeitskräfte fehlen: Studie zeigt, was die deutsche Wirtschaft das kostet
Ob in der Gastronomie, in der Pflege oder im Handwerk – Arbeitskräfte fehlen aktuell in Deutschland an allen Ecken und Enden. Und mittlerweile wird der Mangel an qualifiziertem Personal auch an den Zahlen der Unternehmen deutlich. So zeigt eine Studie der Unternehmensberatung „Boston Consulting Group“, dass Betrieben, die weniger Mitarbeiter beschäftigen als es ihre Geschäftslage hergibt, deutlich Umsatz verloren geht. Mehr Arbeitskräfte aus dem Ausland seien nun dringend gefragt.
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1,9 Millionen offene Stellen - „etwa eine Million über langfristigem Durchschnitt“
Fehlendes Personal ist teuer, denn Unternehmen müssen dadurch deutliche Umsatzeinbußen einstecken. So kostet der Arbeitskräftemangel Deutschland, nach Berechnungen der Unternehmensberatung BCG, jährlich 84 Milliarden Dollar, also umgerechnet 86 Milliarden Euro an verlorener Wirtschaftsleistung. Damit sind die Einbußen der deutschen Volkswirtschaft nach Einschätzung der Autoren, im Vergleich der wirtschaftsstärksten Nationen, die international zweithöchsten nach den USA.
Die Autoren Johann Harnoss und Janina Kugel haben die Studie in Kooperation mit der Internationalen Organisation für Migration der Vereinten Nationen erarbeitet. Grundlage der Berechnung für Deutschland waren die Zahlen des Nürnberger Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, das für das zweite Quartal 1,9 Millionen offene Stellen gemeldet hatte.
„Das ist etwa eine Million über dem langfristigen Durchschnitt“, sagte Harnoss der dpa. „Das sehen sowohl Ökonomen als auch wir als strukturellen Mangel.“ Harnoss und die frühere Siemens-Personalvorständin Kugel gehen davon aus, dass im Schnitt jeder dieser eine Million fehlenden Arbeitnehmer pro Jahr in etwa 84.000 Dollar Wirtschaftsleistung erbringen würde - in Summe also 84 Milliarden Dollar.
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Prognose: Arbeitskräftemangel auch bei größerer Zuwanderung nicht aufhaltbar
Bis 2035 würde auch bei einer angenommenen Zuwanderung von 300.000 bis 400.000 Menschen pro Jahr die Zahl der Menschen im arbeitsfähigen Alter um drei Millionen Menschen zurückgehen, bis 2050 um neun Millionen, schätzen Harnoss und Kugel.
„Die Kosten von 84 Milliarden werden noch größer, wenn wir nicht dagegen steuern“, sagte Kugel. „Die USA haben zwar die meisten offenen Stellen, sind aber auch am besten positioniert, die Lücke wieder zu schließen.“ In den USA gehen Kugel und Harnoss für das Jahr 2050 von einer Lücke von 19 Millionen Arbeitskräften aus, jedoch auch von ebenso vielen Einwanderern.
Harnoss schlägt vor, dass Deutschland Arbeitskräfte gezielt in Ländern anwirbt, deren Bevölkerung noch wächst. „Eine Möglichkeit wäre, die Leute dort in ihren Heimatländern auszubilden, bevor sie nach Deutschland kommen.“ Das hätte Vorteile für die Einwanderer, für die Herkunftsländer und für die Zielländer.“ Als Beispiele nannte er Indien, Nigeria, Indonesien oder Ägypten.
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Studienautoren: Deutschland muss Arbeitskräfte in Ländern mit noch wachsender Bevölkerung anwerben

„Wir müssen unideologische Linien haben“, plädierte Kugel für eine sachliche Diskussion über Einwanderung. „Falls wir einen noch größeren Fachkräftemangel bekommen, werden wir politische Diskussionen in noch ganz anderen Tönen bekommen“, sagte sie mit Blick auf die Bezahlbarkeit von Renten- und Gesundheitssystem.
„Dort, wo Einwanderung in großem Maßstab stattfindet, ist auch die Akzeptanz deutlich höher“, argumentierte Kugel unter Verweis auf Städte wie München, in denen ein sehr hoher Anteil von Einwanderern mit vergleichsweise geringem Zulauf zu Extremisten einhergeht.
Kugel und Harnoss raten dem deutschen Mittelstand, sich verstärkt auf dem internationalen Arbeitsmarkt umzusehen - und nicht nur, um ausscheidende einheimische Arbeitskräfte zu ersetzen. „Je diverser Unternehmen sind, desto innovativer sind sie auch“, sagte Kugel mit Blick auf die US-Techkonzerne, die sehr viele Zuwanderer beschäftigen. (dpa/lwe)
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