True Crime aus Hessen: Der Fall „Manfred Seel": Ehemann, Vater, Massenmörder?
Er war hilfsbereit, spielte in einer Jazzband und war Ehemann und Vater – doch Manfred Seel hatte noch ein zweite, eine dunklere Seite. Er soll mehrere Frauen gequält und getötet haben. Ein sadistischer Massenmörder in einer perfekten Familienidylle. Wer war dieser Mann, der Leichenteile seiner Opfer in blauen Fässern in seiner Garage aufbewahrt hat? In unserer Wochenserie gehen unsere Reporter auf Spurensuche und beleuchten die spektakulärsten Kriminalfälle aus Hessen.
Ob mysteriös, grausam oder spektakulär: RTL Hessen auf den Spuren wahrer Verbrechen.
„In diesen beiden Fässern befanden sich also zwei Füße, Unterschenkel, ein Kopf, der Torso eines menschlichen Körpers."
„Letztendlich, wenn Sie das zusammenrechnen, könnten Sie sich dadurch tatsächlich einen neuen Körper herstellen."
„Müsste dann wirklich ein fast perfektes Doppelleben geführt haben, weil auch die Leute, die ich kenne und schon gesprochen habe, die haben gesagt: Verstehen wir nicht, gibt es doch gar nicht.
Die Rede ist von Manfred Seel, Ehemann und Vater aus Schwalbach, den Freund als hilfsbereit und freundlich beschreiben, der in einer Jazzband Saxofon und Klarinette spielt. Aber er soll auch ein sadistischer Massenmörder gewesen sein, der Freude daran hatte, Frauen zu quälen und zu töten.
11. September 2014: In der Garage von Manfred Seel übernehmen Ermittler des K10 die Sicherstellung von Spuren. Die Spezialisten kommen zum Einsatz, wenn es um Gewalt oder Sexualdelikte und vermisste Personen geht. Das Opfer erfüllt alle drei Kriterien.
„Die Auffindesituation war so, dass also ein Angehöriger der Familie mit dem Entrümpeln beschäftigt war. Und beim Entrümpeln dieser Garage wurden diese beiden Fässer aufgefunden."
Es ist die Tochter, die die Fässer entdeckt und öffnet. Zehn Tage später ist die Identität des Opfers geklärt. Es ist Britta Diallo, eine Prostituierte, die bereits seit 2004 vermisst wird. Jetzt beginnen Experten des Landeskriminalamtes in mühevoller Kleinarbeit, diesen Mord mit anderen zu vergleichen, die Ähnlichkeiten aufzeigen. Dafür wird die Arbeitsgruppe Alaska gegründet. Der Name rührt daher, dass Manfred Seel auch im Sommer bevorzugt Pelzkleidung trägt und Alaska sein bevorzugtes Reiseziel ist. Zwei Jahre dauern die Ermittlungen, bis im Mai 2016 der Leiter der Arbeitsgruppe, Frank Herrmann, neue, erschütternde Details bekannt gibt.
„Aufgrund des Verletzungsbilds im Fall Diallo, des Leichnams aus den Tonnen in Schwalbach vom September 2014 und der Erkenntnis, dass es sich hier offensichtlich um das Ausleben von Fantasien des sexuellen Sadismus an diesem Leichnam bzw. möglicherweise auch an dem noch lebenden Opfer handelt, müssen wir zwingend davon ausgehen, dass es sich hier nicht um eine einzelne isolierte Tat handelt."
Die Polizei geht davon aus, dass Seel zwischen 1971 und 2004 mindestens fünf Frauen ermordet hat. In erster Linie handelt es sich um drogenabhängige Prostituierte vom Straßenstrich. Auf Festplatten mehrerer PCs, die sich in seinem Keller befinden, entdecken die Ermittler 32.000 gewalt-pornografische und gewaltverherrlichende Fotos und Filme.
Die Ermittlungsergebnisse lassen einen fassungslos zurück. Was geht in einem Menschen vor, der zu solchen Taten in der Lage ist? Lydia Benecke ist Kriminalpsychologin. Für sie ist klar: Manfred Seel hatte eine gespaltene Persönlichkeit.
„Viele dieser Täter sagen sich: Ja, ich habe halt dieses besondere Bedürfnis. Ansonsten bin ich aber ein netter Kerl und dementsprechend, weil das in deren Wahrnehmung kein Widerspruch ist, können die das auch ganz entspannt so leben."
Das deckt sich auch mit den Erfahrungen, die Günter Gernot gemacht hat. Er und Manfred Seel waren mehrere Jahre befreundet, beide spielten in einer Jazzband. Dieses zweite Ich, den netten Kerl, kannte er sehr gut.
„Dazu hat man ihn eigentlich auch sehr gemocht, weil vom musikalischen her war er ein prima Kollege, der Kumpeltyp, sag ich mal, den man auch mal bitten konnte, dass er einem irgendwas hilft. Das hat er immer gemacht. Er hat also eigentlich nie nein gesagt."
Die andere Seite, die dunkle, konnte Manfred Seel sehr gut verbergen.
„Müsste dann wirklich ein fast perfektes Doppelleben geführt haben, weil auch die Leute, die ich kenne und schon gesprochen habe, die haben gesagt: Verstehen wir nicht, gibt es doch gar nicht."
Und Menschen wie Manfred Seel können mit diesem Widerspruch ohne Probleme leben.
„Die sagen: Es gibt mein Familien-Ich als Vater und es gibt halt mein dunkles Ich, das bestimmte Fantasien auslebt. Und diese zwei ziehe ich quasi an, wie jemand seinen Arbeitsanzug anzieht und zu Hause seine Privatsachen anzieht."
Das dunkle Ich sammelte Leichenteile, die es dann über Jahrzehnte aufbewahrte, wie in diesen Plastikfässern.
„Wenn er zum Beispiel bestimmte Trophäen mitnimmt und auf eine bestimmte Art Verstümmelungen macht, dann kann es sein, dass das genau sein Drehbuch ist und dass das zur Befriedigung seiner ultimativen Ziel-Fantasie eben dient. Die Angst, im Opfer zu sehen, Macht zu haben und mit dem Opfer auch nach seinem Tod noch Dinge machen zu können."
Manfred Seel wurde nie angeklagt. Er stand nie vor einem Richter und musste nie für die Taten, die ihm vorgeworfen werden, büßen. Manfred Seel starb im Alter von 67 Jahren, kurz bevor seine Tochter den grausigen Fund in der Garage in Schwalbach macht. Die Ermittlungsgruppe Alaska wurde mittlerweile aufgelöst. Sie konnte nur Indizien sammeln. Klare Beweise, dass Manfred Seel all diese Frauen bestialisch getötet hat, gibt es nicht. Vieles spricht aber dafür.