Weitere Mieter in ganz Deutschland sind betroffen
Wegen Lücke im Gesetz: Hunderttausenden Mietern in Berlin droht der teuerste Gas-Tarif

Im Zuge der Ukraine-Krise und der wirtschaftlichen Folgen sind die Menschen in Deutschland angehalten, Energie und insbesondere Gas zu sparen. Doch aufgrund einer Gesetzeslücke kündigen derzeit Gaslieferanten zahlreiche Verträge. Die Folge sind horrende Gasrechnungen im kommenden Jahr.
Energiesparende Gasthermen schuld
Betroffen von den Kündigungen sind ausgerechnet Mieterinnen und Mieter in Wohnhäusern, in denen energiesparende zentrale Gasthermen eingebaut wurden. Dadurch gilt nämlich die Vermieterin bzw. der Vermieter als alleiniger Vertragspartner für den Gaslieferanten. Und wird dadurch nicht mehr als Privatkunde gezählt, sondern als Gewerbekunde.
Das sind allein in Berlin hunderttausende Menschen, das ganze Ausmaß für ganz Deutschland lässt sich noch nicht abschätzen.
Lese-Tipp: Mit diesen Tipps können Sie im Winter Geld beim Heizen sparen
Aus Haushaltskunde wird Gewerbekunde
Ein aktueller Fall aus Berlin, über den der „rbb“ berichtete, zeigt die Vorgehensweise: Zunächst kündigte ein Gaslieferant einem Mehrfamilienhaus im Stadtteil Pankow, weil die Krise auf dem Gasmarkt zu groß wurde.
Dadurch muss nun der Vermieter des Hauses beim Gasanbieter Gasag die Energie für die Wärmeversorgung seiner Bewohnerinnen und Bewohner beziehen. Er kauft also das Gas für das gesamte Haus, gilt demzufolge aber nicht mehr als normaler „Haushaltskunde“, sondern als Gewerbekunde.
Infolgedessen hat der Vermieter auch keinen Anspruch auf den Wechsel in die Grundversorgung. Er wird in die sogenannte Ersatzversorgung eingeordnet.
Lese-Tipp: Gasumlage von RTL-Finanzexpertin Susanne Althoff erklärt

Preis ist fünffach höher
Und das hat einen großen Einfluss auf die Tarifarten: Die Grundversorgung ist eine Regelversorgung mit geringen Preisschwankungen, der Vertrag hierfür wird langfristig abgeschlossen. Die Preise orientieren sich noch auf die des vergangenen Jahres.
Die Ersatzversorgung ist stattdessen eine Art Notversorgung und unterliegt stark schwankenden Preisen. Der Versorger kauft am sogenannten Spotmarkt ein und das kurzfristig. Aus diesem Grund müssen Mieterinnen und Mieter ab Dezember mit dem fünffachen Preis für Gas rechnen.
Das alles passiert nur, weil der Mieter des Hauses vor einigen Jahren eine zentrale Gastherme eingebaut hat.
Lese-Tipp: Stadtwerke schlagen wegen Energiekrise Alarm
Ohne Einzelvertrag keine Grundversorgung
Zwar verbraucht die moderne Sammelanlage weniger Energie, doch davon haben die Mieterinnen und Mieter nichts. Sie haben alle nämlich keine Einzelverträge und können dadurch nicht in die Grundversorgung wechseln.
Seit Dezember 2021 ist der Preis der Grundversorgung nur um rund 2 Cent pro Kilowattstunde gestiegen. Bei der Ersatzversorgung allerdings um über 16 Cent.

Bundesregierung änderte Gesetz
Gegenüber dem Verbrauchermagazin „Super.Markt“ zeigte sich Hausbesitzer Knut Muhsik verzweifelt: „Es wurde uns jahrelang eingeimpft, „Leute, baut moderne Heizungen ein“. Jetzt bedeutet es, dass meine Mieter nicht mehr in die Grundversorgung kommen, weil sie keine eigenen Zähler mehr haben, sondern es nur noch einen zentralen Zähler gibt. Und dadurch werde ich als Gewerbekunde behandelt, und der Weg in die Grundversorgung ist gesperrt.“
Erst im Sommer dieses Jahres hatte die Bundesregierung wegen der Gaskrise das Energiewirtschaftsgesetz geändert. Die Gasversorger sollten geschützt werden, weswegen fortan für Haushaltskunden folgende Regel gilt:
Sie seien „Letztverbraucher, die Energie überwiegend für den Eigenverbrauch im Haushalt oder für einen Jahresverbrauch von (nicht mehr als) 10.000 Kilowattstunden kaufen.“
Gasanbieter kann nicht helfen
Dem Anbieter Gasag sind die Hände gebunden, dieser hält sich nur an die Vorgaben und schaut schlicht auf die Menge des verbrauchten Gases. Anhand dessen entscheiden er.
In Berlin werden laut einer Studie des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft aus dem Jahr 2019 rund 21 Prozent aller Wohnungen über Gas-Sammelheizungen versorgt.
Dadurch wären in der Landeshauptstadt 350.000 Haushalte betroffen, sollte ein Gaslieferant kündigen und ein neuer gefunden werden.
Versorger stehen über Verbraucher
Die Verbraucherzentrale Bundesverband hat sich nun eingeschaltet und fordert ein Handeln der Regierung. Man solle entweder die Grenze von 10.000 kWh Gas anheben oder das Wort Eigengebrauch müsse geändert werden.
So hätte die Regierung nämlich einen Fehler gemacht, der nur die Versorger begünstigt. (nul)