Ex-Kanzlerin bereut früheres Vertrauen nicht
Angela Merkel verteidigt Gas-Geschäfte mit Russland

Altbundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat die Entscheidung früherer Jahre verteidigt, für eine Übergangszeit während der Energiewende sehr stark auf billiges Erdgas aus Russland gesetzt zu haben. „Für die Transformationszeit war klar, dass wir Erdgas brauchen, um dann natürlich eines Tages zu CO2-freien Energieformen vollständig zu kommen“, sagte sie bei einer Veranstaltung der Stiftung Calouste Gulbenkian in der portugiesischen Hauptstadt Lissabon.
Deutschland droht Rezession
„Aus der damaligen Perspektive war es sehr rational und nachvollziehbar, leitungsgebundenes Gas auch aus Russland zu beziehen, das billiger war als das LNG (Flüssiggas) aus anderen Gegenden der Welt - USA, Saudi-Arabien, Katar“, fügte Merkel hinzu. Durch enorme Preissteigerungen und Lieferausfälle in der Folge des russischen Angriffskrieges in der Ukraine droht Deutschland inzwischen im kommenden Jahr eine Rezession.
Lesetipp: Inflation, Krieg, Corona: Wovor die Deutschen am meisten Angst haben
Der russische Angriff auf die Ukraine am 24.Februar hat die Hoffnung auf eine nachhaltige Erholung der deutschen Wirtschaft nach zwei Corona-Jahren jäh zunichtegemacht. Der Krieg und seine Folgen potenzieren die Probleme, die Europas größte Volkswirtschaft schon vorher belasteten: allen voran steigende Energiepreise sowie Engpässe bei wichtigen Rohstoffen und Vorprodukten.
Wirschaftsexperte: "Wir werden nie wieder normale Zeiten haben"
Merkel wirbt um Verständnis für ihre Politik
„Man handelt ja immer in der Zeit, in der man ist“, warb Merkel um Verständnis. Es sei für die deutsche Politik klar gewesen, dass die gesamte Energieversorgung umgestellt werden müsse. „Wir sind aus der Kernenergie (...) ausgestiegen. Wir wollten Schritt für Schritt - und wollen das ja immer noch - aus der Kohle aussteigen“, rief sie in Erinnerung.
Sie sagte zudem: „Selbst im Kalten Krieg war Russland ein verlässlicher Energielieferant. Ich hab nie daran geglaubt, dass es so was gibt wie Wandel durch Handel, aber durchaus Verbindung durch Handel. Und insofern bereue ich Entscheidungen überhaupt nicht sondern glaube, dass es aus der damaligen Perspektive richtig war“, beharrte Merkel.
Zudem sei die Dringlichkeit, den Klimawandel zu bekämpfen, zum Ende ihrer Amtszeit immer offensichtlicher geworden. „Und trotzdem hat dieser brutale Überfall Russlands jetzt eine Veränderung gebracht. Das ist eine Zäsur. Und mit der muss die neue Regierung natürlich umgehen, und das tut sie ja auch“, sagte die Altkanzlerin, die 16 Jahre bis vergangenen Dezember Regierungschefin war.
Wir möchten Ihre Meinung wissen: Kann man Merkel ihre Russlandpolitik zum Vorwurf machen?
Merkels Russland-Politik nicht "blauäugig"
Bereits im Februar, nach dem ersten Angriff Russlands auf die Ukraine, hatte die Altkanzlerin Putins Verhalten scharf verurteilt. Für den Bruch des Völkerrechts gäbe es „keinerlei Rechtfertigung“, sagte sie damals. In ihrem ersten Interview nach dem Ende ihrer Regierungszeit im Juni hatte Merkel es abgelehnt, sich für ihre nicht „blauäugige“ Russland-Politik zu entschuldigen: „Also, ich sehe nicht, dass ich da jetzt sagen müsste: Das war falsch (...).“
Lesetipp: Merkel warnt davor, Putins Atomdrohungen als "Bluff" abzutun
Merkel hatte in ihrer Amtszeit Wert darauf gelegt, die Gesprächskanäle zu Putin offen zu halten, auch beispielsweise nachdem Russland 2014 die ukrainische Schwarzmeerhalbinsel Krim besetzt hatte. (dpa/lha)