Am Samstag gehen die letzten drei Atomkraftwerke in Deutschland vom Netz

Atom-Aus am Wochenende: Wird unser Strom jetzt teurer?

Am Wochenende ist es soweit: Der deutsche Atom-Exit steht an. Die letzten drei noch laufenden Atomkraftwerke gehen vom Netz und werden abgeschaltet. Nach viel politischem Ringen steigt Deutschland damit aus der Atomenergie endgültig aus. Doch was heißt das konkret für unsere Stromversorgung und wird der Strom jetzt sogar teurer? Die wichtigsten Fragen und Antworten.
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Das bedeutet der Atom-Ausstieg für die Strompreise?

Laut Experten haben die Abschaltungen keine Auswirkungen auf die Strompreise für Haushaltskunden: „Die Marktakteure haben sich bereits auf die neue Situation eingestellt. Strom wird bereits jetzt für die kommenden Wochen und Monate gehandelt, und es sind keine Preisanstiege an den Märkten erkennbar“, sagt Energiemarkt-Expertin Christina Wallraff von der Verbraucherzentrale NRW.

Auch das Vergleichsportal Verivox erwartet kurzfristig keine konkreten Folgen für die Strompreise. Allerdings: „Mittel- bis langfristig könnte die Abschaltung schon Auswirkungen haben, da mit der Kernkraft günstige Stromkapazitäten aus dem Markt genommen werden, die vor allem in Zeiten hoher Nachfrage ersetzt werden müssen“, sagt Energieexperte Thorsten Storck. Hier komme es vor allem darauf an, wie schnell der Ausbau der erneuerbaren Energien voranschreitet, so Storck.

Günstige Strompreise in Sicht. Was Verbraucher jetzt tun sollten

Zuletzt sind die Strompreise für Neukunden deutlich gesunken. „Aktuell gibt es Stromtarife ab circa 32 Cent pro Kilowattstunde plus Grundpreis“, heißt es von der Verbraucherzentrale NRW. Preissenkungen bei Bestandskundentarifen seien noch eine Ausnahme. Für die kommenden Monate sei eine weitere Entspannung in Sicht. Auch das Vergleichsportal Check24 rechnet mit einer positiven Veränderung der Strompreise. „Die Entwicklung bleibt allerdings abhängig von den weltpolitischen Ereignissen sowie den Füllständen der Gasspeicher“, sagt Energie-Geschäftsführer Steffen Suttner.

Wer aktuell hohe Preise jenseits der 40 oder sogar 50 Cent pro Kilowattstunde für seinen Strom bezahlt, sollte aus Sicht der Verbraucherzentrale über einen zeitnahen Wechsel nachdenken. Auch Tarife eines Stadtwerks könnten eine Option sein, gerade für Kunden, die in der Energiekrise schlechte Erfahrungen mit Discountern gemacht hätten.

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Hat die Abschaltung Auswirkungen auf die Stromversorgungssicherheit?

Klar ist jedenfalls: Die drei letzten Atomkraftwerke in Deutschland produzieren bis zum Schluss jede Menge Strom. So soll etwa das RWE-Kraftwerk Emsland im niedersächsischen Lingen allein in diesem Jahr bis zum 15. April nach Unternehmensangaben rund zwei Milliarden Kilowattstunden erzeugen. „Das entspricht etwa dem Jahresstrombedarf von rund 500.000 Haushalten“, sagt ein Sprecher. Nach der Abschaltung steht dieser Strom nicht mehr zur Verfügung.

Doch kommen wir dann ohne Atomstrom aus? Unsere Versorgungssicherheit mit Strom sei erstmal nicht gefährdet, heißt es von der Bundesnetzagentur: „Es steht genügend gesicherte Kraftwerksleistung aus anderen Anlagen bereit, um die Stromnachfrage auch nach Abschaltung der Atomkraftwerke zu decken.“ Auch aus Sicht des Bundeswirtschaftsministeriums ist die Versorgungssicherheit weiter gewährleistet.

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Die Ergebnisse der Umfrage sind nicht repräsentativ.

Welche Kraftwerke übernehmen die Produktion der drei Anlagen?

„Langfristig haben sich die Händler und Versorger je nach Beschaffungsstrategie seit langem mit ausreichend Strom für die kommenden Monate und Jahre eingedeckt“, sagt ein Sprecher der Netzagentur. Die Abschaltung der Atomkraftwerke sei längst einkalkuliert.

Kurzfristig entscheide das Marktgeschehen auf den Spotmärkten, welche Kraftwerke tatsächlich Strom produzierten. „Dabei werden jeweils die preiswertesten, aktuell zur Verfügung stehenden Erzeugungstechnologien zuerst eingesetzt.“

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Sind also keine Probleme zu erwarten?

Die Stromversorgung soll vorerst gesichert sein, heißt es von Experten: „Die Versorgungssicherheit sollte aus heutiger Sicht und unter Berücksichtigung verschiedener Szenarien nicht gefährdet sein“, sagt Enervis-Experte Schlossarczyk. Er begründet dies auch mit der Reaktivierung von Kohlekraftwerken aus der Netzreserve und Sicherheitsbereitschaft.

Auch Experte Christian Rehtanz hält die Versorgungssicherheit zumindest die nächsten Monate für nicht gefährdet. Kohlekraftwerke seien zurück in den Markt geholt worden, sagt der Professor für Energiesysteme und Energiewirtschaft an der TU Dortmund.

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Was muss mittelfristig passieren?

Atomausstieg beim AKW in Lingen am 11.04.2023 Atomkraftwerk in Lingen / Emsland Foto: osnapix Atomausstieg am Kernkrafzwerk Lingen *** Nuclear phaseout at the nuclear power plant in Lingen on 11 04 2023 nuclear power plant in Lingen Emsland photo osnapix nuclear phaseout at the nuclear power plant Lingen MT
Atomausstieg beim AKW in Lingen am 11.04.2023 Atomkraftwerk in Lingen / Emsland Foto: osnapix Atomausstieg am Kernkrafzw
www.imago-images.de, IMAGO/osnapix, IMAGO/osnapix / Titgemeyer

Nach dem Atomausstieg strebt die Bundesregierung bis 2030 auch einen Ausstieg aus der Kohleverstromung an. „Damit steigen wir aus wichtigen Säulen für die gesicherte Stromerzeugung aus, also Kraftwerken, die liefern, wenn Wind und Sonne nicht bereitstehen“, sagt Timm Kehler vom Branchenverband Zukunft Gas.

Manuel Frondel vom RWI Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung in Essen sagt mit Blick auf den Kohleausstieg, zusätzliche Erdgaskraftwerke hätten längst gebaut werden müssen. „Deutschland lebt zunehmend vom Prinzip Hoffnung und vertraut darauf, dass die Nachbarländer die wegfallenden Kapazitäten ausgleichen. Das ist aber wegen begrenzter grenzüberschreitender Netzkapazitäten nur eingeschränkt möglich.“ (dpa/lwe)

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