Ukraine-KonfliktDiese Folgen hat die Krise für unsere Wirtschaft
Die Ukraine-Krise spitzt sich dramatisch zu: Die Hoffnungen auf eine friedliche Lösung scheinen sich zu zerschlagen. Der russische Präsident Wladimir Putin ordnete gestern Abend die Entsendung von Truppen in den umkämpften Osten des Landes an. Die Einheiten sollen in den kurz zuvor von ihm als unabhängige Staaten anerkannten „Volksrepubliken Luhansk und Donezk“ für „Frieden“ sorgen. Der Kremlchef unterzeichnete nach einer TV-Ansprache ein entsprechendes Dekret. Der Westen protestiert und will Sanktionen verhängen. Welche Folgen die Ukraine-Krise für Deutschlands Wirtschaft und Verbraucher haben werden, erklärt Wirtschaftsexperte Michael Hüther im Video.
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Fallende Börsenkurse und steigende Rohstoffpreise
„Natürlich werden uns die Energiepreise belasten und die Börsen werden wie in allen Fällen politischer Unsicherheiten reagieren“, erklärte Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft, gegenüber RTL/ntv.
Der eskalierende Konflikt zwischen Russland und der Ukraine hat am Dienstag zu einer Fortsetzung der Talfahrt an den Aktienmärkten geführt. Der Dax fiel auf ein weiteres Tief seit März vergangenen Jahres.
Kurz nach dem Handelsstart büßte der deutsche Leitindex 2,23 Prozent auf 14 402,96 Punkte ein. Der MDax der mittelgroßen Werte sackte um 2,56 Prozent auf 31 503,59 Punkte ab. Europaweit eröffneten die Börsen ebenfalls mit deutlichen Verlusten. Der Eurozonen-Leitindex EuroStoxx 50 gab um 2,12 Prozent auf 3901,10 Punkte nach. In Asien war die Stimmung angesichts der Russland-Krise ebenfalls stark eingetrübt.
Preisschock für Verbraucher droht
Ifo-Präsident Clemens Fuest erwartet ebenfalls einen Preisschock bei Öl und Gas. „Selbst wenn die Gaslieferungen nicht eingeschränkt würden, käme es zu einem Preisschock, jedenfalls vorübergehend", sagte der Chef des Münchner Instituts. "Das träfe private Haushalte und Industrie in Deutschland gleichermaßen."
Fuest verwies zugleich auf die gegenseitige Abhängigkeit. Westeuropa brauche russisches Öl und Gas. Aber Russland sei auch auf das Geld angewiesen, das dafür bezahlt werde. Ein Lieferstopp sei unwahrscheinlich, weil Russland auch künftig noch Gas nach Europa verkaufen wolle. Sonst würde die EU von woanders Gas beziehen, zum Beispiel Flüssiggas aus Schiffen. Dafür Infrastruktur in Deutschland auszubauen, sei auf jeden Fall sinnvoll. Kurzfristig könnten jedoch Versorgungsengpässe eintreten.
Bundeswirtschaftsminister Habeck machte am Dienstag nach einem Treffen mit NRW-Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) in Düsseldorf deutlich, es könnte kurzfristig ein Ansteigen der Gaspreise geben. Märkte seien «spekulationsanfällig». Wenn die Zukunft ungewisser sei, sei zu befürchten, dass die Preise nach oben gehen. Die weitere Entwicklung hänge auch davon ab, wie sich das Angebot entwickle. Da der Winter langsam «hoffentlich» zu Ende gehe, könne es bei einer sinkenden Nachfrage nach Gas insgesamt und einem größeren Angebot auf den Weltmärkten auch zu Entlastungseffekten kommen.
Zugleich sagte Habeck, Deutschland sei «versorgungssicher». Langfristig werde Deutschland große Anstrengungen unternehmen, dass der Gaspreis insgesamt nicht mehr auf dem jetzigen Niveau sei und die deutschen Verbraucher wie die Unternehmen belaste. Das Ziel: Deutschland soll durch einen schnelleren Ausbau des Ökostroms aus Wind und Sonne unabhängiger von fossilen Energieträgern wie russischem Erdgas werden.
In den vergangenen Monaten hat sich für Verbraucher Tanken und Heizen schon sprunghaft verteuert. Getrieben von weltweiter Nachfrage kletterten die Energiepreise und mit ihnen die allgemeine Teuerung. 5,1 Prozent Inflation im Euroraum im Januar war der höchste Wert seit der Euro-Einführung. In Deutschland hielt sich die Teuerung mit 4,9 Prozent auf hohem Niveau.
Eine höhere Inflation schwächt die Kaufkraft der Verbraucher - ein Ende der Preisspirale ist vorerst nicht in Sicht. Im Januar lagen die Erzeugerpreise für gewerbliche Produkte in Deutschland um 25 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats. Für Konsumenten könnten viele Produkte also noch teurer werden, weil Unternehmen auf höhere Einkaufspreise etwa für Rohstoffe mit einem Preisaufschlag reagieren.
Welche Bedeutung hat Russland für den deutschen Außenhandel?
Verglichen mit Ländern wie China, den USA oder EU-Partnern ist Russlands Bedeutung als Handelspartner für Deutschland eher gering. Zudem sind die Handelsbeziehungen nach Einschätzung von Ifo-Präsident Fuest bereits durch Sanktionen beeinträchtigt, die nach der russischen Annexion der Krim 2014 verhängt wurden.
Im vergangenen Jahr rangierte Russland mit knapp 27 Milliarden Euro auf Rang 14 der wichtigsten Länder für Waren „Made in Germany“. Geliefert wurden vor allem Maschinen (5,8 Mrd Euro), Kraftfahrzeuge, (4,4 Mrd Euro) sowie chemische Erzeugnisse (3 Mrd Euro). Sorge bereitet die Abhängigkeit von russischem Gas und Erdöl, die mit gut 19 Milliarden Euro weit mehr als die Hälfte der Einfuhren aus der Russischen Föderation ausmachten (rund 33 Mrd). „Mit Rohöl und Erdgas sowie mit Basismetallen ergibt sich schon ein potenzieller Bremshebel für die deutsche Konjunktur. Insbesondere Erdgas ist pipelinegebunden und daher nicht einfach ersetzbar“, argumentiert Dekabank-Chefvolkswirt Ulrich Kater.
Die Ukraine hat als Handelspartner für Deutschland weniger Gewicht: Als Exportmarkt kam das Land im vergangenen Jahr mit 5,4 Milliarden Euro auf Platz 40. Deutsche Hersteller lieferten vor allem Maschinen, Kraftfahrzeuge und chemische Erzeugnisse. Eingeführt wurden aus der Ukraine vor allem landwirtschaftliche Produkte.
Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer rechnet noch mit anderen Folgen. "Die Ukraine-Krise bewegt nicht nur kurzfristig die Märkte, sondern verstärkt auch Trends wie die De-Globalisierung, eine interventionistische Industriepolitik und höhere Verteidigungsausgaben", sagte er. „All dies spricht für geringeres Wachstum, höhere Haushaltsdefizite und mehr Inflation." Das wiederum mache laxere europäische Fiskalregeln und eine EZB-Geldpolitik wahrscheinlicher, die die Inflationsrisiken aus politischer Rücksichtnahme nicht entschieden genug bekämpfe. (dpa/aze)
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