Neue Chancen in Indien
Warum die größte Demokratie der Welt für Deutschland immer wichtiger wird

Indien investiert viel Geld und Ressourcen in den Aufbau seines Binnenmarktes und treibt die Energiewende massiv voran. Die größte Demokratie der Welt wird für Deutschland als Produktionsstandort und Markt immer relevanter – besonders jetzt: Denn je mehr demokratische Handelspartner wir haben, um so weniger abhängig sind wir vom autokratischen Regime in China.
Deutsche Wirtschaft kann Abhängigkeit von China verringern
Raus aus der Abhängigkeit: Die Bundesregierung arbeitet hart daran, neue Energiepartner zu finden. Sich auf wenige große Gas-Lieferanten wie Russland zu konzentrieren, war pragmatisch und lukrativ, aber ebenso gefährlich.
Ähnlich abhängig wie von Russlands Präsident Wladimir Putin, ist Deutschlands Wirtschaft jedoch auch vom chinesischen Präsidenten Xi Jinping: China ist mit einem Handelsvolumen von 246,1 Milliarden Euro im Jahr 2021 zum sechsten Mal Deutschlands wichtigster Handelspartner. Wir importieren aus keinem anderen Land der Welt mehr Produkte als aus China. Und: Deutsche Autobauer wie VW, BMW und Daimler produzieren mehr Autos in China als in Deutschland.
Diese Abhängigkeit ist die nächste große Gefahr für die deutsche Wirtschaft. Denn ähnlich wie Putin ist auch Xi Jinping bereit im Zweifel einen Krieg mit seinem Nachbarn zu starten. Sollte China Taiwan angreifen, müsste sich Deutschland auf Grund transatlantischer Loyalität an Sanktionen gegen China beteiligen, so die Einschätzung von Experten. Sanktionen, welche die deutsche Wirtschaft ebenfalls hart treffen würden. Wirtschaftlich wäre das also ein Eigentor.
Um sich aus dieser Abhängigkeit zu lösen, braucht Deutschland mehr Handelspartner und eine größere Auswahl an Produktionsstandorten. Eine Schlüsselrolle könnte hierbei Indien spielen. Der Präsident der Frankfurt School of Finance & Management, Nils Stieglitz, sieht mit Blick auf Indien jetzt eine Zeitenwende, die er im Podcast „Wirtschaft Welt & Weit“ mit den Worten „der Aufstieg des indischen Tigers“ beschreibt.
Indien ist jetzt schon die fünftgrößte Volkswirtschaft der Welt
Und tatsächlich tut sich in der größten Demokratie der Welt gerade viel: In Indien entsteht ein echter Binnenmarkt. Präsident Narendra Modi investiert Milliardensummen in die Infrastruktur des Landes: Laut dem Straßenbauprogramm der Zentralregierung sollen bis Ende 2025 rund 84.000 Kilometer Land- und Schnellstraßen fertig gestellt werden. Zudem wurde bereits 2017 die größte Steuerreform seit der Unabhängigkeit Indiens vor 75 Jahren eingeführt. Dazu gehört auch die landesweit einheitliche Umsatzsteuer, die als wichtiger Baustein für einen indischen Binnenmarkt gilt.
Außerdem schreitet die Privatisierung voran: Erst vor kurzem hat die indische Regierung die Fluggesellschaft Air India an die Tata Group verkauft. Nils Stieglitz sieht hier ein erhebliches Bekenntnis indischer Großkonzerne: „Indische Konglomerate wie Tata, Adani und Reliance glauben fest an einen Industriestandort Indien und sind bereit in den nächsten fünf bis acht Jahren mehr als 250 Milliarden US-Dollar zu investieren.“
All das sind Anzeichen für ein starkes Aufstreben der Wirtschaftsnation Indien. Und dabei ist nicht zu vergessen: Das Land ist bereits jetzt die fünftgrößte Volkswirtschaft der Welt.
Indien wird für deutsche Firmen immer wichtiger
Indien-Experte Nils Stieglitz blickt deshalb mit besonderer Spannung auf das geplante Freihandelsabkommen, das bis Ende 2023 finalisiert werden soll: „Hier liegt eine sehr große Chance für die deutsche, die europäische und die Weltwirtschaft, denn wir brauchen wieder eine Lokomotive für den Freihandel.“ Rund neun Jahre pausierten die Gespräche über ein Freihandelsabkommen mit Indien. Jetzt soll es – wohl auch auf Grund der geopolitischen Veränderungen – schnell gehen.
Dass Indien als Produktionsstandort damit auch für deutsche Firmen immer relevanter wird, sieht auch Indien-Experte Christian Wagner so. Im Podcast gewährt er aber auch Einblicke in die innenpolitischen Widerstände: „Die indische Mittelschicht, kleine Ladenbesitzer zum Beispiel, haben kein Interesse daran, dass große europäische Großhandelsfirmen sich etablieren. Das gefährdet ihr Geschäftsmodell.“
Bei aller Euphorie steckt Indien allerdings in einer echten Job-Krise: Jeder zweite Einwohner ist jünger als 28 – und in genau dieser Altersgruppe liegt die Arbeitslosenrate bei knapp 44 Prozent. Als Beispiel: Die Staatsbahn in Indien veröffentlichte zu Beginn des Jahres rund 35.000 Stellenanzeigen. Beworben haben sich hierauf fast 12 Millionen Menschen.
Indien investiert Milliarden in Solarenergie und Wasserkraft
Ein Problemlöser könnte hierbei der Ausbau erneuerbarer Energien sein. Eine Branche, die in Indien mittlerweile eine bedeutende Rolle spielt und in der viele neue Jobs entstehen könnten. Das Land investiert Milliarden in den Ausbau von Solarkraft und ist führend bei der Nutzung von Wasserkraft als Energiequelle. Deutschland unterstützt Indien schon heute beim Ausbau Erneuerbarer Energien. Hier liegt sicher noch viel Potential mit Blick in die Zukunft.
Übrigens: Diesen Blick hat auch der Asien-Pazifik-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft vor ein paar Wochen gewagt und erneut die Frage aufgeworfen, ob Indien denn für immer ein Zukunftsmarkt bleibe. Eine interessante Frage, auf die es nächstes Jahr sicher eine Teilantwort geben wird: Das geplante Freihandelsabkommen könnte die Wirtschaftswelt geostrategisch neu sortieren – wenn es denn umgesetzt wird.
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