Die Tafeln in Not
Wie die Hilfseinrichtungen unter den steigenden Energiekosten leiden
Die Tafel in Jena versorgt jede Woche knapp 1000 bedürftige Menschen mit Lebensmitteln. Den Transport, die Lagerung und ihre Mitarbeitenden konnte die Tafel bisher über Spenden und eine kleine Summe, die die Bedürftigen selbst zahlen, finanzieren. Doch mit den steigenden Energiepreisen kommt die Tafel zusehends an ihre finanziellen Grenzen. Und das Problem trifft viele weitere Tafeln in ganz Deutschland.
Bis zu 17.000 Euro Mehrkosten für Tafel in Jena
Etwa 6.000 Euro mehr für den Strom der Kühllager, zwischen 5.000 und 7.000 Euro mehr für Fernwärme, circa 4.000 Euro mehr für den Sprit der Transporter: Insgesamt rechnet Manfred Müller, stellvertretender Vorsitzender der Tafel Jena, mit Mehrkosten von 15.000 bis 17.000 Euro in diesem Jahr – und das sei eine „konservative Schätzung“. „Wir versuchen natürlich einzusparen, aber es gibt eben eine Untergrenze, was wir tun müssen. Die Kühlung ist obligatorisch, unsere Fahrzeuge müssen laufen“, erklärt er im Interview mit RTL.
Mit den gestiegenen Energiepreisen kommen hohe Rechnungen auf die Tafel zu, von denen Müller noch nicht weiß, wie diese finanziert werden sollen. „Wir haben kaum eine Möglichkeit, diese Mehrkosten zu kompensieren“, erklärt er. Zu den Einnahmen zählen Spenden von Privatpersonen und ein kleiner „Obulus“, den die Bedürftigen für die Lebensmittel zahlen. Dieser liegt bei zwei Euro pro Erwachsenem und 50 Cent pro Kind oder Jugendlichem. Die Höhe der Spenden kann die Tafel natürlich nicht direkt beeinflussen. Die einzige Möglichkeit, mehr Geld auf das Konto zu bekommen, wäre daher, den kleinen Betrag der bedürftigen Menschen zu erhöhen. Das will Müller aber unbedingt verhindern.
„Wir werden alles tun, damit dieser Obulus nicht steigen muss“, erklärt Müller. Denn seine bedürftigen Kunden würden ohnehin stärker unter der Inflation leiden als andere. Im Schnitt seien Lebensmittel in den letzten zwei Jahren um 15 Prozent teurer geworden. „Eine gewaltige Sache“, so Müller. Das trifft diese Menschen besonders, da der Hartz-IV-Satz von 443 Euro auf gerade mal 446 Euro erhöht wurde. Zusätzlich müssen die Besucher auch die gestiegenen Heizkosten in ihrem ohnehin knappen Budget unterbringen. „Wenn wir jetzt noch unsere Obuli erhöhen müssten, wäre das eine dreifache Belastung“, ergänzt er. Auch der einmalige Heizkostenzuschuss im Zuge der gestiegenen Energiepreise seien da „nur ein Tropfen auf dem heißen Stein“, erklärt Andreas Steppuhn, Landesvorsitzender der Tafel Sachsen-Anhalt, auf RTL-Anfrage.
Wie der Tafel Jena geht es vielen Tafeln bundesweit. Das hat eine Anfrage von RTL beim Bundesverband Tafel Deutschland e.V. ergeben. Besonders größere Tafeln, die mehrere Kühllager und Fahrzeuge betreiben, würden unter den steigenden Energiekosten leiden.
Corona-Pandemie erschwert die Lage zusätzlich
Und nicht nur die gestiegenen Energiepreise beschäftigen die Tafeln: Auch durch die Corona-Pandemie haben die Tafeln mit Mehrkosten zu kämpfen. Der Einkauf von Schutzausrüstungen, wie zum Beispiel medizinische Masken, sei dabei laut Tafel Deutschland e.V. einer der zusätzlichen Ausgabenposten. Hinzu käme, dass die Lebensmittel oft zu den Bedürftigen nach Hause geliefert werden, wenn diese nicht selbst die Ausgabestellen besuchen können. Das führte bereits im letzten Jahr zu zusätzlich erhöhten Spritkosten der jeweiligen Tafeln.
Tafel fordert "Wirksame Armutsbekämpfung"
Im vergangenen Jahr hatte die Tafel Jena das Glück, ihre Mehrkosten mit einer großzügigen Spende eines dortigen PCR-Testlabors decken zu können, berichtet Müller im Gespräch mit RTL. Auf solche Spenden kann sich aber keine der 962 Tafeln in Deutschland verlassen.
Stattdessen hofft Müller auf die Unterstützung der Gemeinde und des Landes. Auch wenn diese bislang „nicht die größten Spender“ gewesen seien. „Im Gegenteil, häufig ist sie sehr sehr knauserig mit uns“, so Müller. Für die Zukunft hoffe er auf mehr Betreuung und Unterstützung. Von den Behörden alleine gelassen, fühle er sich dennoch nicht. Auch der Bundesverband Deutschland Tafel e.V. fordert die Kommunen auf, Tafeln flächendeckender und stärker zu unterstützen, sowie die Situation armutsbetroffener Menschen mit „massiven“ Soforthilfen zu verbessern.
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