Vom Chef ausspioniert
Weil sie im Homeoffice kaum tippte: Frau wird nach 18 Jahren gekündigt

Erst ausspioniert, dann gefeuert!
Der Vorwurf: Sie war im Homeoffice telefonisch kaum erreichbar und hat auch sonst wenig am Dienstnotebook gearbeitet. Wie die Firma das nachweisen konnte und was das Bundesarbeitsgericht in einem ähnlichen Fall sagt.
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54 Tastenanschläge - pro Stunde
Zwischendurch einkaufen gehen, Wäsche waschen oder das Kind von der Kita abholen – im Homeoffice ist das möglich. Blöd nur, wenn man es eventuell übertreibt und der Arbeitgeber einen im Verdacht, ausspioniert und vor Gericht damit auch durchkommt.
Der australische Versicherungskonzern Insurance Australia Group (IAG) hat die Aktivitäten einer Mitarbeiterin über einen Keylogger aufgezeichnet.
Mit der Schnüffel-Software verfolgt der Arbeitgeber nach, wie oft die Angestellte Suzie Cheikho an 49 Arbeitstagen zwischen Oktober und Dezember 2022 auf ihre Tastatur gedrückt hat.
Das Ergebnis laut des Portals „NewsAU“:
An 44 von 49 Arbeitstagen arbeitet Suzie Cheiko nicht die vereinbarte Stundenzahl.
An 47 von 49 Arbeitstagen fängt sie zu spät an.
An 29 von 49 Arbeitstagen macht sie zu früh Schluss.
An vier Tagen erbringt sie gar keine Arbeitsleisung.
Hinzu kommt: An den Tagen, an denen sie sich zum Dienst anmeldet, gibt es nur "sehr geringe Tastenaktivitäten". Im Oktober kann der Arbeitgeber in 117 Stunden gar keine Tastenanschläge aufzeichnen, im November sind es 143 Stunden und im Dezember 60 Stunden.
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Während der gesamten Überwachungszeit zeichnet der Keylogger durchschnittlich 54 Tastenanschläge pro Stunde auf. Das reicht gerade mal für einen mittellangen Satz. Für den Arbeitgeber ist das Beweis genug: Die Mitarbeiterin ist kaum ihrer Arbeit nachgegangen. Nach 18 Berufsjahren wird sie gekündigt.
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An die Öffentlichkeit kommt der Fall, weil Suzie Cheikho gegen die Kündigung bei der Fair Work Commission (FWC) Einspruch einlegt, dem australischen Arbeitsgericht.
Zwar gibt sie zu: „Ich gehe vielleicht ab und zu einkaufen, aber nicht den ganzen Tag lang.“
Cheikho will aber die Vorwürfe nicht auf sich sitzen lassen: Sie glaube "keine Minute", dass die Daten wahr seien, könne aber keine Beweise dafür vorlegen, dass sie online gewesen sei und gearbeitet habe, erklärt sie bei einer Anhörung.
Die Kommission glaubt ihr nicht, der Einspruch gegen die Kündigung wird abgelehnt. Die Beweise zeigen, dass Cheikho „nicht so gearbeitet hat, wie es von ihr verlangt wurde“.
Das Urteil ist deutlich „Die Klägerin wurde aus einem triftigen Grund wegen Fehlverhaltens entlassen.“
Einsatz von Keyloggern auch in Deutschland möglich?
Übrigens: In Deutschland hätte Suzie Cheikho dagegen vor Gericht gute Karten gehabt.
Denn das Bundesarbeitsgericht verbietet den Einsatz von Keyloggern zur Mitarbeiterüberwachung. Einzige Ausnahme: Es besteht ein konkreter Verdacht auf eine Straftat oder eine schwerwiegende Pflichtverletzung des Arbeitnehmers. Setzt der Chef trotzdem eine Schnüffelsoftware ein, dürfen die Daten bei einem Kündigungsprozess nicht als Beweis verwendet werden. In einem ähnlichen Fall in Deutschland hat das Bundesarbeitsgericht die Kündigung wieder einkassiert.
Also nicht nur Augen auf bei der Berufswahl, sondern auch beim Standort... (aze)
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