Pläne von SPD und Grünen

Gesetzliche Krankenkasse: Millionen Versicherten drohen deutlich höhere Beiträge

Eine Frau liest am 09.04.2019 in einer Wohnung in Hamburg einen Brief (gestellte Szene).
Millionen Versicherten in den gesetzlichen Krankenkassen drohen höhere Beitragszahlungen.
Christin Klose, picture alliance

von Aristotelis Zervos

Millionen gesetzlich Versicherten droht der nächste Beitrags-Hammer. Wer bald zusätzlich zur Kasse gebeten werden soll.

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Krankenkassen erhöhen heimlich die Beiträge Muss ich mir das gefallen lassen?
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SPD und Grüne wollen Beitragsbemessungsgrenze anheben

Erst ist die Corona-Krise über das Land gerollt, jetzt bringen steigende Arznei-, Energie- und Personalkosten das deutsche Gesundheitssystem an seine finanziellen Grenzen.

Und das hat Folgen: Für die gesetzlichen Krankenkassen wird mit einem dicken Minus von rund 17 Milliarden Euro gerechnet. Auffangen muss das Milliardenloch der Bund – oder besser die Steuerzahler.

Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will Ende Mai Vorschläge für eine dringend notwendige Reform der gesetzlichen Krankenversicherung vorlegen.

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Statt abzuwarten, preschen SPD und Grüne jetzt vor und stellen neue Forderungen nach Beitragserhöhungen. Und die haben es in sich: Denn zahlen sollen vor allem die Besserverdienenden, die sich noch freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung befinden.

Bislang gilt für sie die sogenannte Beitrags­bemessungs­grenze – die liegt aktuell bei 4987,50 Euro Brutto-Gehalt im Monat. Das heißt – wer mehr als das verdient, muss nicht automatisch mehr in die Kasse einzahlen. Ab dieser Grenze zahlen alle Arbeitnehmer den gleichen Höchst-Betrag in die Kasse ein.

Mit dem Wegfall oder der Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze müssen Millionen Versicherte plötzlich höhere Krankenkassenbeiträge zahlen. Denn für jeden Euro, der über die Beitragsbemessungsgrenze hinaus geht, werden 14,6 Prozent Beitragssatz fällig. Oben drauf kommt noch der Zusatzbeitrag, der durchschnittlich 1,6 Prozent beträgt.

Ein Beispiel: Wer 7.000 Euro brutto im Monat verdient müsste rund 220 Euro mehr im Monat für die gesetzliche Krankenversicherung zahlen.

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Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze eine Frage der Gerechtigkeit?

„Wenn Mehreinnahmen im Gesundheitswesen benötigt werden, um diese Kostensteigerung zu bewältigen, dann kann die maßvolle Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze meines Erachtens ein vernünftiger Weg sein“, erklärt SPD-Chefin Saskia Esken im Gespräch mit dem „Handelsblatt“.

Ihr Argument: Die große Mehrheit der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Deutschland verdient weniger als 5.000 Euro brutto und liegt damit unter der Beitragsbemessungsgrenze, wäre damit nicht von einer Erhöhung der Beiträge betroffen.

Ähnlich äußert sich im „Handelsblatt“ die Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang: „Wir müssen künftig mehr öffentliche Mittel einsetzen und die Beitragsbemessungsgrenze anheben, damit mittlere und niedrigere Einkommen nicht noch stärker belastet werden.“ Das sei eine Frage der Gerechtigkeit.

Versicherungspflichtgrenze soll ebenfalls hochgesetzt werden

Blöd nur, dass die Betroffenen dann in Scharen zur privaten Krankenversicherung wechseln könnten.

Denn wer heute über der Versicherungspflichtgrenze von 66.600 Euro brutto im Jahr (5.550 Euro brutto im Monat) liegt, kann sich aussuchen, ob er sich lieber privat oder gesetzlich versichert.

Und weil die Politiker die Wechselwelle befürchten, wollen sie auch die Versicherungspflichtgrenze deutlich anheben. Der Deutsche Gewerkschaftsbund wünschte sich bereits im vergangenen Jahr eine Versicherungspflichtgrenze von 130.000 Euro brutto im Jahr. Damit würden neben Selbstständigen nur Spitzenverdiener in die private Krankenversicherung wechseln können – und Beamte.

Alarmiert sind vor allem die Arbeitgeber. Denn sie müssten einen Teil der Kosten ebenfalls mittragen. Sie haben treu die FDP an ihrer Seite.

Und bevor Karl Lauterbach seine Vorschläge vorlegen kann wird schon jetzt deutlich: Der nächste Streit in der Koalition steht vor der Tür.

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