Verbraucherzentrale warnt vor Kostenfalle

Inflation treibt Menschen in den Dispokredit

ILLUSTRATION - Eine Frau hebt am 04.04.2019 an einem Geldautomaten in Flensburg Geld ab (gestellte Szene). Foto: Benjamin Nolte
Wer im Dispo landet, muss immer höhere Zinsen zahlen.
dpa-tmn | Benjamin Nolte, picture alliance

Die hohen Preise für Lebensmittel und Energie machen immer mehr Menschen in Deutschland zu schaffen. Laut einer Umfrage der Verbraucherzentrale ist die Inflation inzwischen sogar der Hauptgrund für ein überzogenes Konto und die Nutzung eines teuren Dispos. Und die Zinsen dafür sind auch noch gestiegen.

Überschuldungsrisiko wegen gestiegener Lebenshaltungskosten

Das Ergebnis einer repräsentativen Forsa-Umfrage im Auftrag des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) zeigt: Jeder siebte Verbrauche hat von Anfang September bis Anfang Dezember 2022 einen Dispokredit genutzt. Knapp die Hälfte gab als Grund dafür die gestiegenen Lebenshaltungskosten an.

  • 14 Prozent aller Befragten ab 18 Jahren haben in den letzten drei Monaten ihren Dispokredit genutzt oder das Konto überzogen.

  • Knapp die Hälfte (48 Prozent) der Befragten mit Dispo-Kredit beziehungsweise Kontoüberziehung geben an, dass höhere Kosten - beispielsweise für Lebenshaltung oder Energie - der Grund dafür waren.

  • 9 Prozent aller Befragten ab 18 Jahren sehen sich nicht in der Lage, die gestiegenen Lebenshaltungskosten auf Dauer tragen zu können und müssen sich verschulden.

  • 14 Prozent der Befragten mit Dispo-Kredit bzw. Kontoüberziehung rechnen damit, ihr Konto erst nach mehr als sechs Monaten wieder auszugleichen

„Die gestiegenen Lebenshaltungskosten sind für Verbraucher ein Überschuldungsrisiko und treiben immer mehr Menschen zur Aufnahme eines Dispokredits. Das ist allerdings ein viel zu teurer Kredit, um mittel- oder langfristig finanzielle Engpässe auszugleichen. Hier muss die Politik handeln und die Verbraucher:innen davor schützen, dass der Dispokredit zur Kostenfalle wird“, sagt vzbv-Vorständin Ramona Pop.

Im Schnitt über 10 Prozent für Dispokredit

Dispokredite sind in der Regel sehr teuer. Laut Erhebung des Finanzmagazins Biallo von Ende 2022 lag der durchschnittliche Zins bei 10,07 Prozent – das ist fast doppelt so hoch wie Konsumkredite mit einer Zinsbindung von 1 bis 5 Jahren. Diese vergleichsweise hohen Zinsen führen bei langfristiger Nutzung zu erheblichen Kosten, warnt die Verbraucherzentrale.

Laut einer Forsa-Umfrage im Auftrag von RTL (November 2022) befürworten 71 Prozent der Bürgerinnen und Bürger einen Vorschlag, die Dispozinsen für die Überziehung des Girokontos in Deutschland gesetzlich zu begrenzen. 19 Prozent sprechen sich gegen eine gesetzliche Deckelung für den Dispozins aus.

Die große Mehrheit der Befragten würde einen Dispozins von weniger als 5 Prozent (36 %) oder 5 bis unter 7 Prozent (32 %) als fair empfinden. Einen Dispozins von 7 bis unter 10 Prozent fänden 16 Prozent der Befragten fair. Dass sie in der aktuellen Situation einen Dispozins von 10 bis unter 15 Prozent (2 %) oder mindestens 15 Prozent (1 %) als fair empfinden würden, geben nur sehr wenige Befragte an.

Der vzbv fordert die Bundesregierung auf, eine nur kurzfristige Nutzung des Dispos zu fördern, ungerechtfertigte Kosten zu vermeiden und eine effektive Hilfe bei Überschuldung sicherzustellen. Nötig sind unter anderem eine Begrenzung des Disporahmens, ein Zinseszins-Verbot, um explodierende Zinsen zu verhindern und ein leichterer Zugang zu kostenfreien Schuldnerberatungen.

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Für Hermann-Josef Tenhagen, Chefredakteur des Finanzportals Finanztip, ist entscheidend, dass man Rücklagen bildet und erst gar nicht in den Dispo fallen kann. Seine Tipps:

  • Rücklagen bilden! 50 Euro im Monat zur Seite legen, am besten auf ein Tagesgeldkonto. Mit dem Geld können Extra-Kosten bezahlt werden: die Klassenfahrt des Kindes oder die kaputte Waschmaschine.

  • Wenn man ungefähr zwei Netto-Monatsgehälter auf dem Tagesgeldkonto hat, dann hat man einen ausreichenden Puffer.

  • Man sollte auf keinen Fall über das Dispo Geschenke kaufen oder seinen Urlaub bezahlen.

  • Ist man erstmal in der Dispo-Falle, muss man jeden Monat Kosten einsparen. Fitnessstudio, Streamingdienst, Handyvertrag – alles muss geprüft werden: Ist das notwendig, geht das auch günstiger. Alleine mit der Kündigung von Abos oder dem Umstieg auf günstigere Verträge kann monatlich schon einiges eingespart werden.

  • Teure Anschaffungen wie Küche oder Auto sollten auf jeden Fall über einen Ratenkredit finanziert werden und nicht über ein Dispo.

Mit etwas Finanz-Disziplin sollte es trotz Inflation möglich sein, nicht in die Dispo-Falle zu geraten. (aze)

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