Habecks will sich nicht "Willkür des Kremls" aussetzen

Gazprom Germania ab sofort unter deutscher Kontrolle

Die Bundesregierung hat am Montag per Anordnung die Aufsicht über bislang von Russland geführte Teile der deutschen Gasversorgung übernommen. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck begründete dies mit unklaren Rechtsverhältnissen und einem Verstoß gegen Meldevorschriften. Ziel sei es, die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Gazprom ist nach wie vor der größte Gaslieferant Deutschlands.
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Rückzug von Mutterkonzern Gazprom aus Deutschland?

Die Gazprom Germania GmbH betreibe in Deutschland selbst und durch seine Tochtergesellschaften kritische Infrastrukturen, sagte Habeck. „Sie ist im Bereich Gashandel, Gastransport und -speicher tätig und für die Gasversorgung in Deutschland von überragender Bedeutung.“ Gazprom betreibt unter anderem den größten Gasspeicher Deutschlands, auf den ein Fünftel der deutschen Speicherkapazität entfällt.

Laut Habeck hatte der Mutterkonzern vor ein paar Tagen überraschend mitgeteilt, dass er sich von Gazprom Germania und deren Beteiligungen zurückzieht. „Nicht mitgeteilt wurde, wer der neue wirtschaftliche und rechtliche Eigentümer dieser Beteiligung sein soll“, so Habeck. Dies sei für sich genommen schon ein Verstoß gegen die Meldepflicht im Rahmen der Außenwirtschaftsverordnung.

Das Ministerium habe jedoch „Kenntnis erlangt“ von einem „mittelbaren Erwerb“ der Gazprom Germania durch „JSC Palmary und Gazprom Business Export Services LLC“. Beim Betrieb kritischer Infrastruktur müsse jeder Erwerb durch einen Nicht-EU-Investor vom Wirtschaftsministerium genehmigt werden. Es sei aber unklar, „wer wirtschaftlich und rechtlich hinter den beiden Unternehmen steht“. Zudem habe der Erwerber die Liquidierung der Gazprom Germania angeordnet, was nicht rechtmäßig sei, solange der Erwerb nicht genehmigt sei. „Eine Liquidierung hätte das Ende der rechtlichen Existenz der Gazprom Germania zur Folge.“

Das Wirtschaftsministerium habe daraufhin die Anordnung erlassen. Grundlage sei das Außenwirtschaftsgesetz.

Bundesnetzagentur übernimmt Aufsicht über Gazprom Germania

Die Bundesnetzagentur sei bis Ende September vorübergehend Treuhänderin. Dies diene dem Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und der Aufrechterhaltung der Versorgungssicherheit. „Der Schritt ist zwingend notwendig“, sagte Habeck. Die Versorgungssicherheit sei aktuell gewährleistet, betonte er.

„Die Bundesnetzagentur wird die Zeit nutzen, um Ordnung in die Verhältnisse zu bringen.“ Die Behörde ist laut Habeck unter anderem berechtigt, Mitglieder der Geschäftsführung abzuberufen und neu zu bestellen und der Geschäftsführung Weisungen zu erteilen. „Die Wahrnehmung der Stimmrechte der Gesellschafter wird ausgeschlossen.“

Man werde Energieinfrastrukturen in Deutschland nicht willkürlichen Entscheidungen des Kremls aussetzen, sagte Habeck weiter. „Die ordnungsgemäße Wahrnehmung der Geschäfte in Deutschland muss gewährleistet sein, dafür müssen wir Sorge tragen.“

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Gazprom Germania soll im Interesse Deutschlands und Europas geführt werden

Die Bundesnetzagentur erklärte, sie übernehme für eine Übergangszeit treuhänderisch die Funktion einer Gesellschafterin und könne damit für eine ordnungsgemäße Geschäftsführung sorgen. „Wir sind uns der Verantwortung für die sichere Gasversorgung bewusst, die mit dieser Aufgabe verbunden ist“, erklärte Präsident Klaus Müller. „Unser Ziel wird es sein, dass Gazprom Germania im Interesse Deutschlands und Europas geführt wird. Wir wollen alle notwendigen Schritte unternehmen, um die Versorgungssicherheit weiter zu gewährleisten. Die Geschäfte der Gazprom Germania und ihrer Tochterunternehmen sollen in diesem Sinne kontrolliert weitergeführt werden.“

Der russische Energieriese Gazprom hatte am 1. April mitgeteilt, seine deutsche Tochterfirma Gazprom Germania aufgegeben zu haben. Ende März habe die Gazprom-Gruppe ihre Beteiligung an dem deutschen Unternehmen Gazprom Germania GmbH und allen ihren Vermögenswerten beendet, hatte der russische Konzern auf seinem Telegram-Kanal mitgeteilt.

Gazprom Germania ist Eigentümerin weiterer wichtiger Unternehmen der deutschen Gaswirtschaft. Dazu gehören etwa der Gashändler Wingas, der unter anderem Stadtwerke beliefert, der Gasspeicherbetreiber Astora und eine Minderheitsbeteiligung am Gastransportunternehmen Gascade. (dpa/aze)

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