Was die Forschung sagt
Die Leiden des „starken“ Geschlechts! Gibt es die Männergrippe wirklich?

Stell dich nicht so an!
Frauen bringen Kinder zur Welt, Männer klappen beim kleinsten Schnupfen elendig zusammen – von diesem Phänomen dürften die meisten schon einmal gehört haben. Doch was ist wirklich dran? Haben Männer und Frauen ein unterschiedliches Schmerzempfinden?
Unterschiedliche Schmerz-Reaktionen im Körper
In einer Studie hatten kanadische Wissenschaftler das Schmerzempfinden von Frauen und Männern untersucht. Die Forscher der Carleton University konnten dabei aufzeigen, dass Frauen nicht nur weniger Schmerz empfinden, sondern auch nachweislich weniger Schmerzen haben.
Der Studie zufolge soll ein spezieller Vorgang im Rückenmark für die Schmerzreize verantwortlich sein – eben dieser Vorgang würde bei Frauen tatsächlich fehlen. Stattdessen werde ihr Schmerzempfinden über andere Mechanismen ausgelöst.
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„Jahrzehntelang wurde angenommen, dass die molekularen Mechanismen, die die neuronale Erregbarkeit und das Verhalten des Nervensystems regulieren, bei Männern und Frauen dieselben sind“, erklärte das Wissenschaftsteam der Carleton University in Kanada in ihrer im Jahr 2022 veröffentlichten Studie.
Bisherige Experimente nur mit Männern
Nach Angaben der Deutschen Schmerzgesellschaft leben etwa 4,4 Millionen Menschen in Deutschland, die „aufgrund lang anhaltender Schmerzen körperlich und sozial beeinträchtigt sind“. Und es sind demnach deutlich mehr Frauen als Männer, soweit die aktuellen Zahlen. Längst veraltet ist zum Glück die Behauptung, das würde in erster Linie mit der labileren Psyche des weiblichen Geschlechts zusammenhängen.
Heute ist man schlauer, es gibt Hinweise auf körperliche Unterschiede in der Schmerzverarbeitung. Was genau dahinter steckt, blieb jedoch lange unerforscht, tatsächlich weil die meisten Studien nur an Männern durchgeführt wurden. Im Rahmen der kanadischen Studie suchten die Forscher sowohl bei Ratten als auch bei Menschen nach möglichen Geschlechtsunterschieden in der Schmerzverarbeitung.
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Dabei zeigte sich: Im männlichen Rückenmark reagierten die Nervenzellen wie erwartet. Durch Zugabe eines Botenstoffs, also einer chemischen Substanz, die Informationen zwischen Zellen weitergibt, schwächte sich die „Schmerzbremse“ ab und die Erregbarkeit der Nervenzellen stieg. Die Folge ist ein stärkeres Schmerzsignal als eigentlich nötig.
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Ganz anders jedoch verhielt es sich beim weiblichen Rückenmark: Es gab schlichtweg keine auf den Botenstoff zurückführende Veränderungen, so das Ergebnis der Forscher.
Bei Frauen scheint diese Schmerzreaktion also nicht oder zumindest anders zu funktionieren.
Wissenschaftlicher Durchbruch, aber es bleibt ein großes Fragezeichen
Laut dem Wissensmagazin Scinexx ist es den Forschern damit erstmals gelungen, „einen geschlechtsspezifischen Unterschied schon bei der Schmerzverarbeitung im menschlichen Rückenmark“ zu identifizieren. Ein „entscheidender Schritt hin zu einem besseren Verständnis des Schmerzes und seiner Behandlung bei beiden Geschlechtern“, wie das Team aus Kanada selbst zusammenfasst.
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Einziger Wermutstropfen: Zwar wird durch die Studie erklärt, warum Männer und Frauen unterschiedlich auf Schmerzen reagieren und besagte Männergrippe damit vermutlich weit mehr als ein Mythos ist. Die Antwort auf die Frage, warum Frauen deutlich häufiger unter chronischen Schmerzen leiden, bleibt weiter ungeklärt. (mso)