Bei VW drohen Schließungen: Der Vorstand verdient Millionen, Arbeiter bangen um Jobs
Drei Werke will VW schließen und 10.000 Stellen streichen. Darüber hat der Betriebsrat die Belegschaft informiert. Die wichtigsten Entwicklungen der letzten Wochen.
Luigi Catapano ist einer von etwa 70.000 Beschäftigten in der größten Autofabrik Deutschlands. Ein Job bei VW, das bedeutete bislang immer eins: Sicherheit. 30 Jahre lang gab es eine Beschäftigungsgarantie. Betriebsbedingte Kündigungen waren ausgeschlossen. Diese Zusicherung hat VW im September gekündigt. Jetzt sollen sogar Werksschließungen kommen.
„Also die Ängste sind natürlich geschürt. Jeder muss Angst haben um seine Sicherheit, um den Arbeitsplatz. Weil jeder dachte: Volkswagen ein sicherer Arbeitgeber. Das dachten wir immer. Aber bis dato sind wir hier alle am Wackeln“, sagt seine Frau.
Ein Blick ins Familienalbum. Schon Luigis Vater und Großvater haben im Werk in Wolfsburg gearbeitet. Für VW kamen sie damals als Gastarbeiter aus Italien nach Deutschland. Inzwischen arbeitet auch Luigis Sohn bei VW. Vier Generationen, ein Arbeitgeber.
„Diese Loyalität zu Volkswagen war ja auch da. Und da war auch immer Stolz. Und das habe ich als Kind auch schon mitbekommen. Volkswagen, schöne Autos, guter Verdienst. Mein Papa konnte seine Familie ernähren“
Neben seinem Job als Lagerverwalter engagiert sich Luigi auch im Betriebsrat und in der Gewerkschaft. Die aktuelle Situation sorge im Werk für Unsicherheit, Angst, aber auch Wut, sagt er: „Viele wollen es auch gar nicht begreifen und sind natürlich jetzt erst mal sauer, dass der Vorstand diesen Weg eingeschlagen hat, anstatt wirklich Ideen reinzubringen, aus dieser Krise raus zu kommen. Weil das Einfachste, das kann jeder von uns. Personal sparen, Werke schließen. Also da braucht man keinen Vorstand, der hoch bezahlt ist.“
Ein Vorstand, dessen Mitglieder jedes Jahr Millionen verdienen, während Mitarbeiter um ihre Jobs bangen. Unser Reporter folgt dem Vorstand bis nach Paris. VW will hier ein neues Luxusauto präsentieren. Und wir wollen Antworten.
In den 1930er Jahren war Autofahren in Deutschland noch Luxus. Das sollte sich ändern. Ein Auto, das sich jeder leisten kann: ein Volkswagen. Ab 1945 rollten massenweise Käfer vom Band. Der Flitzer wird zum Zeichen des deutschen Wirtschaftswunders und ein echter Exportschlager.
Heute ist Volkswagen längst ein internationaler Automobilkonzern. Zu ihm gehört nicht nur die Marke VW, sondern auch neun weitere. VW hat 114 Produktionsstätten in 27 verschiedenen Ländern. Allein in Deutschland gibt es zehn Werke – bis jetzt. Bis zu 30.000 Jobs wackeln. VW will laut Betriebsrat jetzt drei Werke schließen und massiv Stellen abbauen. Die Kritik von Experten, Volkswagen versäume es immer mehr, wirklich günstige Autos fürs Volk zu bauen wie in der Vergangenheit. Gerade die angebotenen Elektroautos seien viel zu hochpreisig. Auch deshalb hat VW massive Absatzprobleme. Es wird deutlich weniger verkauft, als produziert wird. Der Rotstift muss angesetzt werden. Umso unverständlicher sind diese Meldungen: Mitten in der Krise zogen zahlreiche Ex-VW-Manager vor Gericht. Konkret geht es um eine Gehaltserhöhung und 1.000 Euro Inflationsprämie, die VW seinen Führungskräften zunächst in Aussicht gestellt, wegen des Sparprogramms dann aber doch gestrichen hatte.
Die klagenden Manager gingen leer aus. Das Amtsgericht lehnte die Forderung ab. Dennoch 9.000 bis 17.000 Euro brutto pro Monat zahle VW den klagenden Ex-Managern auch ohne die Gehaltserhöhung. Das erfährt unser Reporter von einem VW-Sprecher.
Ein gutes Bild hingegen will VW beim Pariser Autosalon vor kurzem abgeben. Hier präsentiert der Konzern einen neuen Hybrid SUV für uns die Chance, Vorstandsmitglied Martin Sander zu sprechen. Denn wir wollen Antworten. Aber: Kritische Fragen unerwünscht. Die Pressesprecherin greift ein. „Anscheinend geht es hier nur um Glanz und eine möglichst positive Präsentation“, sagt unser Reporter.
Zurück in Wolfsburg: Eine Schließung des Stammwerks dürfte ausgeschlossen sein. In den letzten Tagen vor den jetzigen Verkündungen hieß es für Luigi Catapano und seine Kollegen Zusammenhalt demonstrieren.