Zustell-Chaos bei der Deutschen Post Briefe kommen nur jeden 2. Tag - oder gar nicht

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Die Beschwerden über die Deutsche Post häufen sich.
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von Aristotelis Zervos

Ein wichtiges Schreiben vom Amt oder die Glückwunschkarte zum Geburtstag – früher konnte man sich auf die Deutsche Post verlassen. Das scheint inzwischen nicht mehr so zu sein. Die Beschwerden über die Post häufen sich, in einigen Regionen wurde seit Wochen nichts mehr zugestellt. Was ist los bei der Deutschen Post?

Wochenlang keine Briefzustellungen

Massive Zustellprobleme gibt es zum Beispiel am Bodensee. Wie der „Südkurier“ berichtet, liegt in den Gemeinden Bermatingen, Markdorf, Oberteuringen und Immenstaad die Zustellung von Briefen und Paketen seit zwei Wochen nahezu auf Eis.

In Berlin kommt es zu Verspätungen von bis zu zweieinhalb Wochen, berichtet die Berliner Zeitung. Berlinerinnen und Berliner bestätigen das auch auf Twitter. „Bekomme seit ca. 20 Tagen kaum noch Post, warte auf sehr wichtige Dokumente die ich eigentlich vor 2 Wochen erhalten sollte“, twittert ein Berliner Postkunde.

Beschwerden über Post ungewöhnlich hoch - Aufsichtsbehörde leitet Prüfungen ein

Weil Briefe nur verspätet oder gar nicht ankommen, wenden sich auch immer mehr verärgerte Bürgerinnen und Bürger an die Bundesnetzagentur. Im September seien knapp 5.000 Post-Beschwerden eingegangen, teilte die Bonner Behörde mit. Damit seien es im dritten Quartal insgesamt rund 11.500 gewesen. Die Zahl ist ungewöhnlich hoch, wie ein Vergleich mit früheren, längeren Zeiträumen zeigt: Im ersten Halbjahr 2022 waren es rund 8.900 Beschwerden und im ganzen Vorjahr 15.100.

Etwa eine Milliarde Briefsendungen werden jeden Monat in Deutschland verschickt. Setzt man diese Menge ins Verhältnis zu den aktuellen Beschwerden, so ist deren Zahl verschwindend gering. Die deutliche Zunahme kann aber durchaus als Indikator verstanden werden, dass etwas im Argen liegt. Zumal sich vermutlich nur ein kleiner Teil von den Menschen, die sehr lange oder sogar vergeblich auf einen Brief warten, die Mühe macht, sich bei der Bundesnetzagentur zu melden.

Bei den aktuellen Beschwerden geht es in den allermeisten Fällen um Briefe und nur in eher wenigen Fällen um Pakete. Der Missstand ist aus Sicht der Bundesnetzagentur so eklatant, dass die Behörde im September 12 Prüfungen einleitete. Diese betrafen alle den Briefbereich und keine den Paketbereich. Im August hatte die Bundesnetzagentur bereits 14 solcher Prüfungen eingeleitet, 13 zu Briefen und eine zu Paketen.

Bei besagten Prüfungen handelt es sich letztlich nur um eine schriftliche Ermahnung. Sanktionen kann die Regulierungsbehörde nicht verhängen, ein echtes Druckmittel gibt es hierbei nicht.

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Das sind die Gründe für das Post-Chaos in Deutschland

Mitte September hatte der Bonner Konzern bereits von Unregelmäßigkeiten bei der Zustellung in den Sommermonaten Juli und August gesprochen und dies mit einem coronabedingt hohen Krankenstand und mit dem Fachkräftemangel begründet. An der Situation scheint sich auch im Oktober nichts geändert zu haben.

„Leider müssen wir Probleme, vor allem in der Briefzustellung, in manchen Regionen Deutschlands einräumen“, erklärt ein Post-Sprecher auf RTL-Anfrage. Grund seien in erster Linie deutlich höhere Personalausfälle aufgrund von Coronainfektionen. „Diese höheren Personalausfälle können aufgrund der sehr angespannten Situation auf dem Arbeitsmarkt nur begrenzt durch die Einstellung zusätzlicher Arbeitskräfte kompensiert werden.“

Um Zustellausfälle über mehrere Tage zu vermeiden, wendet die Deutsche Post an Standorten mit besonders hohen Personalausfällen das sogenannte Corona-Notfallkonzept an. „Dieses sieht u.a. vor, dass – bei einer werktäglichen Zustellung – die Haushalte nur jeden zweiten Werktag Briefe erhalten. Das Konzept führt zwar zu längeren Brieflaufzeiten, verhindert aber Zustellausfälle über längere Zeiträume“, sagt der Post-Sprecher.

Deutsche Post sucht verstärkt nach neuen Mitarbeitern

Angesichts der hohen Beschwerdezahl kam aus der Politik Kritik an der Post. Der FDP-Bundestagsabgeordnete Reinhard Houben forderte die Firma auf, das Problem endlich entschlossen anzugehen. Die Personaldecke ist offensichtlich viel zu dünn, das muss die Post dringend ändern und sie muss möglichst schnell mehr Mitarbeiter einstellen, erklärte der Politiker.

Das scheint allerdings nicht so einfach zu sein. „Wie alle anderen Unternehmen in Deutschland kämpft auch die Deutsche Post DHL mit der überaus angespannten Lage am Arbeitsmarkt, die das Gewinnen von notwendigen Arbeits- und Aushilfskräften herausfordernd macht. Daher wurden bereits vor einigen Monaten umfangreiche Rekrutierungsmaßnahmen in die Wege geleitet, darunter die bundesweite Kampagne „werde-eine:r-von-uns.de“. Wir unterstreichen dabei nochmals unsere guten Arbeitsbedingungen und Löhne“, so die Post.

Zusteller erhalten bei der Deutschen Post bis zu 3090 Euro brutto pro Monat plus Urlaubsgeld und 13. Gehalt. (mit dpa/aze)

Haben Sie auch schlechte Erfahrungen mit der Briefzustellung gemach? Dann schicken Sie uns Ihre Erfahrung unter dem Betreff „Post“ an post@rtl.de.

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