Nach erfolgreicher EuGH-Klage
Deutsche Umwelthilfe fordert Rückruf von 5 Millionen Dieselautos

Nach einer erfolgreichen Klage vor dem Europäischen Gerichtshof verstärkt die Deutsche Umwelthilfe den Druck auf Autohersteller von Dieselfahrzeugen und dem Kraftfahrzeugbundesamt. Laut den Umweltschützern müssen jetzt fast 5 Millionen Dieselfahrzeuge zurückgerufen werden. Doch entscheiden muss jetzt ein deutsches Gericht.
EuGH spricht Umweltverbänden Klagemöglichkeit zu
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) darf gegen bestimmte Genehmigungen von Abschalteinrichtungen bei der Abgasreinigung von Autos klagen. Das entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) am Dienstag in Luxemburg. Das Urteil könnte große Auswirkungen haben, da neue Forderungen auf Hersteller zukommen könnten.
Denn der EuGH stellte in vorherigen Urteilen bereits fest, dass Abschalteinrichtungen unter bestimmten Voraussetzungen unzulässig sind. Die sogenannten Thermofenster sind Teil der Motorensteuerung, die bei kühleren Temperaturen die Abgasreinigung abstellen.
Damit hatte eine Klage der Deutschen Umwelthilfe (DUH) Erfolg, die seit Jahren gegen die hohe Belastung der Atemluft durch Dieselabgase vorgeht. Die DUH hatte gegen die Zulassung eines VW Golf mit Dieselmotor durch das Kraftfahrt-Bundesamt geklagt. Der deutsche Staat machte geltend, die DUH sei nicht klagebefugt und die in Rede stehende temperaturabhängige Abgasreinigung (Thermofenster) mit EU-Recht vereinbar. Zur Klärung dieser Punkte hatte das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht den EuGH angerufen. Es muss sich nun mit dem Fall befassen.
Der EuGH präzisierte am Dienstag außerdem seine Linie hinsichtlich der Thermofenster. Schon im Juli entschieden die Richter in Luxemburg, dass eine Abschalteinrichtung vorliegt, wenn die Abgasreinigung nur bei einer Außentemperatur zwischen 15 und 33 Grad Celsius gewährleistet wird. Das ist demnach unzulässig, außer diese Einrichtung ist notwendig, um konkrete Gefahren abzuwehren. Nun stellte der EuGH klar, dass eine solche Software nur dann notwendig sein kann, wenn es keine andere technische Lösung gibt.
Deutsche Umwelthilfe: "Paukenschlag gegen Autolobby"
Während Volkswagen für sich geringe Auswirkungen sieht, feierte die Umwelthilfe das Urteil als "Paukenschlag gegen die Autolobby" und Ohrfeige für das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA). "Das heutige Urteil des EuGH ist ein Meilenstein in der Aufarbeitung des Dieselgate", erklärte DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch.
Die Flensburger Zulassungsbehörde müsse nun die betroffenen mindestens fünf Millionen Diesel-Pkw und Nutzfahrzeuge zur Hardware-Nachrüstung mit Entschädigung der Halter zurückrufen. Ohne Nachrüstung seien die Autos zwingend gegen Entschädigung der Halter stillzulegen. Die EuGH-Entscheidung habe direkte Auswirkungen auf mehrere bereits anhängige Prozesse der DUH gegen aktuell 119 Freigabebescheide vor dem Verwaltungsgericht Schleswig und damit auf Millionen Diesel-Pkw in Deutschland.
Volkswagen: Es drohen keine Hardware-Nachrüstungen
Volkswagen hielt dagegen, es drohten weder behördliche Stilllegungen von Fahrzeugen noch Hardware-Nachrüstungen. Die Klage der DUH sei gegen das Kraftfahrt-Bundesamt gerichtet, das die von der Umweltvereinigung angegriffene Genehmigung erteilt habe. Der Autobauer sei zu dem Verfahren nur beigeladen.
Nach dem EuGH-Urteil könnten Klagen von Umweltverbänden gegen die behördliche Genehmigung von Thermofenstern in wenigen Fällen zulässig sein, sofern es um die Überprüfung bestimmter Vorschriften des EU-Umweltrechts gehe. "Sie bleiben aber, wie bisher, in der Sache daher erfolglos", erklärte der Autonzern.
Die Aufarbeitung des Dieselskandals kostete Volkswagen bisher mehr als 32 Milliarden Euro, vor allem Strafen und Schadensersatzzahlungen in den USA. In Europa wurden Millionen Diesel-Fahrzeuge in die Werkstätten gerufen, um eine Manipulationssoftware zu entfernen.
Laut der Deutschen Umwelthilfe reiche aber ein Software-Updates nicht aus und fordert, dass auch die Abgassysteme, also die Hardware, nachgerüstet wird.
Gericht in Schleswig muss jetzt prüfen: Hat VW eine illegale Abschalteinrichtung bei der Abgasreinigung verbaut?
Der EuGH entschied, dass Verwaltungsgericht Schleswig müsse nun prüfen, ob in dem VW Golf, um den es in der Klage ging, eine illegale Abschalteinrichtung bei der Abgasreinigung verbaut wurde.
Das EuGH verwies auf seine vorangegangenen Urteile zum Thermofenster, das nur bei einer Außentemperatur von 15 bis 33 Grad und unterhalb von 1000 Höhenmetern ordnungsgemäß arbeitet. Das ist demnach nur dann legal, wenn ohne das Thermofenster ein schwerwiegendes Risiko eines Motorschadens besteht und dieses Risiko technisch nicht lösbar war. "Ließe man nämlich eine solche Einrichtung zu, würde dies dazu führen, dass die Ausnahme häufiger zur Anwendung käme als das Verbot, wodurch der Grundsatz der Begrenzung der Stickstoffoxid (NOx)-Emissionen unverhältnismäßig beeinträchtigt würde", erklärte der EuGH. (AZ C-873/19)
Volkswagen betonte, die Abgasrückführung der von dem Verfahren betroffenen Fahrzeuge mit EA189-Motoren werde ab einer Temperatur unter zehn Grad gedrosselt. (dpa/rts/aze)
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