Verstorbene Oma Sophia als kämpferisches Vorbild

Wie aus 800 Mark Mietkaution 115.000 Euro wurden

von Aristotelis Zervos und Maria Schütte

Katharina Eßer war ziemlich überrascht, als die Familie den Anruf des Anwalts erhielt. „Sie haben gewonnen!“ In diesem Fall kann man das wortwörtlich nehmen, ein echter Jackpot. Denn Katharinas Oma Sophia hat vor 60 Jahren 800 D-Mark Mietkaution für Wohnung eingezahlt, jetzt hat das Kölner Amtsgericht entschieden: Der Vermieter muss nicht nur die Kaution, sondern auch die Wertsteigerung an die Erben herausgeben. Aus den 800 D-Mark sind inzwischen 115.000 Euro geworden. Wie es dazu kommen konnte, zeigen wir im Video.

Anteile des Kölner Immobilienunternehmens GAG steigen in 60 Jahren von 409 Euro auf 115.000 Euro

„Zum Ende des Mietverhältnisses ist der Streit entstanden“, erzählt Rechtsanwalt Sven Tamer Forst, der die Klägerin vertritt, im Gespräch mit RTL. Muss nur die ursprünglich gezahlte Barkaution in Höhe von 800 D-Mark herausgegeben werden, das sind umgerechnet rund 409 Euro. Oder die Geschäftsanteile, die auf den Namen der Mieter laufen?

Laut Mietvertrag durfte der Vermieter, das Kölner Immobilienunternehmen GAG, die Mietkaution in eigene Aktien anlegen. Im Jahr 1960 gab es als Gegenwert für die 800 Mark 832 GAG-Aktien – und die sind inzwischen 115.000 Euro wert. Im Mietvertrag stand weiter, dass die Aktien nach Beendigung des Mietverhältnisses herauszugeben sind. Allerdings war die Wohnungsgesellschaft laut dem Vertrag auch berechtigt sein, anstelle der Aktien die erhaltene Barkaution in Höhe von 800 Mark auszuzahlen.

Das Mietverhältnis endete Mitte 2018, kurz nach dem Tod von Sophia Eßer. Ihr Mann Heinrich war bereits im Jahr 2005 verstorben. Als Katharinas Mutter als Erbin die Aktien haben wollte, lehnte die Wohnungsgesellschaft GAG dies ab. Sie berief sich auf den Mietvertrag und zahlte stattdessen 409,03 Euro, was den ursprünglich eingezahlten 800 Mark entsprach. Doch ist diese Wahlmöglichkeit im Vertrag gültig? Diese Frage musste das Amtsgericht Köln entscheiden – und es gab den Erben der Mieterin recht.

Gericht: Mietern stehen auch die Erträge aus der Mietsicherheit zu

Das Gericht stellte fest, dass das im alten Mietvertrag vorgesehene Wahlrecht der Wohnungsgesellschaft unwirksam ist. Paragraph 551 des Bürgerlichen Gesetzbuches sehe vor, dass Erträge aus der Mietsicherheit unabhängig von der gewählten Anlageform dem Mieter zustehen. Zu den Erträgen der hier gewählten Anlageform gehörten nicht nur ausgezahlte Dividenden, sondern auch etwaige Kursgewinne. Davon abweichende Vereinbarungen seien unwirksam.

Pech für die GAG: Im Jahr 1960, als der Mietvertrag geschlossen wurde, gab es diesen Paragraphen noch gar nicht. Allerdings wurde die Summe in einem neuen Vertrag im Jahr 2005 übernommen. Und damit ist laut dem Richter auch der Paragraph 551 gültig. Der Klägerin stehe grundsätzlich ein Anspruch auf Herausgabe der Mietsicherheit in Form von Aktien zu, teilte das Amtsgericht mit (Az. 203 C 199/21 vom 19.7.2022).

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, die GAG will jetzt erstmal alles sorgfältig überprüfen. Doch für Katharina Eßer steht fest: Oma Sophia würde jetzt das Urteil feiern, wenn sie noch leben würde. „Sie war schon immer eine Kämpferin!“

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