5 Kinder starben in Solingen

Urteil im Solingen-Prozess: "Wenn das keine besondere Schwere der Schuld ist, was dann?"

Mutter zu lebenslanger Haft verurteilt 28-Jährige schweigt bis zum Schluss
02:39 min
28-Jährige schweigt bis zum Schluss
Mutter zu lebenslanger Haft verurteilt

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Richter hält Christiane K. für voll schuldfähig

Das Urteil gegen Christiane K. ist gefallen: Lebenslange Haft. Das Gericht stellt außerdem die besondere Schwere der Schuld fest. Bei der Urteilsverkündung erklärt der Richter, warum er davon überzeugt ist, dass die Mutter aus Solingen fünf ihrer sechs Kinder betäubte und dann nacheinander im Badezimmer, erstickte, erwürgte oder ertränkte. „Die Angeklagte ist voll schuldfähig“, meint er. „Die Zahl der toten Kinder, der vernichteten Leben. Wenn das keine besondere Schwere der Schuld ist, was dann?", fragt er vor Gericht.

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Ulrich Klose zum Urteil
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Angeklagte nimmt Urteil starr mit gesenktem Blick entgegen

„Sie handelte aus Wut und dem Gefühl von Demütigung. Heimtücke liegt vor. Deshalb die lebenslange Strafe“, führt der Richter vor dem Landgericht Wuppertal aus. Die Angeklagte sitzt bei der Urteilsverkündung starr auf ihrem Platz, wie RTL-Reporter Valerio Magno im Gerichtssaal beobachtete. Ihre Augen sind leer und nach unten gerichtet. Äußerlich ist der 28-Jährigen keine Reaktion anzumerken.

Am Morgen der Tat startet Christiane K. eine Whatsapp-Lawine an ihren Mann und an ihre Mutter. Sie meldet die Kinder in der Schule krank. „Man merkt: da baut sich was auf, das ist gesteuert“, so der Richter. Die Angeklagte habe den Eindruck gehabt, dass sie die Situation nicht mehr im Griff habe. „Ich kann jetzt nicht mehr“, schreibt sie noch an ihre Mutter.

Kinder in Solingen getötet
Christiane K. soll ihre Kinder mit Medikamenten ruhig gestellt und sie dann nacheinander im Badezimmer getötet haben.
mm, AP, Martin Meissner

Richter hofft, dass die Kinder nicht mehr so viel mitbekommen haben

"Es gab die Frühstückssituation“, beschreibt der Richter. „Frau K. hat sich gefragt, wie die Kinder zu Tode kommen. Sie hat sich dann gesagt: Ich betäube die und bringe sie um. Sie wollte die Abwehrinstinkte überwinden. Das begründet dann auch die Heimtücke.“ Die Angeklagte mischte dann aus Sicht des Richters Medikamente in die Trinkbecher und Fläschchen der Kinder und habe dann für eine „Wohlfühl-Situation“ gesorgt. Sie habe die Badewanne voll laufen lassen und ein Kind nach dem anderen ins Badezimmer geführt. „Man mag sich die Situation nicht ausmalen. Man mag hoffen, dass die Kinder nicht mehr so viel mitbekommen haben“, so der Richter.

Anschließend legt die Mutter ihre toten Kinder fast pietätvoll in ihre Betten. Alle fünf hätten nasse Haare gehabt. „Das hatte irgendwo schon etwas Empathisches, alles hat seine Ordnung“, meint der Richter. Er geht darum nicht davon aus, dass jemand Fremdes in die Wohnung kam, um die Kinder zu töten, wie Christiane K. zwischenzeitlich behauptet hatte. Die Mutter lässt noch das Badewasser ab und holt die Badespielsachen aus der Wanne. "Welcher fremde Täter, der einfach nur töten will, macht das?", fragt der Richter.

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Christiane K. merkte, dass sie die Kontrolle über ihren Mann verlor

Das alles passiert wohl im Zeitfenster zwischen neun, Viertel nach neun und zehn Uhr vormittags. In dieser Zeit gebe es eine große Lücke in den WhatsApp-Chatverläufen. Danach macht Christiane K. noch Konto-Abfragen. Der Richter geht davon aus, dass die 28-Jährige die Tat beging, weil ihr die Beziehung mit ihrem Mann entglitt. „Das Motiv ist ein Mix aus Demütigung und Kränkung der narzisstisch strukturierten Frau, weil der Ehemann eine neue Frau hat. Und auch Rache für den empfundenen Verrat.“

Christiane K. habe mit ihrem Ehemann eine Großfamilie gegründet, um sich durch Schwangerschaften und Versorgung der Kinder unliebsamen Pflichten zu entziehen. Sie habe wie auf einer Insel gelebt. „Das war ihr Lebensentwurf“, sagt der Richter. Die Verurteilte habe ihren Ehemann immer wieder eifersüchtig gemacht, indem sie Geschichten mit anderen Männern vorgab. "Sie wollte die Kontrolle haben", so der Richter. Das Thema „Bestrafung des Ehemannes“ sei immer wieder erkennbar.

Prozess um Kindermorde in Solingen
Christiane K. brachte fünf ihrer sechs Kinder in ihrer Wohnung in Solingen um.
mk kde fc sab aba fdt fc, dpa, Marcel Kusch

Richter hofft, dass Christiane K. ihrem Sohn irgendwann eine Erklärung geben kann

Am Morgen vor der Tat schreibt Christiane K. ihrem Mann, der inzwischen mit einer anderen Frau zusammen ist, um 7:46 Uhr noch: „Schön, wenn das so schnell geht bei dir. Ich sitze hier in deinen Klamotten...ich liebe dich unendlich.“ Weil die 28-Jährige davon ausgeht, dass ihr Mann seinen Halt nicht mehr bei ihr, sondern bei einer anderen Frau suche, habe sie den Wunsch gehabt, ihn mit dem Tod der Kinder zu bestrafen.

Zum Schluss der Urteilsbegründung geht der Richter auch noch auf Christiane K.s überlebenden Sohn ein. „Um Marcel muss man sich viele Sorgen machen, dass er zu einem psychisch gesunden Mann heranwachsen kann“, glaubt er. Er wünsche Christiane K., dass sie an ihrer Persönlichkeitsstruktur arbeite, um ihrem Sohn irgendwann eine andere Erklärung geben zu können, wie es zu dem Tod seiner Geschwister kommen konnte. (jgr)