RTL Nord-Weihnachtsinterview: Bürgermeister Bovenschulte (SPD) warnt vor Ungleichheit in Deutschland
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Andreas Bovenschulte (SPD), Bremens Bürgermeister seit 2019, lässt im RTL Nord-Weihnachtsinterview das Jahr Revue passieren. Die Sorgen der Bremerinnen und Bremer sind natürlich das größte Thema.
Zwischen festlichen Lichtern, Glühweinbuden und Verkaufsständen treffe ich Andreas Bovenschulte. Nach seinem Beinbruch Ende Oktober ist der Bremer Bürgermeister schon wieder ganz gut zu Fuß.
Sarina Sprengelmeyer: „Herr Bovenschulte – Moin, hallo. -Guten Tag, hallo. Ich freu mich sehr, dass es klappt. Find ich auch klasse. (...) Wie geht’s Ihnen denn?“
Andreas Bovenschulte: „Eigentlich ganz gut wieder. Das Bein wird jeden Tag besser, ich kann fast schon wieder aufstampfen, wenn ich mich ärgere, also alles fast wieder im grünen Bereich."
Bei unserem gemeinsamen Bummel über den Weihnachtsmarkt blicken wir zurück auf herausfordernde vergangene 12 Monate.
Sarina Sprengelmeyer: „Welche politischen Themen haben Sie und Bremen ganz besonders bewegt?“
Andreas Bovenschulte: „Es war ja nicht immer ein einfaches Jahr das letzte Jahr. Wir befinden uns im vierten, fünften Jahr einer wirtschaftlichen Rezession. Und das zentrale Thema ist natürlich: Wie geht’s endlich wieder wirtschaftlich aufwärts? Wie können wir eine Politik machen für mehr Beschäftigung, Senkung von Arbeitslosigkeit. Und das ist ein ganz ganz wichtiges Thema. Ich sag mal: wie geht’s mit dem Stahlwerk weiter, wie geht’s mit unseren Häfen weiter, mit der Automobilindustrie, mit der Luft- und Raumfahrtindustrie? Das sind alles Themen, die ne große Rolle gespielt haben und so jetzt gegen Ende des Jahres würde ich sagen: Es ist nicht alles Gold was glänzt, aber wir sehen doch an bestimmten Punkten das Licht am Ende des Tunnels und das find ich ganz schön."
Wirtschaftlich wieder nach vorne kommen, das ist eines seiner Ziele. Gelingen soll das auch dank 1,3 Milliarden Euro, die der Bund dem Land für die Modernisierung der Bremerhavener Häfen zur Verfügung stellt.
Andreas Bovenschulte ist seit 2019 Bremens Bürgermeister, 2023 wurde der 60-Jährige im Amt bestätigt und regiert das kleinste Bundesland Deutschlands aktuell in einer Koalition mit Grünen und Linken. Allerdings nicht zur Zufriedenheit der CDU.
Sarina Sprengelmeyer: „Die Opposition hat sie zur Halbzeit der Legislaturperiode als Koalition des Stillstands bezeichnet. Was entgegnen Sie Herrn Imhoff in dem Fall?“
Andreas Bovenschulte: „Das kann nur jemand sagen, der die Realität nicht wahrnimmt (…) Nehmen wir zum Beispiel den Innenstadtbereich. Ich glaube, in der Bremer Innenstadt hat sich noch nie so viel in den letzten 50 Jahren getan wie jetzt. Wir haben ja nicht nur die Uni an den Domshof geholt, wir haben nicht nur das Balgequartier mit dem Stadtmusikanten- und Literaturhaus. Das sind alles Projekte, die haben so ne große Dimension, da kann man echt nicht sagen, dass da in irgendeiner Form Stillstand ist. (…) Bei unseren Häfen kann man das nicht sagen, da geht richtig nach vorne. In unserer Luft- und Raumfahrtindustrie kann man das nicht sagen. (…) Also ist klar, dass die Opposition nie die Regierung lobt, aber wer hier von Stillstand spricht, der nimmt die Realität nicht zur Kenntnis.“
Vor allem in Sachen Kitaplätze habe die Regierung einiges auf den Weg gebracht und mehr dringend benötigte Plätze geschaffen, sagt Andreas Bovenschulte. Allerdings stehen noch nicht in jedem Bremer Stadtteil ausreichend davon zur Verfügung. Und von einem erst kürzlich beschlossenen Investitionsprogramm für mehr Sportanlagen und Spielplätze verspricht er sich positive Auswirkungen für die Bremerinnen und Bremer in bewegten Zeiten:
Sarina Sprengelmeyer: „Lassen Sie uns mal auf die aktuelle Situation im Senat gucken, da war ja einiges los in den letzten Wochen und Monaten. Der Rücktritt von Frau Aulepp, der Rücktritt von Herrn Mäurer, Frau Moosdorf dann im Oktober. Und jetzt wird auch noch ermittelt in Sachen Untreue gegen zwei Senatorinnen. Das bringt doch wahnsinnig viel Unruhe rein, oder? Wie empfinden Sie das?“
Andreas Bovenschulte: „Wir haben jetzt wieder ein ganz starkes Team im Senat zusammen, wir haben den personellen Umbruch bewältigt (…) und ja es stimmt, die Ermittlungen, die eingeleitet wurden wegen der Frage ob Staatsrätinnen und Staatsräte korrekt in den einstweiligen Ruhestand geschickt wurden, das ist überhaupt nicht schön, aber das ist in einem Rechtsstaat so. Wenn da Dinge sozusagen unklar erscheinen und die Staatsanwaltschaft meint, sie muss ermitteln, dann ist es gut, dass wir so eine unabhängige Staatsanwaltschaft haben.“
Vor diesen Senatoren-Rücktritten reist Andreas Bovenschulte im Sommer in die Ukraine. Eine Erfahrung, die ihn in diesem Jahr besonders geprägt hat, erzählt er mir.
Andreas Bovenschulte: „Also das war schon eine sehr niederschmetternde Erfahrung, muss ich sagen. Wir sind ja nach Odessa gefahren, weil das die Partnerregion Bremens ist (…) Ich hab mit Schülerinnen und Schülern gesprochen und sie gefragt wie oft müsst ihr denn in den Luftschutzbunker gehen und dann haben die gesagt: "so im Durchschnitt 2-3 Mal" und ich dachte im Monat und da sagten die: "Ne ne, Herr Bürgermeister, am Tag". Und wenn man sowas mitkriegt, dann krampft einem schon der Magen zusammen und dann weiß man, wie furchtbar Krieg ist.“
Seit kurzem hat Andreas Bovenschulte noch eine zusätzliche Aufgabe, über die wir jetzt sprechen wollen:
Andreas Bovenschulte: „Mich erstmal stärken vor der nächsten Antwort.“
Im November wird Bremens Bürgermeister turnusmäßig zum Bundesratspräsidenten gewählt.
Andreas Bovenschulte: „Mir liegt sehr da daran den Zusammenhalt in Deutschland zu fördern. Also wenn es da drum geht den Zusammenhalt zwischen den Ländern zu fördern, Stichwort solidarischer Föderalismus, aber auch den Zusammenhalt in der Gesellschaft insgesamt. Ich empfinde es als ganz, ganz bedrohlich, dass die soziale und wirtschaftliche Ungleichheit immer größer wird in Deutschland. Das, finde ich, ist nicht nur ein soziales und wirtschaftliches Problem, sondern auch ein politisches.“
Dass bei vielen Menschen zurzeit wegen der Krisen in der Welt außerdem die Portemonnaies leer sind, beschäftigt auch Andreas Bovenschulte.
Sarina Sprengelmeyer: „Wie können vor der eigenen Haustür gucken, wir können auf die ganze Welt blicken. Menschen haben Angst um ihre Arbeitsplätze, wir haben diverse Kriegssituationen. Menschen sind in Sorge, ich glaube, das kann man so zusammenfassen. Wie können wir diesen Entwicklungen entgegentreten?“
Andreas Bovenschulte: „Den Entwicklungen kann man nur entgegentreten, indem man deutlich macht, dass wir erstens im historischen Vergleich nicht in einer dramatisch schlimmen Situation sind. Es werden manchmal Vergleiche zu den 30er Jahren gezogen. Völlig verfehlt. Damals gabs eine gigantische Massenarbeitslosigkeit und die Leute wussten nicht, wie sie sich ernähren sollten und wo sie wohnen sollten, und zwar millionenfach. Und im Vergleich dazu leben wir immer noch in sehr gesicherten Verhältnissen. Was die Menschen vermissen, ist eine klare Perspektive für die Zukunft. (…) Die Dinge sind nicht einfach, aber es gibt auch keinen Grund sozusagen in Tristesse zu verfallen und es gibt auch eine klare Perspektive wie das wirtschaftlich, sozial und was die Sicherung des Friedens ist, wie wir da die Entwicklung hinkriegen, ich bin davon fest überzeugt.“
Der SPD-Politiker zeigt sich zuversichtlich, dass das Wachstum 2026 kommt. Und dass das Jahr noch viel mehr bereithält:
Sarina Sprengelmeyer: „Jetzt steht ja 2026 quasi schon vor der Tür. Worauf freuen Sie sich besonders? Privat und auch politisch?“
Andreas Bovenschulte: „Privat freu ich mich darauf, dass ich dann wieder vollständig aufm Damm bin, gesundheitlich. Und natürlich geht dann auch die Bundesratspräsidentschaft nochmal richtig los. Und wir werden natürlich 26 die große Feier zum Tag der Deutschen Einheit hier in Bremen haben 450.000 Besucherinnen und Besuchern. Also das wird die größte Fete werden, die glaub ich Bremen je erlebt hat. Das finde ich klasse.“
Und wie steht der 60-Jährige zu guten Vorsätzen?
Andreas Bovenschulte: „Ich nehme mir keine neuen Vorsätze vor, weil die vielen alten Vorsätze sind noch gar nicht angetastet worden (…) der Klassiker ist Gewichtsreduzierung. Aber ja scheitert immer schon am 6. Januar beim Gang auf die Waage.“
60 bis 70 Stunden in der Woche arbeitet Andreas Bovenschulte im Durchschnitt erzählt er mir. Und freut sich über die Feiertage auf ein bisschen Ruhe:
Andreas Bovenschulte: „Ich genieße das schon, wenn es mal ein bisschen weniger wird, das braucht man auch, damit der Kopf frei wird und man dann auch mal wieder neue Gedanken fassen kann. Übrigens auch mal wieder ein etwas dickeres Buch lesen kann und nicht nur Zeitschriftenartikel, wofür man sonst gar keine Zeit hat, da freue ich mich schon drauf.“
Bücher stehen in diesem Jahr auch auf seinem persönlichen Wunschzettel. Noch wichtiger ist ihm aber die Zeit mit seinen Lieben:
Sarina Sprengelmeyer: „Wie wird denn Weihnachten im Hause Bovenschulte gefeiert, wie habe ich mir das vorzustellen?“
Andreas Bovenschulte: „Schon eher traditionell. Also erst wird eingekauft und dann wird gemeinsam gekocht, dann wird der Baum geschmückt und dann wird Bescherung gemacht und dann wird gegessen.“
Die Bremerinnen und Bremer verabschiedet er am Ende unseres Weihnachtsmarktbesuchs mit einer gehörigen Portion Optimismus in die Feiertage und ins neue Jahr:
Andreas Bovenschulte: „Ich wünsche den Bremerinnen und Bremern eigentlich das, was man am meisten braucht: die Fähigkeit zu sagen, das Glas ist halb voll und nicht halb leer. Weil das die Voraussetzung dafür ist, dass man die Chancen ergreift, die ja tatsächlich da sind. Und ich wünsche den Bremerinnen und Bremern, dass sie sich nicht spalten lassen und gegeneinander aufbringen lassen, sondern erkennen: Richtig stark werden wir nur, wenn wir uns unterhaken und gemeinsam handeln, so wie die Bremer Stadtmusikanten das gemacht haben."
















