Christiane K. wegen Mordes an fünf ihrer sechs Kinder verurteilt
Trauma-Experte: "Die Mutter war in einer gefühlsmäßigen Vollnarkose"
Was bringt eine Mutter dazu, ihre Kinder zu töten?
Es ist eine Tat, die die Vorstellungskraft der meisten Menschen sprengt: Am 3. September 2020 soll Christiane K. (28) in Solingen fünf ihrer sechs Kinder getötet haben. Nun wurde die Mutter wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt. Wir haben mit dem Psychotherapeuten Dr. Christian Lüdke gesprochen und ihn gefragt, was eine Mutter zu so einer Tat treibt. Er glaubt, dass sich Christiane K. von niemandem geliebt gefühlt hat. "Die Mutter war in einer gefühlsmäßigen Vollnarkose", erklärt der Experte im RTL-Interview.
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Experte: Mutter aus Solingen hatte keine Kontrolle über Impulse
In der Situation habe Christiane K. ihre Impulse nicht mehr kontrollieren können – ein entscheidender Unterschied zu anderen Straftätern: Wer zum Beispiel aus Rache auf jemanden schieße oder einsteche, merke meist schnell, was er tue. "In aller Regel wachen die dann auf und kommen relativ schnell aus diesem Impuls wieder raus", sagt der Trauma-Experte. Im Fall der Mutter aus Solingen sei das anders. "Sie ist dann in diesem Modus: Ich mach das jetzt. Dann wird das abgearbeitet, bis Ruhe ist", erklärt Lüdke.
Töten der Kinder als "primitive Form der Konfliktbewältigung"
So etwas Schreckliches könne nur jemand tun, der sich nicht geliebt gefühlt habe, sagt Lüdke. "Wenn ein Mensch zumindest einen anderen Menschen hat, von dem er bedingungslos geliebt wird, würde er niemals so eine Tat begehen", erklärt der Psychotherapeut. Christiane K. habe offenbar nie eine solche Liebe erfahren – und sie deshalb auch nicht weitergeben können. "Sie empfindet nicht diese tiefe Mutterliebe, ist emotional komplett verwahrlost. Weil sie das in ihrer Familie nie gelernt hat", meint der Experte.
In solchen Fällen spreche man bei Frauen von Bindungsstörungen. "Trotz der vielen Kinder haben sie es nie geschafft, eine emotionale Bindung zu ihnen aufzubauen. Und sind dann mit sich, ihrem Leben und ihren Kindern hoffnungslos überfordert", sagt Lüdke. Das Töten der Kinder sei letztlich eine "primitive Form der Konfliktbewältigung".
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Mutter ließ ihren ältesten Sohn leben
Christiane K. musste sich vor dem Wuppertaler Landgericht wegen fünffachen heimtückischen Mordes verantworten. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass sie in ihrer Wohnung Melina (†1), Leonie (†2), Sophie (†3), Timo (†6) und Luca (†8) mit einem Medikamentencocktail ruhiggestellte. Dann erwürgte, erstickte oder ertränkte sie die Kinder nacheinander in der Badewanne. Drei bis fünf Minuten dauerte der Todeskampf jedes Kindes, wie eine Rechtsmedizinerin im Prozess gegen Christiane K. berichtete. Christiane K. wurde zu lebenslanger Haft verurteilt. Das Gericht stellte außerdem die besondere Schwere der Schuld fest.
Der damals elfjährige Marcel überlebte – K. hatte ihren ältesten Sohn zur Oma an den Niederrhein geschickt. Anschließend wollte sie auch ihrem eigenen Leben ein Ende setzen, überlebte aber schwer verletzt.
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Dr. Christian Lüdke: Mutter wollte "emotionale Wiedergutmachung"
Dass Frauen eins ihrer Kinder am Leben lassen, kenne man aus anderen Fällen, erklärt Lüdke. "Das ist eine Form der emotionalen Wiedergutmachung. Im tiefsten Inneren wissen sie, dass das Töten der Kinder großes Unrecht ist. Aber die Frauen beruhigen ihr eigenes Gewissen, indem sie ein Kind verschonen", sagt er.
Video: Der Tathergang des Familiendramas in Solingen
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Angeklagte berichtete von maskiertem Unbekannten
Zwischenzeitlich hatte Christiane K. behauptet, ein maskierter Unbekannter sei in ihre Wohnung eingedrungen und habe ihre Kinder umgebracht. Für die Ermittler eine Schutzbehauptung: "Wir sind dem natürlich nachgegangen, haben aber nichts gefunden, was dafür spricht, sagte einer der Ermittler. Auch das Gericht glaubte diese Darstellung nicht und sprach die 28.-Jährige schuldig.
Solingen: Polizei stellte Whatsapp-Nachrichten vom Tattag wieder her
Am Tattag schrieb Christiane K. über Whatsapp Nachrichten an den Vater ihrer vier jüngsten Kinder und an ihre Mutter. Die Nachrichten wurden gelöscht, doch die Polizei konnte die Kommunikation der 28-Jährigen mit ihrem Noch-Ehemann und ihrer Mutter wieder sichtbar machen. Auch wenn sich darin kein eindeutiges Geständnis findet, lassen die Chatprotokolle kaum Zweifel an Christiane K.s Schuld.
Hilfe bei Suizidgedanken
Haben Sie suizidale Gedanken oder haben Sie diese bei einem Angehörigen/Bekannten festgestellt? Hilfe bietet die Telefonseelsorge: Anonyme Beratung erhält man rund um die Uhr unter den kostenlosen Nummern 0800 / 111 0 111 und 0800 / 111 0 222. Auch eine Beratung über das Internet ist möglich unter http://www.telefonseelsorge.de. (bst/jgr)