Gynäkologin erklärt, welche Verhütungsmethode wie wirkt

Dabei sind die Nebenwirkungen die gleichen! Warum die Pille für den Mann noch nicht auf dem Markt ist

Pille für den Mann
Zwar wird seit Längerem an der Pille für den Mann geforscht - bisher bleibt die Verhütung aber meist an der Frau hängen.
Daisy Daisy, iStockphoto

von Dr. med. Judith Bildau

Verhütung ist… meist immer noch Frauensache. Und das, obwohl seit Längerem an Verhütungsmethoden für den Mann geforscht wird. Das Problem: Die Zulassungsregeln für ein Medikament heute sind sehr viel strenger als 1961 – das Jahr, in dem die Antibabypille in Deutschland damals auf den Markt kam. Welche nicht-hormonelle Methode wie sicher ist und ob es Hoffnung auf mehr Gleichberechtigung bei der Verhütung gibt.

"Gibt es endlich ein Verhütungsmittel ohne Hormone?"

Verhütung ist ein Thema, dem ich jeden Tag in der Praxis begegne. Und immer wieder schauen mich die hoffnungsvollen Augen meiner Patientinnen an, die mich fragen: „Gibt es endlich ein sicheres und für mich passendes Verhütungsmittel, das ich gut vertrage, am besten ohne Hormone?“

Sie haben recht, in den letzten Jahrzehnten hat sich bei der Auswahl der Verhütungsmittel nicht sehr viel getan. Natürlich gibt es sehr gute und sichere hormonhaltige Kontrazeptiva. Die heutigen Dosierungen und Zusammensetzungen sind längst nicht mehr mit denen zu vergleichen, die Anfang der 60er-Jahre auf den Markt kamen. Aber: Immer mehr Mädchen und Frauen möchten, wenn möglich, auf Hormone verzichten. Und da ist die Auswahl nach wie vor sehr begrenzt.

Judith Bildau, Gynäkologin
Dr. med. Judith Bildau ist Gynäkologin und RTL-Kolumnistin. Ihre Herzensangelegenheit ist es, Medizin für alle einfach und verständlich zu erklären.
Dr. med. Judith Bildau

Der Wunsch vieler Frauen: Keine Pille mehr!

Der Wunsch der Frauen, keine Pille mehr einnehmen zu wollen, hat sich vor allem in den letzten Jahren verstärkt. Dafür gibt es viele Gründe. Einer ist sicherlich, dass sich viele Patientinnen von ihren behandelnden Ärzten und Ärztinnen über mögliche Risiken und Nebenwirkungen nicht gut aufgeklärt gefühlt haben. Die Pille wurde über viele Jahre nicht nur als Verhütungsmittel verschrieben, sondern auch sehr zügig bei Regelbeschwerden oder Hautunreinheiten.

Viele junge Mädchen und Frauen kam hierbei die Aufklärung zu kurz, dass es sich dabei um ein Medikament handelt, das durchaus Risiken, wie zum Beispiel Thrombosen oder gar Embolien, beinhaltet oder auch relativ häufige Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen, Stimmungsschwankungen und Libidoverlust.

Zum Glück scheinen die Tage, in denen hormonelle Kontrazeptiva quasi als „Lifestyle-Produkte“ verteilt wurden, mittlerweile vorbei zu sein. Dennoch ist es genauso wenig sinnvoll, die Pille zu verteufeln. Nach wie vor dient sie nämlich dazu, dass Frauen sicher und zuverlässig verhüten können und ermöglicht ihnen damit ein großes Stück Freiheit und Selbstbestimmung. Außerdem werden hormonelle Therapien nach wie vor sehr erfolgreich bei verschiedenen gynäkologischen Erkrankungen, wie zum Beispiel der Endometriose, eingesetzt.

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Die Pille - wirklich so gefährlich?

Ganz wichtig: Die Pille ist nicht gleich die Pille. Es gibt unglaublich viele Präparate in unterschiedliche Dosierungen und Hormonzusammensetzungen. Dadurch unterscheidet sich auch das Thromboserisiko. So erleiden bei einer Pille mit Ethinylestradiol ( Östrogen) und Levonorgestrel ( Gestagen) fünf bis sieben von 10.000 Frauen pro Jahr eine Thrombose, bei einer Pille mit dem gleichen Östrogen, aber dem Gestagen Dienogest sind es acht bis elf von 10.000 Konsumentinnen.

Vor der Pillenverschreibung muss unbedingt eine ausführliche Anamnese erfolgen. So kann das Risiko für eine Komplikation nach der Einnahme nochmals deutlich gesenkt werden. Gibt es zum Beispiel vermehrt Thrombosen oder Embolien in der Familie, so sollte zunächst eine Untersuchung auf eine vorhandene Gerinnungsstörung erfolgen.

Wenn wir über kombinierte Kontrazeptiva sprechen, dürfen wir unseren Fokus jedoch nicht nur auf die klassische Pille legen. Auch der Verhütungsring und das Verhütungspflaster enthalten sowohl einen Anteil aus Östrogen als auch einen aus Gestagen und zählen somit zu den Kombinationspräparaten.

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Verursacht die Pille Brustkrebs?

Viele Frauen lässt zudem die Sorge vor Brustkrebs davor abschrecken, ein hormonelles Verhütungsmittel einzunehmen. Schon länger liegen Daten vor, dass kombinierte Verhütungsmittel das Risiko für die Entwicklung eines Mammakarzinoms um etwa 20 Prozent erhöhen.

Kürzlich ist eine englische Studie erschienen, die eine vergleichbare Risikoerhöhung für reine Gestagenpillen und andere Gestagen-haltige Verhütungsmittel, wie das Verhütungsstäbchen und die Drei-Monats-Spritze, angibt. So erschreckend diese Zahl wirkt, so wichtig ist es, sie richtig einzuordnen.

Junge Frauen erkranken – glücklicherweise – sehr selten an Brustkrebs. Der Erkrankungsgipfel liegt zwischen 50 und 70 Jahren, also dann, wenn in der Regel kein Verhütungsmittel mehr verwendet wird. Das Risiko für eine junge, 25-jährige Frau liegt bei 0,4. Das heißt, dass vier Frauen von 1.000 Frauen pro Jahr an Brustkrebs erkranken.

Durch ein hormonhaltiges Verhütungsmittel steigt das Risiko nun auf 0,48. Fünf Jahre nach Beendigung der Einnahme fällt es wieder auf das natürliche Risiko. Und noch etwas Positives: Die Kombinationspille senkt nachweislich die Wahrscheinlichkeit für die Entwicklung eines Eierstock-, Gebärmutter- und Darmkrebses – und das sogar noch Jahrzehnte nach dem Absetzen.

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Gibt es hormonfreie Alternativen?

Komplett hormonfreie Verhütungsmittel sind tatsächlich rar. Zumindest die, die einen niedrigen Pearl-Index (PI) haben und damit in etwa so sicher wie hormonelle Kontrazeptiva sind. Der Pearl-Index gibt an, wie viele Frauen von 100 in einem Jahr unter der Verwendung eines Kontrazeptivums schwanger werden. Bei der Kombinationspille liegt er bei 0,1 bis 0,9, das heißt es betrifft zwischen einer und neun von 1.000 Frauen. Die Gestagenpille hat einen PI von 0,4, ist also auch sehr sicher.

Zu den beliebtesten hormonfreien Verhütungsmitteln zählen das Kondom, die Kupferspirale und die „Natürliche Familienplanung“ (NFP). Das Kondom hat den Vorteil, dass es nicht nur vor einer Schwangerschaft schützt, sondern auch vor Geschlechtskrankheiten. Der PI liegt zwischen zwei und zwölf. Die Bandbreite ist so groß, da es ein Verhütungsmittel ist, dass davon abhängig ist, wie sicher die Benutzer der Anwendung sind.

Die Kupferspirale wird – verständlicherweise – immer beliebter. Lange Zeit hielt sich hartnäckig das Gerücht, dass nur Frauen, die bereits geboren haben, sich eine solche Spirale einlegen lasse können. Mittlerweile greifen auch viele junge Frauen auf diese hormonfreie Alternative zurück. Der PI liegt bei 0,3 bis 0,8. Einziges Manko: Die Einlage kann durchaus schmerzhaft sein und leider kann auch die Menstruationsblutung deutlich stärker werden.

Bei der „Natürliche Familienplanung“ werden verschiedene Körperzeichen dazu genutzt, festzustellen, wann genau der Eisprung stattfindet, also die fruchtbaren Tage sind. So wird zum Beispiel die morgendliche Körpertemperatur gemessen und auch der Schleim des Gebärmutterhalses beurteilt. Der PI liegt bei 0,4 bis 1,8, wenn an den fruchtbaren Tagen auf Geschlechtsverkehr verzichtet wird. Wichtig bei der NFP: Die Methode empfiehlt sich für Frauen, die einen regelmäßigen Zyklus haben und sich gut mit ihrem Körper auskennen.

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Wann kommt endlich die Pille für den Mann?

Bislang gibt es kein zugelassenes Verhütungsmittel für den Mann. Doch woran liegt das? Eine im Jahr 2016 durchgeführte Zulassungsstudie für ein hormonelles Verhütungsmittel wurde aufgrund von aufgetretenen Nebenwirkungen wie Akne, Stimmungsschwankungen und Libidoverlust vorzeitig abgebrochen – obwohl die Zuverlässigkeit der Methode mit 96 Prozent sehr vielversprechend war.

Alles Nebenwirkungen, die auch von der Pille, die Frauen seit Jahrzehnten schlucken, bekannt sind. Der Unterschied: Die Zulassungsregeln für ein Medikament heute sind sehr viel strenger als 1961, als die Antibabypille in Deutschland auf den Markt kam.

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Gibt es Hoffnung für mehr Gleichberechtigung bei der Verhütung?

Doch es gibt neue Hoffnung unter dem Namen YCT529: Ein nicht-hormonelles Kontrazeptivum mit einem Sicherheitsprofil bis zu 99 Prozent in Tierversuchen und ohne nennenswerte Nebenwirkungen. Die Einnahme muss vier Wochen lang erfolgen, dann kommt es zu vorübergehender Sterilität. Vier bis sechs Wochen nach Absetzen sollen die Männer dann wieder fruchtbar sein.

Verhütung – ein Thema, was Frauen seit Jahrzehnten beschäftigt und auch noch weiter beschäftigen wird. Erst wenn es endlich ein zugelassenes und sicheres Verhütungsmittel für Männer gibt, kann die Verantwortung diesbezüglich wirklich geteilt werden. Das Kondom bleibt der beste Schutz vor Geschlechtskrankheiten; möchte ein Paar allerdings irgendwann darauf verzichten, können hoffentlich bald beide die Möglichkeit haben, für Verhütung zu sorgen.