Zwölfjährige von ihren Freundinnen mit 74 Messerstichen ermordet

Wie Luises Angehörige um Gerechtigkeit kämpfen

von Alicia Beisel und Konrad Rampelt

Wenn der Staat schweigt, klagt die Familie.
Weil die Täterinnen strafunmündig sind, zieht die Familie der getöteten Luise (12) vor ein Zivilgericht. Es geht um Geld – aber vor allem um etwas anderes.

Ein Gericht, das nicht straft, aber feststellt

Am Waldrand wurde die Zwölfjährige getötet. (Archivbild)
Am Waldrand wurde die Zwölfjährige getötet. (Archivbild)
Oliver Berg/dpa

Am 11. März 2023 stirbt Luise (12) durch die Hand zweier Freundinnen. 74 Messerstiche. Vorher wurde ihr ein Müllsack übergestülpt, mit dem man sie ersticken wollte. Das Motiv für diese Wahnsinnstat? Ein Kindergemisch aus Konflikt, Eifersucht und digitaler Enthemmung. Die Täterinnen sind zur Tatzeit zwölf und 13 Jahre alt. Und damit nach deutschem Recht nicht schuldfähig.

Es gab keinen Mordprozess und somit kein Urteil oder Schuldspruch. Jetzt verhandelt das Zivilrecht, was das Strafrecht nicht durfte.

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Luises Familie fordert 179.000 Euro Schmerzensgeld. Für Luises Leid und für ihr eigenes. Denn anders als im Strafrecht gilt im Zivilrecht eine andere Altersgrenze. Ab sieben Jahren können Kinder grundsätzlich haftbar gemacht werden – wenn sie Tragweite ihres Handelns erfasst haben. Und genau darum geht es jetzt. War die Tat nicht nur grausam, sondern auch zivilrechtlich bewusst?

Gerichtssprecherin Eva Maria Kahn: „In einem Zivilprozess geht es dann jedoch nicht darum, dass ein Gericht am Ende eine Strafe aus urteilt, sondern um die Geltendmachung von Individualansprüchen von privaten Personen gegenüber anderen privaten Personen.”

Doch das klingt nüchterner, als es ist. Denn juristisch entscheidet sich nun, ob Luise Schmerzen hatte, wie lange sie gelitten hat – und ob das einen Geldbetrag rechtfertigt. Die Gegenseite bestreitet das. Der Todeskampf, so die Verteidigung, sei nicht nachweislich lang gewesen.

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Chats belegen: Mord an Luise aus Freudenberg wurde geplant

Eine der Beklagten wird zugeschaltet. Sie sagt nichts, schaltet die Kamera erst an, als die Öffentlichkeit den Saal betritt. Auch das zweite Mädchen erscheint nur per Video. Vor einem Jahr hatten beide in der Vernehmung bereits eingeräumt, dass sie gemeinsam zur Tat verabredet waren. Chats belegen: Der Mord wurde geplant. Der Müllbeutel war dabei. Auch das Messer – es ist bis heute verschwunden.

DNA-Spuren wurden gesichert. 74 Mal wurde zugestochen. Luises Handy wurde mitgenommen und ausgeschaltet. Es sei „ein Fall, der ein Stück weit sprachlos macht”, sagt die Vorsitzende Richterin.

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Die Täterinnen leben, unter Aufsicht und mit Betreuung, an einem unbekannten Ort. Es bleibt viel Leid und der Versuch, es wenigstens rechtlich zu benennen. Selbst wenn es „nur” ein Betrag ist. 50.000 Euro für Luise. 129.000 für die Familie. Und die Kosten für ein Begräbnis, das nie hätte stattfinden dürfen. Denn Luise war gerade einmal zwölf Jahre alt.

Ein Urteil wird an diesem Donnerstag (24. Juli) nicht fallen, eine Einigung scheint in weiter Ferne. Zuerst soll ein Gutachten Erkenntnisse bringen, wie sehr Luise gelitten hat – und wann sie genau starb. Doch was am meisten fehlt, ist das, was dieser Prozess nicht geben kann, nämlich Gerechtigkeit, die sich wie Gerechtigkeit anfühlt.