Allianz-Studie

Nutzen Lebensmittelkonzerne die Krise aus, um satte Gewinne zu kassieren?

Die Energiepreise machen vielen Verbraucherinnen und Verbrauchern inzwischen weniger Kopfzerbrechen. Doch auf die Preise für Lebensmittel blicken die meisten immer noch mit Sorge. Laut Kreditversicherer Allianz Trade könnten große Konzerne die hohe Inflation ausnutzen, um Kasse zu machen.

Experte: Mehr als ein Drittel des Preisanstiegs lässt sich nicht mit hohen Rohstoffkosten begründen

Der Lebensmitteleinkauf im Supermarkt oder beim Discounter ist für viele Menschen zum Ärgernis geworden. Die Preise sind in den vergangenen Monaten massiv in die Höhe geschossen.

Zum Teil liegt das an den gestiegenen Rohstoffkosten. Aber eben nur zum Teil.

Mehr als ein Drittel des jüngsten Anstiegs der Lebensmittelpreise in Deutschland könne nicht mit den traditionellen Treibern wie den Rohstoffkosten oder der Entwicklung der Energiepreise erklärt werden, berichtet Andy Jobst, Inflationsexperte des Kreditversicherers Allianz Trade.

Es scheine zunehmend Anzeichen für Gewinnmitnahmen und mitunter zu wenig Wettbewerb zu geben, vor allem bei Herstellern von Milchprodukten und Eiern, aber auch bei nicht-saisonalem Gemüse und Obst.

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Verbraucherzentralen schlagen Alarm

„Manche Preissteigerungen bei Lebensmitteln sind weder gerechtfertigt noch nachvollziehbar“, urteilten die Verbraucherzentralen kürzlich. Deshalb sei ein kritischer Blick der Politik und des Kartellamtes auf Handel und Lebensmittelhersteller notwendig, um zu prüfen, ob Unternehmen die Lage nutzen, um die eigenen Erträge zu verbessern.

Der Handel sieht die Schuld vor allem bei großen Markenherstellern. Die Chefs der beiden führende deutschen Supermarktketten Edeka und Rewe, Markus Mosa und Lionel Souque, warfen in den vergangenen Monaten wiederholt großen internationalen Konsumgüterherstellern vor, Preiserhöhungen zu fordern, die nicht nachvollziehbar seien. Der Chef der Drogeriemarktkette Rossmann, Raoul Roßmann, sagte kürzlich der Lebensmittel Zeitung: „Auch Rossmann hat mit einigen Lieferanten, die überzogene Preiserhöhungen verlangen, Ärger.“

Laut Allianz Trade haben die Lebensmittelproduzenten in Deutschland 2022 rund 18,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr aufgeschlagen, der Lebensmitteleinzelhandel dagegen „nur“ 12,6 Prozent.

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Große Markenhersteller wie Nestlé weisen Vorwürfe zurück

„Wir weisen dies entschieden zurück“, hieß es bei der Deutschland-Tochter von Weltmarktführer Nestlé.

Die Gewinnmarge sei 2022 in Europa spürbar gesunken. Das Unternehmen habe zusätzliche Kosten von mehrere hundert Millionen Euro nur zum Teil weitergegeben.

Auch Wettbewerber Unilever (Langnese, Pfanni, Dove) betonte, die Unternehmenskennzahlen machten deutlich, dass der Konzern im Jahr 2022 weder global noch in Europa in der Lage gewesen sei, gestiegene Rohstoffpreise und Energiekosten weiterzugeben.

Der Konsumgüterriese Mars, der neben Schokoriegeln auch Lebensmittel wie den Nudel-Klassiker Miracoli und ein umfangreiches Tierfutterangebot von Whiskas bis Frolic vertreibt, wies die Vorwürfe ebenfalls zurück.

Doch gerade das Beispiel Mars zeigt, wie verhärtet gerade die Fronten sind. Deutschlands größte Supermarktkette Edeka geht die Preisforderungen von Mars nicht mit – und wird seit Monaten nicht mehr beliefert. Edeka füllt jetzt die Regallücken mit Produkten anderer Hersteller auf, das Nachsehen haben die Kundinnen und Kunden.

Experte warnt vor einseitigen Schuldzuschreibungen

Der Handelsexperte Martin Fassnacht von der Wirtschaftshochschule WHU in Düsseldorf warnte vor einseitigen Schuldzuschreibungen. „Ich glaube im Großen und Ganzen nicht, dass der Vorwurf der Preistreiberei gegenüber den Markenherstellern berechtigt ist. Das mag hier und da bei den ganz Großen zutreffen, die mit ihren starken Marken mehr Möglichkeiten haben, Preiserhöhungen durchzusetzen. Aber sonst eher nicht“, sagte er.

Wenn der Handel lautstark darüber klage, dann geht es ihm nicht zuletzt um die eigene Profilierung gegenüber den Verbrauchern. (dpa/mmü)

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