Dominique Pélicots irre Behauptung
Wenn es den Prozess nicht geben würde, wären Gisèle und ich noch glücklich
Es ist der Horror-Prozess des Jahres!
Tag sechs im aufsehenerregenden Vergewaltigungsprozess im französischen Avignon. Dem Hauptangeklagten Dominique Pélicot wird vorgeworfen, seine Frau Gisèle in Mazan über Jahre hinweg mit Schlafmitteln betäubt und gemeinsam mit mindestens 72 Männern vergewaltigt zu haben. Wie man auf solch eine irre Idee kommt, versuchen an diesem Montag Verhaltensexperten zu erklären. Dabei kommen einige furchtbare Dinge zum Vorschein – und eine merkwürdige Sichtweise des Angeklagten.

Probleme mit der Leber: Dominique Pélicot meldet sich krank
Der Verhandlungstag beginnt mit einer Krankmeldung. Pélicots Anwältin beantragt, ihren Mandanten aus medizinischen Gründen zu entschuldigen. „Er leidet seit Freitagabend unter Darmschmerzen und einer Harnwegsinfektion, hat aber keine Behandlung erhalten”, erklärt Verteidigerin Béatrice Zavarro. Der Angeklagte verpasst somit die Expertenaussagen zu seinem Psychoprofil. Und die haben es in sich.
Dominique Pélicot hatte sich im Gespräch mit Marianne Douteau, einer Persönlichkeitsanalystin, regelrecht ausgelassen, behauptet ernsthaft: Wenn es den Prozess nicht gegeben hätte, wäre alles bestens. Gisèle hätte von den Vergewaltigungen nichts gewusst und das Paar wäre weiter glücklich. Aussagen, die nicht danach klingen, als würde er das, was er getan hat, bereuen. Dabei klagte seine mittlerweile geschiedene Frau Gisèle lange über Gedächtnislücken und gynäkologische Probleme, erfuhr deren Ursache aber erst, als ihr Mann wegen eines anderen Delikts ins Visier der Justiz geriet. Die Ermittler fanden bei ihm schließlich Tausende Fotos und Videos der Vergewaltigungen.
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Missbrauch ständiges Thema in Familie – „Ich wollte nicht so sein wie mein Vater”
Laut Douteau sei die Familie von Dominique Pélicot keine normale Familie gewesen. Geldprobleme und Schulden seien omnipräsent. Auch das Elternhaus des Angeklagten entspreche nicht der Norm: Pélicots Mutter war vor seinem Vater mit dessen Bruder, also Dominiques Onkel, verheiratet. Mit neun Jahren sei Pélicot bei einem Krankenhausaufenthalt von einem Pfleger missbraucht worden. Sein Bruder Joel sagt aus, dass der Vorfall von den Eltern nicht richtig ernst genommen wurde. Das Thema sei weg geschwiegen worden, so der Bruder. Gisèle habe jedoch von dem Missbrauch an ihrem Mann gewusst.
Und: Der Vater des Hauptverdächtigen habe eine Adoptivtochter mehrfach vergewaltigt. Es wirkt ganz so, als sei der Angeklagte nicht nur früh mit sexuellem Missbrauch in Berührung gekommen, durch das Handeln seiner Eltern, speziell des Vaters, könnte eine Sicht entstanden sein, die sexualisierte Gewalt als etwas Normales abtut. Der Persönlichkeitsanalystin habe Pélicot gesagt: „Ich bin nicht wie mein Vater, ich habe meine Frau immer respektiert.” Wie das in Gisèles Ohren klingen muss, die im Saal sitzt und sich das alles anhören muss, kann man sich kaum vorstellen.
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Dominique Pélicot gesteht Psychologin die Taten
Nach der Persönlichkeitsanalystin kommt eine Psychologin, Annabelle Montagne, in den Zeugenstand. Ihr habe Dominique Pélicot seine Taten allesamt gestanden. Er habe drei bis vier Schlaftabletten Temesta ins Essen gemischt. Der Expertin sagte Dominique Pélicot auch, dass er Gisèle auf einer Online-Plattform angeboten habe.
Psychiater: „Er ist zu einem Sexsüchtigen geworden”
Laut des Gutachtens des Psychiaters Dr. Bensussan sei der 71-Jährige „sexsüchtig geworden” und habe soziopathische Züge. Die Untersuchungen zeigen, dass Pélicot eine Aversion gegen das weibliche Geschlecht habe. In etlichen Videos wird die sexuelle Degradierung seiner Frau dokumentiert. Darin erfreue er sich der brutalen Misshandlung fremder Männer auf seine Anweisung hin. Er hat seine Frau in keiner Weise beschützt, ein Kondom wurde nie benutzt.
Der Psychiater schätzt die Wiederholungsgefahr als hoch ein. Er glaubt, dass Pélicot eher weniger Chancen auf einen Therapieerfolg habe. Zu groß sei der massive Spaltungsmechansimus – er sagt, er liebe seine Frau, dabei tut er ihr schlimmste, sadistische Gewalt an. Da der Angeklagte keine erkennbare oder fortschreitende psychische Erkrankung habe, sei er voll straffähig, so der Psychiater.
Dominique Pélicot will am Dienstag aussagen
Nach der Anhörung von Gisèle Pélicot, den Angehörigen und den Ermittlern in der vergangenen Woche ist die anstehende zweite Verhandlungswoche der Anhörung der 51 Mitangeklagten gewidmet. Zuvor will sich der Angeklagte Dominique Pélicot am Dienstagnachmittag selbst äußern. Am Mittwoch werden dann die anderen angeklagten Männer befragt.