Joggerin bietet Belästiger die Stirn
Heimlich beim Joggen gefilmt – aber Anzeige durfte Yanni nicht stellen
Ein harmloser Jogginglauf wird für Yanni Gentsch zum Albtraum.
Ein Mann auf dem Fahrrad verfolgt sie durch einen Kölner Park, filmt sie heimlich – und rechtfertigt sich später mit Worten, die fassungslos machen. Yanni reagiert sofort, stellt den Mann zur Rede und hält die Konfrontation auf Video fest. Millionen Menschen sehen ihre mutige Aktion bei Instagram und TikTok. Doch was bleibt, ist eine bittere Erkenntnis: Rechtlich kann sie gegen den Mann kaum etwas tun. Am Sonntagabend sprach sie bei Stern TV darüber – und schilderte, wie machtlos sie sich in der Situation fühlte.
Gefilmt beim Joggen – Yannis mutiger Widerstand
Es ist eine Szene, die viele Frauen nur allzu gut kennen – und Yanni hat sie festgehalten:
„Dieser Mann hier ist gerade hinter mir gelaufen. Er hat mich beim Joggen gefilmt!” – „Habe ich nicht!” – „Bitte zeigen, dass es im Gelöscht-Ordner ist” – „Ich möchte sehen, dass das gelöscht ist.”
Yanni bleibt hartnäckig, trotz Angst und eines klaren Machtgefälles. „Können Sie sich vorstellen, wie viel Mut das kostet, sich hier hinzustellen und sich gegen einen Mann zu wehren, der mir körperlich absolut überlegen wäre?” Doch statt Einsicht folgen Worte, die viele als blankes Victim-Blaming (Täter-Opfer-Umkehr) empfinden.
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Video-Tipp: „Warum ziehen Sie denn so eine Hose an?”
Der Mann rechtfertigt sein Verhalten mit einem Satz, der fassungslos macht: „Warum ziehen Sie denn so eine Hose an? Gibt auch normale Hosen.” Yannis Antwort ist klar, sagt bei Stern TV: „Meine Klamotten sind keine Einladung, und wenn ich hier nackt rumlaufen würde, dürfte das keinen Unterschied machen und sollte völlig egal sein.”
Ein Satz, der tief sitzt. Und der die ganze Tragik von Alltagssexismus zeigt. Denn viele Frauen kennen genau diese Schuldumkehr. Die Frage, ob sie durch ihr Verhalten oder ihre Kleidung vielleicht selbst „Schuld” an Übergriffen tragen.
„Einfach bodenlos” – Yannis Reaktion bei Stern TV
Im Talk bei Stern TV schildert Yanni, wie sie die Situation erlebt hat.
„Es fühlte sich alles andere als ein starker Moment an, aber ich glaube, das was das Wichtigste in dieser Sekunde war, ist, dass, als ich es gemerkt habe, kickte dieses ‘Ich habe null Toleranz dafür’, so was wie frech und wie dreist. Und wie schlimm ist das? Gerade deswegen gab es da keine andere Option als voll drauf.”
Und genau dieser Moment bleibt vielen im Kopf – der Moment, als der Mann versucht, die Verantwortung für das schamlose Verhalten auf Yanni abzuwälzen.
„Es ist halt einfach bodenlos so und ich glaube, das war auch der Moment, in dem bei mir dann war reicht. Also ich hatte bis dahin so viel Aufklärungs-, Erziehungs- was-auch-immer-Arbeit gemacht mit diesem Mann, die an sich hoffnungslos ist. Aber so und dann kam das da war klar, Ich Jetzt reicht’s! Fahr weiter, lass mich in Ruhe. Was er ja dann auch nicht gemacht hat.”
Warum Yanni keine Anzeige erstatten konnte
Yanni will den Vorfall nicht auf sich sitzen lassen. Am nächsten Tag geht sie zur Polizei. Doch das Ergebnis ist ernüchternd. „Das war für mich auch völlig klar, dass ich das mache. Also da muss nicht erst was Schlimmeres passieren oder so, sondern das war ein Übergriff. Die Intention, mit der er gefilmt hat, ist, mit Bild und Ton zu hören. Und wenn es nur für die Statistik ist, dann gehe ich da hin und melde das.”
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Doch die Polizei erklärt ihr, dass sie keine Anzeige erstatten kann. „Die größte Ernüchterung war, dass ich keine Anzeige erstatten konnte. Er hat das Video nicht veröffentlicht. (...) Er hat es niemandem weitergeschickt. (...). Und ich war angezogen war. Es war keine nackte Haut im Spiel.”
Rechtsanwalt Jan Siebenhüner bestätigt: „Rein rechtlich ist das Filmen einer bekleideten Person in der Öffentlichkeit nicht strafbar – solange das Material nicht veröffentlicht oder verbreitet wird.” Das fühle sich falsch an, sagt Yanni.
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Zwei von drei Frauen erleben sexuelle Belästigung
Trotzdem bleibt das Video nicht folgenlos. Tausende Frauen schreiben Yanni. „Hauptsächlich Zuspruch. Danksagungen fürs Veröffentlichen, für den Mut, für die Courage. Ganz viele haben natürlich auch geschrieben, dass sie Gänsehaut bekommen oder weinen, wenn sie das Video sehen. Was ich kenne. Wenn ich solche Videos sehe, dann catcht mich das auch, weil man einfach die Situation kennt und es ist einfach Horror.”
Was viele Frauen aber am meisten bewegt: „Ganz viel auch: Danke fürs Ermutigen. Wenn das nächste Mal mir was passiert, bin ich wütend genug, um laut zu werden.”
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„Ich will andere Frauen ermutigen”
Yanni weiß: Die Reaktion auf ihr Video ist mehr als nur Zuspurch. Es ist der Wunsch nach Veränderung: „Bemerkbar machen. Laut werden, sich wehren und dafür sorgen, dass das Gegenüber die Person ist, die sich schämt – und die das im besten Fall nicht noch mal macht. Und ja, auch im Freundeskreis davon erzählen, damit man einfach Austausch hat.”
Zwar bleibt ihr der rechtliche Weg verwehrt, doch ihr Video hat eine Debatte ausgelöst – und das Gefühl vieler Frauen sichtbar gemacht, in solchen Situationen alleine dazustehen. Was bleibt, ist die Hoffnung, dass sich gesellschaftlich und juristisch etwas verändert – und dass mehr Frauen den Mut finden, laut zu werden. (kra)
Hilfe bei sexueller Belästigung
Wenn ihr von sexueller Belästigung betroffen seid, könnt ihr euch jederzeit an folgende Stellen wenden:
Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen: 116 016 (kostenlos, anonym, 24/7 erreichbar)
Bundesverband Frauenberatungsstellen: frauen-gegen-gewalt.de