Wenn der Fremde aus dem eigenen Umfeld kommt

RTL-Reporterin vermutete sexuellen Missbrauch: "Habe ich vielleicht sogar einen Täter geschützt?"

von Anke Reichardt

„Geh nicht mit Fremden mit!“ Diesen Satz kennen wir aus der eigenen Kindheit nur zu gut. Heute geben wir ihn den eigenen Kindern mit auf den Weg. Doch was tun, wenn es gar kein Fremder ist, der sich an unseren Kindern vergeht? „In unserer Familie? Da gibt’s sowas nicht!“, beruhigt man das eigene Gewissen immer wieder.
Doch was sollte man tun, wenn der Verdacht, dass ein Kind im persönlichen Umfeld misshandelt oder sogar sexuell missbraucht wird, immer größer wird? Wie kann man Betroffenen konkret helfen, und wie kann ich meine eigenen Kinder schützen, ohne dabei zu übertreiben?
Im Video sehen Sie, wie ein Fall im Bekanntenkreis wachgerüttelt hat.

Wie perfide die Täter teils vorgehen

Ricarda Schreiber, Kinderschutzärztin an der Kinderklinik in Singen bei Konstanz, erzählt RTL, wie perfide die Täter teils vorgehen. Es sei eben nicht nur der böse fremde Mann, dem man das von Weitem schon ansieht, sondern die Person komme häufig aus dem Umfeld der Kinder. „Wenn man sich jetzt mal als Mutter da hineinversetzt: Wem gebe ich mein Kind? Gebe ich es dem, der ein bisschen komisch aussieht, der immer unfreundlich und ungepflegt ist? Oder gebe ich es dem netten, charismatischen Menschen, mit dem man plaudern kann, der sich auch in der Nachbarschaft nett um die Kinder kümmert oder vielleicht auch hilft, wenn ich Probleme habe? Das ist eine Strategie.

Mittlerweile gibt es immer mehr solcher Kinderschutzärzte und Kinderschutzambulanzen in ganz Deutschland. An sie können sich Angehörige bei Verdachtsfällen wenden und Beratung bekommen. Falls nötig, werden hier sogar Beweise für sexuelle Übergriffe gesichert und dokumentiert.

Sexualisierte Gewalt aufdecken: Diese Tipps können helfen

Um Misshandlung und sexueller Gewalt vorzubeugen oder aufzudecken, können diese Tipps ebenfalls helfen:

  • Glauben Sie Kindern und Jugendlichen immer, wenn sie Ihnen etwas erzählen – auch wenn es vielleicht zunächst absurd klingen mag. Hören Sie zu und fragen Sie behutsam nach. Aber drängen Sie das Kind nicht!

  • Tun Sie bei einem Verdacht nichts Unüberlegtes, sprechen Sie beispielsweise nie mit dem mutmaßlichen Täter oder der Täterin. Wenn Sie unsicher sind, holen Sie sich Rat, zum Beispiel beim Hilfeportal Sexueller Missbrauch.

  • Klären Sie Kinder und Jugendliche über die Gefahren auf und stärken Sie ihr Selbstbewusstsein. Schon kleinen Kindern kann man erklären: „Dein Körper gehört nur dir“ oder „Du darfst ‘Nein’ sagen.“

Sollte zunächst ein bloßer Verdacht vorliegen, sind Fachberatungsstellen eine gute Anlaufstelle. In eindeutigeren Fällen sollten aber auch Polizei und Jugendamt informiert werden.

Denn unsere Kinder brauchen uns und sind auf den Schutz durch erwachsene, mutige Menschen angewiesen.

Lese-Tipp:Wie Eltern Warnsignale erkennen können

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(vdü)