49 Kinder werden jeden Tag sexuell missbraucht
Schluss mit der Gewalt: Hier finden Familien Hilfe
von Merle Upmann-Schiller und Christo Tatje
„Mein Opa hat immer gesagt, unser kleines Geheimnis ist etwas ganz besonderes und ich bin seine kleine Prinzessin.“ Das ist eine von vielen Aussagen der Opfer, die das Fachzentrum gegen sexualisierte Gewalt in Braunschweig im Gespräch mit RTL weitergibt. Das Erlebte immer wieder und sei es nur durch Erzählungen, zu erleben, ist für viele Opfer von sexualisierter Gewalt in der Familie eine Qual. Hilfe zu suchen und aus der Gewaltspirale heraus zu brechen, fällt vielen von ihnen noch viel schwerer, auch wenn es zahlreiche Hilfsmöglichkeiten für Betroffene gibt.
17.700 Kinder werden 2021 zum Opfer
Zwei Drittel der geschädigten Kinder sollen Mädchen sein. Häufig passieren die Übergriffe im vertrauten Umfeld und in der Familie. Die psychischen und physischen Folgen sind dabei oft nicht sichtbar. „Zum einen ist es häufig so, dass Kinder ganz lange gar nicht wissen, was ihnen da passiert. Sie wissen nicht unbedingt, dass es eine Straftat ist“, schildert Ann-Kristin Hartz vom Fachzentrum gegen sexualisierte Gewalt. „Selbst wenn sie es wüssten, besteht eben immer dieser Konflikt: Wenn ich dieses Unrecht benenne, bedeutet das ja, dass ich etwas kaputt mache, also dass ich dafür verantwortlich bin, dass die Familie ausseinanderbricht“, führt sie fort.
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90 Prozent der Täter sind männlich
In vielen der Fälle handelt es sich um Männer. Es sind meistens Väter, Großväter, Onkel, aber auch Nachbarn, die sich an den Kindern vergreifen. Aber auch Mütter oder Großmütter können Mitwissende und im schlimmsten Fall Täterinnen oder Mittäterinnen sein. „Bei sexualisierter Gewalt geht es immer um die Ausübung von Macht“, erklärt Ann-Kristin Hartz weiter. Mittels sexuelle Befriedigung, würde Macht demonstriert werden.
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Das sind die Hilfsangebote bei sexualisierter Gewalt
Für Menschen, die selbst von sexueller Gewalt betroffen sind oder einen Verdacht bei anderen geschöpft haben, gibt es folgende Hilfsangebote:
- Das Hilfe-Portal Sexueller Missbrauch: Betroffene und Angehörige finden hier Beratungsstellen und Therapieangebote direkt in ihrer Nähe
- Das Hilfe-Telefon Sexueller Missbrauch: Unter der 0800 22 55 530 erhalten Betroffene und Menschen, die einen Verdacht schöpfen Entlastung, Beratung und Unterstützung
- Die Medizinische Kinderschutzhotline: Sie richtet sich an medizinisches Fachpersonal, das mit Verdachtsfällen von Kindesmisshandlung, Vernachlässigung oder sexuellem Kindesmissbrauch konfrontiert ist
Darüber hinaus gibt es in allen Bundesländern weitere Hilfe- und Beratungsstellen.
Das Netzwerk „ProBeweis“ sichert die Beweise
Opfer die sich dazu entscheiden, ihre Vergewaltiger anzuzeigen, können kostenfrei die Unterstützung einer psychosozialen Prozessbegleitung in Anspruch nehmen. Roswita Gemke ist eine der Mitarbeiterinnen, die Mandantinnen bei Prozessen, und allem was die mit sich bringen, begleitet. Besonders bei Kindern nimmt sie sich viel Zeit, denn Prozesse können Monate, manchmal sogar Jahre dauern. „Also bei kleinen Kindern ist es oft so, dass die Bezugspersonen zuerst kommen und um Hilfe fragen. Nicht die Kinder selbst“, unterstreicht sie.
Für ein Gerichtsverfahren ist es wichtig Spuren und Befunde zu dokumentieren. Mit den Beweisen gibt es aber häufig Probleme, weil es den Betroffenen oft schwerfällt eine Anzeige zu erstatten. Einmal angezeigt, kann eine Strafanzeige nicht mehr zurückgenommen werden. Für die Opfer eine schwierige Situation. Hier hilft das Netzwerk „Pro Beweis“. Allein in Niedersachsen sind 39 Kliniken beteiligt. Betroffene können hier, unabhängig von der Polizei, ihre Befunde dokumentieren lassen. Das sichert ihnen die Möglichkeit, auch später noch gegen Täter vorzugehen.
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Ein Gerichtsprozess kann die Opfer stärken
Leider würden insgesamt weniger als 20 Prozent der Täter verurteilt, bedauert Roswitha Gemke. „Aber es ist durchaus möglich, geraden Rückens da raus zu gehen und für sich selbst so eine Erfahrung gemacht zu haben“, stellt sie durch die Erfahrungen fest. Das wichtigste sei, dass diese Menschen nicht im Stich gelassen werden und dass ihnen geholfen wird oder sie sich an eine der bundesweiten Hilfsstellen wenden. Ann-Kristin Hartz ergänzt: „Wichtig ist, solche Dinge wahrzunehmen und sie anzusprechen!“