Jennifer M. und ihre Mutter Stephanie. Zum ersten Mal nach acht Jahren sehen sich die beiden Frauen wieder vor Gericht. Wird die Mutter gegen ihre eigene Tochter aussagen, die vielleicht schon bald für Jahre hinter Gitter muss?
„Es war merkwürdig, aber dieser Mensch, der dort saß, war nicht mehr mein Kind von damals."
Was auf den ersten Blick hart und kalt klingt, hat eine lange Vorgeschichte voller Lügen und Verletzungen. Rund einen Monat hat der Prozess gegen die zweifache Mutter Jennifer gedauert. Die Heidelberger Richter sehen es als erwiesen an, dass die junge Frau ihre damals dreijährige Tochter während eines Krankenhausaufenthaltes bewusst mit Keimen infiziert hat - wahrscheinlich über Injektionen. Ein Gutachten unterstellt der 26-Jährigen eine psychische Störung, vermutlich das sogenannte Münchhausen-Stellvertretersyndrom.
„Der Patient oder die Patientin wünscht sich eine Form von Aufmerksamkeit. Manchmal steht dahinter auch das Bedürfnis, gesehen zu werden."
Schon als Teenager soll Jennifer mit erfundenen Lügengeschichten um Aufmerksamkeit gebuhlt haben. Dafür, so berichtet ihre Mutter, hat sie sogar ihren Adoptivvater der häuslichen Gewalt beschuldigt.
„Dann war sie in ihrem Zimmer. Dann hätte er sie dort gegen einen Schrank geschlagen und hätte getreten, als sie schon am Boden lag. Und all diese Vorwürfe hat sie dann tatsächlich in dem Gespräch mit der Familienhilfe wieder revidiert. Ja, vielleicht hat sie sich doch nicht so richtig gut ausgedrückt."
Am Ende blieb nur eine harte Trennung vom eigenen Kind zum Schutz der Familie. Ein Gutachten im Rahmen des aktuellen Prozesses unterstellt Jennifer eine emotional instabile Persönlichkeit. Drei Jahre Haft für die gefährliche Körperverletzung ihres eigenen Kindes und vorab mindestens ein Jahr psychiatrische Behandlung, so das aktuelle Urteil. Das hält Stephanie für angemessen.
„Aber ich fürchte tatsächlich, dass man bei der Therapie nicht sehr weit kommen."
„Warum?"
„Weil sie ja nicht das Problem ist. In ihrer Welt ist sie nicht das Problem."
Jennifers Lebensgefährte hat vor Gericht ausgesagt, die gemeinsamen Kinder würden nicht verstehen, warum sie ihre Mutter zurzeit nicht regelmäßig sehen dürfen. Schwer zu sagen, wie sie all das verkraften.
In der Zeit, als das Ganze passiert sein soll, ging es dem Mädchen natürlich sehr schlecht. Sie litt über mehrere Wochen an sehr hohem Fieber und war auch von ihrem sozialen Umfeld abgekapselt. Heutzutage soll es ihr zumindest körperlich gut gehen. Sie lebt zusammen mit ihrer Schwester und ihrem Vater bei ihren Großeltern.
Auch Stephanie hätte gerne Kontakt zu ihren Enkeln. Aber erst muss ihre eigene Tochter gesund werden. Jennifers Verteidiger hat auf Freispruch plädiert. Bis heute Abend kann er noch Revision einlegen.