Prozessauftakt in StuttgartMerve und Selin sterben bei illegalem Autorennen – Brüder wegen Mordes angeklagt

von Alicia Beisel, Larissa Thomé und Nele Hasselbusch

Zwei Frauen sterben, weil drei Männer rasen.
Die Familien von Selin und Merve treten am Freitag (3. Dezember) zum ersten Mal wieder den Männern gegenüber, die ihre Töchter und Schwestern durch ein illegales Rennen in den Tod gefahren haben sollen. Die Staatsanwaltschaft spricht von Mord. Warum diese Anklage so schwer wiegt, seht ihr im Video.

Die letzten Sekunden im Leben von Selin und Merve

Merve (23) sitzt am Steuer, die 22-jährige Selin daneben. Sie wollen um kurz nach 20 Uhr nur Getränke an einer Aral-Tankstelle holen. Als sie auf die Straße einbiegen, rauschen zwei Mercedes-Limousinen mit bis zu 150 km/h heran – erlaubt wären 50. Fahrer Gürkan beschleunigt noch einmal, obwohl er nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft genau weiß, dass er keine Sicht auf die Ausfahrt hat. Der Abstand zu seinem Bruder Ismail hinter ihm: gerade einmal 0,7 Sekunden. Dann der Einschlag.

Lese-Tipp: Merve und Selin finden nebeneinander ihre letzte Ruhe

Der Mercedes kracht mit 128 km/h in den kleinen Wagen der jungen Frauen. Das Auto wird zwischen eine Mauer und zwei Bäume geschleudert und überschlägt sich. Beide Frauen sind eingeklemmt und erleiden ein Polytrauma, die vollständige Ablösung des Gehirns. Noch am Unfallort stellen Ärzte ihren Tod fest. Ein Zeuge sagt später: „Der Täter hat auch gar nicht versucht, richtig abzubremsen.”

Video-Tipp: Merve und Selin sterben durch Raserei

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Staatsanwalt spricht von „bedingtem Tötungsvorsatz”

Im Landgericht Stuttgart sitzen die Familien von Selin und Merve in den ersten Reihen, ganz viele in schwarz gekleidet. Als die Angeklagten hereingeführt werden, ballen manche von ihnen die Fäuste und halten sich an den Händen fest. „Die Staatsanwaltschaft Stuttgart wirft beiden Fahrern vor, mit bedingtem Tötungsvorsatz gehandelt zu haben. Das heißt, sie haben die mögliche Folge für die beiden Frauen vorhergesehen und auch billigend in Kauf genommen”, sagt Staatsanwalt Patrick Fähnle im Interview mit RTL.

Merves (23) und Selins junge Leben wurden durch ein illegales Autorennen in Ludwigsburg brutal ausgelöscht.
Merves (23) und Selins junge Leben wurden durch ein illegales Autorennen in Ludwigsburg brutal ausgelöscht.
Privat

Die Anklage gegen die drei Beschuldigten lautet: gemeinschaftliches verbotenes Kraftfahrzeugrennen, Mord in zwei Fällen, versuchter Mord, Gefährdung des Straßenverkehrs. Gürkans Mercedes S550 wurde eingezogen. Sein Bruder Ismail sei laut Anklage vom Unfallort geflüchtet. Er habe nicht gebremst, sei nicht ausgewichen, sagt die Staatsanwaltschaft. Nur Zufall habe verhindert, dass auch er die Frauen rammte. Nach dem Unfall wechselte er laut Ermittlungen die Kleidung und mischte sich dann unter Merves und Selins Familien. Ohne zu sagen, dass er beteiligt gewesen ist. Cousin Kerim saß bei Ismail mit im Auto, zählte das Rennen herunter und filmte.

Die Angeklagten schweigen

Keiner der Männer äußert sich am ersten Prozesstag zur Tat. Statement sollen später folgen. Als Bilder vom Unfall gezeigt werden, wendet sich der Richter an die Nebenklage, die Familien von Selin und Merve und bietet ihnen die Möglichkeit, den Saal zu verlassen: „Es ist für Sie weiß Gott als Familie sehr belastend.”

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Das Verfahren wird am Montag (8. Dezember) fortgesetzt. Dann sollen Zeugen gehört werden, die die gefährlichen Fahrten in Ludwigsburg an jenem Abend im März beobachteten – und das Gericht wird prüfen müssen, ob diese Todesfahrt tatsächlich als Mord gewertet werden kann.

Verwendete Quellen: eigene RTL-Recherche