Für einen entspannten und positiven Umgang mit Essen
Zucker für alle! Marie Nasemann: "Wir schei*en auf Ernährungsregeln"
„Jetzt gibt‘s kein Eis, gleich gibt es Abendessen“ oder „Probier doch wenigstens mal das Gemüse!“ Bei Model und Schauspielerin Marie Nasemann und ihrem Ehemann Sebastian Tigges gibt es diese Sätze zuhause trotz zwei kleiner Kinder nicht. Darauf gebracht hat sie das Buch „Dein Kind isst besser, als du denkst!“* von Katharina Fantl und Julia Litschko, wie das Paar in seinem Podcast „Family Feelings“ erzählt. Konkret bedeute das: Für einen entspannten, positiven und ungezwungen Umgang mit Essen wird im Hause Nasemann/Tigges auf Ernährungsregeln verzichtet. Und das bedeutet auch: „Zucker für alle!“
Was hinter dem Konzept steckt – und warum wir dem inneren Ernährungskompass unserer Kinder mehr vertrauen sollten.
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Fokus auf gesunde Ernährung ruiniert das natürliche Essverhalten des Kindes
So sehr sich die verschiedenen Familien unterscheiden, eines eint alle Eltern: Sie wollen in jeder Hinsicht das Beste für ihr Kind. Das gilt auch für die Ernährung. Und die meisten Eltern haben auch ein genaues Bild davon im Kopf, was eine gute Ernährung – nicht nur, aber erst recht für Kinder - ausmacht: täglich Obst und Gemüse, Vollkornprodukte (Vollkornbrot, -brötchen, -nudeln und -reis), fettarme Milchprodukte und Wasser als Durstlöscher. Fleisch und Fisch sollten zwei bis drei Mal pro Woche auf den Tisch kommen, Süßes so selten wie möglich, maximal einmal pro Trag. So empfehlen es die Ernährungspyramide des Bundeszentrums für Ernährung und das Forschungsdepartment Kinderernährung (FKE).
Die Realität sieht jedoch häufig anders aus. Vor allem Kleinkinder akzeptieren oft nur eine relativ kleine Auswahl an Lebensmitteln. Viele könnten sich zum Beispiel monatelang nur von Spaghetti mit Tomatensauce, Toast, Fischstäbchen, Mandarinen oder Gummibärchen ernähren. Und genau das versetzt viele Eltern regelrecht in Panik, weil sie befürchten, dass diese einseitige Ernährung bei ihrem Kind früher oder später zu Mangelerscheinungen führen wird.
Lese-Tipp: Ratgeberbuch für Eltern im Check: Ist Ihr Kind ein "Picky Eater"?
In ihrem Buch „Dein Kind isst besser, als du denkst“ wollen die beiden Autorinnen Katharina Fantl und Julia Litschko mit genau diesem Irrglauben aufräumen. Ihrer Meinung nach ruiniert gerade der Fokus auf gesunde Ernährung das natürliche Essverhalten unserer Kinder. Daher wollen sie Eltern darin bestärken, dem inneren Ernährungskompass ihres Kindes zu vertrauen. Doch wie kann das gelingen?
Kinder haben von Geburt an ein natürliches Gespür für Hunger, Sättigung, Appetit und Bekömmlichkeit
Viele Eltern haben im Kopf, wie wichtig die Ernährung in den ersten Tausend Lebenstagen ist. Und das stimmt auch: Was Kinder früh von ihren Eltern und auch in Kita oder der Tagespflege vorgelebt bekommen, verinnerlichen sie. Das gilt nicht nur, aber auch für die Ernährung. Aber so gesund sich die eigenen Eltern und das nähere Umfeld auch ernähren, es wird immer wieder Kinder geben, die dennoch gewisse Lebensmittel ablehnen oder sich phasenweise nur von einer Handvoll Lebensmittel ernähren.
Was dabei häufig außer acht gelassen wird: Kinder haben von Geburt an ein natürliches Gespür für Hunger, Sättigung, Appetit und Bekömmlichkeit. Wenn man sie lässt, essen sie, wenn sie hungrig sind und hören auf zu essen, sobald sie satt sind. Im Gegensatz zu den meisten Erwachsenen funktioniert der Hunger-Sättigungs-Mechanismus bei ihnen sehr gut. Dieser wird meist erst durch die Rituale der Eltern wie feste Essenszeiten oder Vorgaben wie „Marmeladenbrot gibt es nur zum Frühstück, nicht aber zum Abendessen“ oder „Den Schokopudding bekommst du erst, wenn du dein Gemüse aufgegessen hast“ aus dem Rhythmus gebracht. Und genau dafür wollen Fantl und Litschko sensibilisieren: Ihrer Überzeugung nach braucht gesundes Essverhalten keine Kontrolle, sondern Vielfalt, Freude und Vertrauen.
Das von ihnen entworfene confidimus-Prinzip stellt die innere Stimme unserer Kinder über gesellschaftliche Zwänge zum Thema Ernährung. „Denn Kinder machen in puncto Ernährung intuitiv sehr vieles richtig: Sie essen mit Freude und undogmatisch, wenn der Hunger sich meldet, und sie hören auf, wenn der Körper sagt: Stopp, ich bin satt“, so die Buchautorinnen.
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"Kinder verlassen sich beim Essen auf ihr Bauchgefühl"
Laut Fantl und Litschko, die beide auch Kinder haben, führen Ernährungsvorgaben wie „fünf Portionen Obst und Gemüse pro Tag“ nicht dazu, dass Kinder ein gesundes Essverhalten entwickeln. Sie bewirkten eher das Gegenteil, denn sie setzten Eltern unter Druck, weil Kinder in den allermeisten Fällen nicht so essen, wie Ernährungsexperten es empfehlen.
„Kinder orientieren sich nicht an Regeln und Vorgaben, sie verlassen sich beim Essen auf ihr Körpergefühl. Es ist ihnen gleichgültig, ob Experten fünf Mahlzeiten pro Tag empfehlen: Wenn sie nachmittags nicht hungrig sind, essen sie nichts – es sei denn, die Eltern bestehen darauf“, schreiben die Ernährungstrainerin für somatische Intelligenz in ihrem Buch. „Wenn sie Durst haben, trinken sie viel. Wenn das Vollkornbrot ihnen Bauchschmerzen bereitet, lassen sie verständlicherweise die Finger davon.“
Starre Ernährungsregeln brächten diesen inneren Kompass häufig aus dem Gleichgewicht. Viele Eltern verlieren nach Ansicht der Expertinnen die körperlichen und seelischen Bedürfnisse ihrer Kinder aus den Augen, beim Versuch, die Vorgaben und Regeln zu erfüllen. Dass kleine Esser Lebensmittel ablehnen oder sich phasenweise einseitig ernähren, sei meist entwicklungsbedingt. „Indem Eltern ihre Kinder hier vertrauensvoll und achtsam begleiten, helfen sie ihnen, langfristig ein entspanntes Verhältnis zum Essen zu entwickeln“, sind Fantl und Litschko überzeugt.
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Eltern sollten darauf vertrauen, dass sich ihr Kind nimmt, was es braucht
Die beiden Autorinnen erklären, wie Eltern ihr Kind auf liebevolle und wertschätzende Weise dabei begleiten können, ohne Druck und Zwang ein unbeschwertes und gesundes Essverhalten zu entwickeln: „Sie unterstützen Ihr Kind dabei, Hunger und Sättigung zu spüren und erlauben ihm, auf die natürlichen Signale seines Körpers zu vertrauen. Sie verzichten darauf, Ihr Kind beim Essen zu bevormunden, sondern ermutigen es, seinen Körper wertzuschätzen. Und wenn der Körper Ihres Kindes sagt: „Bitte keinen Brokkoli!“, dann akzeptieren Sie das und bestärken Ihr Kind darin, nur das zu essen, was ihm gut schmeckt und auch gut bekommt.“ Eltern sollten darauf vertrauen, dass sich ihr Kind nimmt, was es braucht. „Sie bieten ihm viele verschiedene Lebensmittel an und lassen es auch mal über die Stränge schlagen, weil Sie wissen: Jede Erfahrung prägt sich ein.“ Denn nicht Kontrolle mache Kinder stark, sondern das Loslassen.
Dabei aber sei Konsequenz wichtig. „Es ist nicht vertrauensbildend, wenn Sie Ihr Kind bei den (vermeintlich) gesunden Lebensmitteln frei wählen lassen, während Sie die ungünstigen Lebensmittel strikt begrenzen. Entweder wir entscheiden uns für das Vertrauen in unsere Kinder und lernen loszulassen, oder wir bleiben bei unserem starren Regelwerk.“ Zumal es die eine gesunde Ernährungsweise nicht gebe.
Auch der Gesundheitswissenschaftler Thomas Frankenbach bestätigt: „Jeder Mensch ist einzigartig und hat individuelle Ernährungsbedürfnisse. Und die können sehr unterschiedlich ausfallen. Allein schon die Genetik und die jeweilige Lebenssituation sorgen dafür, dass Nahrung, die dem einen Menschen gut tut, beim anderen bereits die Ursache für gesundheitliche Probleme sein kann.“ Beispiele, die dies belegen, sind Stoffwechselerkrankungen wie Zöliakie, Phenylketonurie oder Gicht, die einen Verzicht auf bestimmte Lebensmittel erfordern.
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Kinder brauchen ehrliche Vorbilder - mit Stärken und Schwächen
Bei alledem komme Eltern eine Vorbildfunktion zu. Allerdings raten die Autorinnen Eltern dazu, authentisch statt perfekt zu sein. Kinder bräuchten ehrliche Vorbilder, die Stärken und Schwächen haben und diese auch zulassen: „Es ist okay, wenn wir selbst manche Lebensmittel nicht mögen. Auch dann, wenn sie als besonders gesund gelten. Es ist legitim, keinen Hunger zu haben. Eine schöne, gemeinsame Zeit am Familien-Esstisch ist dennoch möglich. Es ist auch legitim, großen Hunger zu haben. Es ist legitim, Lust auf Süßes oder Salziges zu haben – vorausgesetzt, wir gestehen dies auch unseren Kindern zu.“ So habe es eine große Signalwirkung für unsere Kinder, wenn Eltern nicht essen, weil sie schlicht und ergreifend nicht hungrig sind.
Wichtig sei, sich klar zu machen, dass das eigene Kind nicht etwa verwöhnt, verzogen oder launisch ist, wenn es keine Erdbeeren isst oder Tomaten konsequent verweigert. In den allermeisten Fällen gebe es körperliche Gründe dafür, dass Menschen bestimmte Lebensmittel nicht mögen. Übrigens: Untersuchungen zeigen, dass wählerische Esser genauso schnell wachsen wie Kinder, die gerne vielseitig essen, und dass selektive Esser nur in den seltensten Fällen Mangelerscheinungen entwickeln.
„Das sollte aber nicht dazu führen, dass Sie bestimmte Lebensmittel, die Ihr Kind bisher abgelehnt hat, nicht mehr anbieten“, stellen die Experten klar. „Denn sowohl Bekömmlichkeit als auch Geschmacksvorlieben Ihres Kindes verändern sich – auch und gerade durch wiederholtes Anbieten und Probieren.“
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Mehr Gelassenheit am Esstisch - so klappt es!
Für viele Eltern und Kinder bedeutet essen Stress: Das eigene Kind isst in den Augen vieler Eltern zu wenig, zu einseitig, zu viel oder zu ungesund. Das führt nicht oft zu Diskussionen, in denen Kompromisse ausgehandelt werden, manchmal auch zu regelrechten Machtkämpfen. Auf diese Weise bleiben Genuss und Spaß am Essen auf der Strecke.
Die folgenden Tipps sorgen für mehr Gelassenheit am Esstisch:
- Vertrauensvorschuss
Lassen Sie Ihr Kind frei wählen, was es essen möchte.
- Hauptsache, es schmeckt
Teilen Sie Lebensmittel nicht in gesund und ungesund ein. Wer erst dann ein Eis essen darf, wenn der den Brokkoli aufgegessen hat, wird Brokkoli mit Zwang und Druck assoziieren. Und zwar auch dann noch, wenn das Kind seinen Geschmack ändert – und das passiert sehr häufig. Behandeln und bewerten Sie Lebensmittel möglichst neutral.
- Vielfalt ist Trumpf
Indem sie ihren Kindern viele verschiedene Lebensmittel anbieten, fördern Eltern die Körperwahrnehmung der Kinder. Denn je mehr Lebensmittel Kinder kennen, umso besser können sie einschätzen, was sie gerade brauchen.
- Jeder isst, was er möchte
Wenn es beispielsweise Fischstäbchen mit Kartoffeln und Spinat gibt, können die Kinder bereits zwischen drei verschiedenen Lebensmitteln wählen. Wenn Sie zusätzlich noch ein Brot vorrätig haben, ist die Auswahl meistens schon groß genug. Und nun gilt das Prinzip: Jeder isst, was er möchte.
- Aus einseitig wird vielfältig
Es braucht oft bis zu 15 Anläufe, bis ein unbekanntes, aber bekömmliches Lebensmittel gut schmeckt. Das ist normal und kein Grund zur Sorge. Lassen Sie sich trotzdem nicht entmutigen und bieten Sie weiterhin Vielfalt an, dann wird sich das Spektrum bevorzugter Lebensmittel sukzessive erweitern.
- Finden Sie einen neuen Fokus
Lenken Sie Ihren Fokus am heimischen Esstisch auf ein fröhliches Zusammensein, tauschen Sie sich über Ihren Tag aus und reden Sie über all die Themen, die Ihre Kinder bewegen. Perfekt ist, wenn gar keine Aufmerksamkeit darauf gelegt wird, wer wie viel isst.
- Bitte nicht ablenken lassen
Legen Sie Ihr Smartphone weg, essen Sie nicht vor dem Fernseher, nehmen Sie Spielsachen vom Tisch. Je weniger Außenreize auf Ihr Kind einströmen, desto besser kann es sich und seine Körpersignale spüren.
- Essen Sie mit Freude und undogmatisch
Ein Schauspiel durchschauen Kinder sofort und fühlen sich dann schnell „für dumm verkauft“. Wenn Sie als Eltern also keinen Hunger haben, dann essen Sie nicht. Damit schaffen Sie ein gutes Vorbild, denn Ihr Kind lernt, dass es in Ordnung ist, auf die eigenen Bedürfnisse zu schauen, und es nicht aus Gründen der Höflichkeit oder des Anstands essen muss. Wenn Sie aber hungrig sind und Ihr Essen Ihnen sehr gut schmeckt, dann dürfen Sie dies ruhig entsprechend zelebrieren – auf ehrliche Art und Weise.
Wenn Sie diese Tipps beherzigen, ist der erste entscheidende Schritt zu mehr Entspannung beim Essen getan. (nri/akr)
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