Der Weg zur Diagnose ist für viele Patienten lang
Zöliakie-Checkliste: Diese Symptome deuten auf eine Glutenunverträglichkeit hin
Von Mireilla Zirpins
Selbst für Mediziner ist sie nicht leicht zu diagnostizieren - die Autoimmunkrankheit Zöliakie, eine chronische Erkrankung, die auf einer lebenslangen Unverträglichkeit gegenüber dem Klebereiweiß Gluten beruht. Welche Beschwerden darauf hindeuten könnten, dass Sie oder Ihr Kind betroffen sind, wie die Diagnose durch den Arzt erfolgt und was dann zu tun ist, erklären wir Ihnen in diesem Artikel.
Welche Symptome können auf eine Zöliakie hinweisen?
Früher ging man davon aus, dass die Betroffenen Magen-Darm-Beschwerden haben und einen aufgeblähten Bauch, der besonders bei mageren Kindern charakteristisch hervorsteht. Das ist aber längst nicht immer der Fall. Immer häufiger stellen Hausärzte, Internisten und Gastroenterologen eine Zöliakie auch bei Menschen fest, die diese Symptome nicht zeigen. Dafür entdecken sie Symptome, die auch für andere Krankheiten typisch sind, wie zum Beispiel Wachstumsstörungen. Bauchschmerzen und Durchfälle. Übelkeit und ein Blähbauch treten auch bei anderen Lebensmittelunverträglichkeiten wie Laktoseintoleranz oder Fructosemalabsorption auf. Manche Patienten haben sogar mehrere Intoleranzen.
„Wir wissen auch, dass Menschen häufiger über Depressionen klagen, solange die Zöliakie noch nicht erkannt ist“, erläutert Dr. Claudia Wiedemann, Vorstandsvorsitzende der Deutschen Zöliakie Gesellschaft (DZG). „Oft ist die Zöliakie auch eine Begleiterkrankung von Diabetes oder Schilddrüsen-Autoimmunkrankheiten wie Hashimoto. Menschen mit diesen Erkrankungen haben ebenfalls eine 5 bis 10 Prozent höhere Wahrscheinlichkeit, auch eine Zöliakie auszubilden.“ Das Wichtigste ist für die Expertin daher eine saubere Diagnostik durch einen Fachmann.
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Welche Anzeichen auf Glutenunverträglichkeit hindeuten
Diese Symptome könnten darauf hindeuten, dass Sie an einer Glutenunverträglichkeit leiden:
- Durchfall
- Bauchschmerzen
- Erbrechen
- Blähungen
- Vorgewölbter Bauch
- Verstopfung
- Appetitlosigkeit
- Gewichtsverlust
- Wachstums- oder Entwicklungsstörung bei Kindern
- Blässe
- Muskelschwäche
- Übellaunigkeit
- Weinerlichkeit
- Müdigkeit
- Depressionen
- Eisenmangel
Weitere Zöliakie-Symptome können sein:
- Schlaflosigkeit
- Konzentrationsstörungen
- Migräne
- Kopfschmerzen
- Koordinationsstörungen
- Zahnschmelzdefekte
- Häufige Mundaphthen
- Osteoporose
- Erhöhte Leberwerte
- Nährstoffmangel, etwa ein Mangel an Vitamin D, Folsäure, Zink, Calcium
- Verzögerter Eintritt der Pubertät
- Vorzeitiger Beginn der Wechseljahre
- Verminderte Fruchtbarkeit (bei Frau und Mann)
- Komplikationen während der Schwangerschaft, z.B. Untergewicht des Babys
- Früh- oder Fehlgeburt(en)
- Hautkrankheit Dermatitis herpetiformis Duhring
Zöliakie-Betroffene leiden oft auch an weiteren Erkrankungen wie...
- Lactoseintoleranz
- Fructosemalabsorption
- Andere Nahrungsmittelintoleranzen oder -allergien
- Diabetes mellitus Typ 1
- Schilddrüsenerkrankungen, unter anderem Hashimoto
- Andere entzündliche Darmerkrankungen
- Krebserkrankungen
Manche Patienten haben gar keine Symptome bei der Zöliakie
Und es gibt auch Patienten, die gar keine Symptome haben und bei einem Familienscreening positiv getestet werden. „Verwandte ersten Grades haben eine fünf- bis zehnprozentig höhere Chance, eine Zöliakie auszubilden“, klärt die DZG-Vorstandsvorsitzende auf. „Man muss ein bestimmtes Gen überhaupt erstmal haben, um die Krankheit bekommen zu können.“
Da die Veranlagung, an Zöliakie erkranken zu können, genetisch dominant weitergeben wird (über zwei Gene, die HLA-DQ2 und HLA-DQ8 heißen), wird empfohlen, die Verwandten ersten Grades ebenfalls zu testen, auch wenn sie keine Symptome haben, also die Eltern, Kinder und Geschwister des Betroffenen. Bei Patienten mit Diabetes 1, Hashimoto, Down- oder Ullrich-Turner-Syndrom und Morbus Basedow wird empfohlen, sie ohne Symptome ebenfalls zu testen.
Wie geht der Arzt bei der Diagnostik vor?
Der Arzt wird zunächst mit Ihnen über die Symptome sprechen, um auszuschließen, dass es sich um einen akuten Infekt oder eine andere Erkrankung handelt. „Oft ist eine Zöliakie nicht das erste, an das Arzt und Betroffene denken“, hat Dr. Wiedemann beobachtet. Die meisten haben die Beschwerden schon länger und oft schon eine richtige Leidensgeschichte hinter sich, vor allem, wenn ihre Symptome auch ein Anzeichen für andere Erkrankungen sein können.
Der erste Schritt der Diagnostik ist ein Antikörper-Test. Hierzu wird Ihnen Blut abgenommen. Das Allerwichtigste ist, dass der Patient sich unbedingt vorher glutenhaltig ernährt hat, und zwar mindestens vier Wochen lang, am besten sogar zwei bis drei Monate lang. Umfassend glutenhaltig ernähren heißt, als Erwachsener 20 Gramm Gluten pro Tag zu sich zu nehmen. Also mindestens 3 bis 5 Scheiben Brot oder über Glutenpulver in der Nahrung. Sonst ist der Test nicht aussagekräftig. Denn es werden die Antikörper untersucht. Die kann der Körper aber nur bilden, wenn er über einen längeren Zeitraum mit Gluten „belastet“ wird. Bei Kindern sollte der Arzt die Menge passend zum Körpergewicht berechnen.
Antikörper-Bluttest und Dünndarm-Biopsie, um Zöliakie festzustellen
Das Labor untersucht in der Regel die Gewebstransglutaminase-Antikörper, manchmal auch die Endomysium-Antikörper. Wichtig ist, dass dabei unbedingt auch der Gesamt-IgA-Wert bestimmt wird. Ist er unterhalb des Normwerts, sind die anderen beiden Werte nicht aussagekräftig. Dann können notfalls IgG-Antikörper gegen Gewebstransglutaminase und Gliadin bestimmt werden, sofern der Patient nicht auch noch eine IgG-Schwäche hat.
Sind die Antikörper erhöht oder eine Antikörperbestimmung wegen einer IgA- oder IgG-Schwäche nicht zuverlässig, wird eine Dünndarmbiopsie durchgeführt – ein Eingriff, bei dem der Patient sediert wird und ihm wie bei einer Magenspiegelung eine Sonde durch die Speiseröhre und den Magen eingeführt wird. Dabei werden aus dem Duodenum, dem Zwölffingerdarm, mindestens fünf Proben entnommen und ins Labor geschickt. Je nach Beschwerden entnehmen die Mediziner noch Proben aus Speiseröhre und Magen, um zum Beispiel eine bakterielle Infektion auszuschließen.
Bei Kindern kann auf diesen Eingriff neuerdings verzichtet werden, wenn zwei Antikörperwerte bei zwei unabhängigen Blutuntersuchungen das Zehnfache des Grenzwerts überschreiten und die Kinder Symptome zeigen sowie eins der oben genannten Gene aufweisen.
Die Deutsche Zöliakie Gesellschaft (DZG) bietet auf ihrer Website Diagnostik-Flyer zum Ausdrucken an. Diese können Sie zum Arzt mitnehmen. In diesen Faltblättern ist genau erklärt, welche Laborwerte der Arzt ermitteln lassen muss. Sollten Sie aber schon beim Vorgespräch das Gefühl haben, dass Ihr Arzt sich nicht so gut mit Zöliakie auskennt oder Ihr Bauchgefühl nicht ernst nimmt, lassen Sie sich lieber zu einem Spezialisten überweisen, zum Beispiel zu einem Internisten, der auf Magen-Darm- oder Autoimmunkrankheiten spezialisiert ist oder einem Gastroenterologen, rät Dr. Wiedemann. Viele Kliniken bieten auch Sprechstunden in ihren Spezialambulanzen an.
Ist der Zöliakie-Test positiv: Jetzt erst mit der Diät beginnen - unter fachkundiger Anleitung
Sollte der Zöliakietest positiv ausfallen, wird der Arzt Ihnen raten, ab sofort komplett und ein Leben lang auf jegliche Form von Gluten zu verzichten. Schon ein Krümel kann den Darm von Zöliakie-Patienten schädigen. Das klingt knallhart, aber anders bekommt man die Krankheit nicht in den Griff. Glutenhaltiges weglassen oder durch Glutenfreies ersetzen ist hier die einzige Lösung.
Hier stellen wir Ihnen Bücher vor, die Ihnen helfen können, das glutenfreie Backen zu erlernen oder mit glutenfreiem Mehl ihr Brot selbst zu backen – außen knusprig und innen saftig. Auch fürs glutenfreie Kochen haben wir guten Rat und eine Reihe hilfreicher Bücher.
Wenn Sie nicht der Typ sind, der sich das ganze Wissen in Büchern, im Internet oder in Betroffenen-Foren anliest und beherzigt, kann eine Ernährungsberatung sinnvoll sein. Sprechen Sie vorher mit Ihrer Krankenkasse, ob eine Kostenübernahme oder -beteiligung möglich ist. Gerade bei Kindern sind viele Kassen aufgeschlossen. Erkundigen Sie sich unbedingt vorher, ob der Berater oder die Beraterin sich je nach Diagnose mit Zöliakie, ATI-Sensitivität oder Weizenallergie auskennt.
„Wenn ich dann nach einer medizinisch fundierten Diagnose die Diät einhalte, kann ich anhand der Antikörper feststellen, ob sie auch wirkt“, stellt Dr. Wiedemann die Vorteile heraus.
Ist der Zöliakie-Test negativ, stehen unter Umständen weitere Tests an
Sollte der Zöliakietest negativ sein, Sie aber weiterhin den Eindruck haben, dass Sie glutenhaltige Produkte nicht vertragen, wird der Arzt abklären, ob Sie an einer Weizenallergie oder einer so genannten ATI-Sensitivität, einer Unverträglichkeit von anderen Weizeneiweißen leiden – vor allem mittels einer Auslassdiät mit Ernährungstagebuch. Dabei lassen Sie eine Weile strikt glutenhaltige Lebensmittel weg, bis Sie beschwerdefrei sind und testen dann aus, wie viel Sie vertragen. Dr. Wiedemann betont, wie wichtig hierbei ein erfahrener Mediziner ist.
Ganz wichtig ist, dass die Zöliakie-Diagnose als Erstes erfolgt, weil man unbedingt vorher ausreichend Gluten zu sich genommen haben muss. Viele Menschen, denen es ohne Gluten besser geht, haben nämlich danach keine Lust mehr, Gluten wieder auf ihren Speiseplan zu nehmen, weil sie die Rückkehr der Beschwerden fürchten. Das ist zwar verständlich, aber durch eine solche möglicherweise falsche „Selbstdiagnose“ mit freiwilligem Verzicht nimmt man sich die Möglichkeit, herauszufinden, ob eine Zöliakie die Ursache für die Beschwerden ist oder „nur“ eine ATI-Sensitivität. Unter Umständen mit fatalen Folgen. Für Menschen mit ATI-Sensitivität besteht keine Gefahr durch Kontamination. Sie können ohne größere Sicherheitsvorkehrungen im Restaurant ein Gericht ohne glutenhaltige Zutaten bestellen. Sollten sie aber unentdeckt an einer Zöliakie leiden, würden schon die Krümel den Darm schädigen und das Risiko erhöhen, die Darmzotten weiter zu schädigen oder später an Darmkrebs zu erkranken.
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