Mehrere Tote in Hamburg

Todes-Schüsse bei Zeugen Jehovas: So lief der Amoklauf ab

Hamburg steht unter Schock. Bei einer Amoktat schießt ein Täter am Donnerstagabend in einer Veranstaltung der Zeugen Jehovas um sich – es sterben mindestens acht Menschen, darunter auch ein ungeborenes Baby. Weitere acht werden verletzt. Die Polizei ermittelt zu den Hintergründen. Was bisher über die Tat in Hamburg Alsterdorf bekannt ist – und was nicht.
UPDATE: Ungeborenes Baby unter den Todesopfern des Hamburger Amoklaufs

Im Video: Erschreckende Details in Pressekonferenz geschildert

Schneller Polizeieinsatz rettete wohl Menschenleben in Hamburg

In einer Pressekonferenz am Freitagmittag teilten Ermittler und Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) erschreckende Details zu dem Amoklauf mit.

Bereits vor der Pressekonferenz dankte der SPD-Politiker den Einsatzkräften. „Mein ausdrücklicher Dank geht an die Polizei Hamburg, die sehr schnell vor Ort war und die diese extrem herausfordernde Lage hochprofessionell und umsichtig bewältigt hat“, sagt Grote. Sein Dank gilt ebenfalls der Feuerwehr für deren schnellen und beherzten Einsatz.

Was über den Amokläufer Philipp F. bekannt ist, lesen Sie hier.

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Amoklauf in Hamburg: Was genau ist passiert?

Am Donnerstag kurz vor 21 Uhr fallen in einem Gebäude der Zeugen Jehovas mehrere Schüsse. Die Polizei wird darüber durch zahlreiche Anrufe informiert. Einsatzkräfte sind schnell am Tatort, darunter auch eine Unterstützungseinheit für besondere Einsatzlagen, die zufällig in der Nähe ist.

Die Beamten der USE waren kurz davor, Feierabend zu machen. Als die ersten Schüsse fielen waren sie glücklicherweise aber noch im Dienst und nur Minuten vom Tatort entfernt. Sie konnten den Amokschützen von den Gemeindemitgliedern der Zeugen Jehovas trennen. Kurz darauf entdeckten die Beamten den leblosen Tatverdächtigen weiter oben im Gebäude.

So ging Amoktäter Philipp F. bei der Tat vor

Einer Anwohnerin zufolge soll es vier Schussperioden mit jeweils mehreren Schüssen gegeben haben. Ein Augenzeuge filmte den Schützen – er hörte mindestens 25 Schüsse, wie er im Interview erklärt.

Laut Polizei eröffnete der Todesschütze auf einem Parkplatz vor dem Gebäude das Feuer auf eine Frau in einem Auto. Sie konnte leicht verletzt fliehen und die Polizei verständigen. Der Tatverdächtige Philipp F. soll dann erst durch ein Fenster auf die Menschen im Gebäude geschossen haben, dann sei er weiter schießend in die Versammlung der Zeugen Jehovas eingedrungen. Erst die Polizei konnte das Blutvergießen stoppen.

Amoklauf in Hamburg: Wie viele Opfer gibt es?

Nach Polizeiangaben vom Freitagmorgen sind acht Menschen getötet worden, darunter offenbar auch der mutmaßliche Täter Philipp F. Acht weitere Menschen wurden verletzt. Bei den Todesopfern handelt es sich um vier Männer und zwei Frauen im Alter von 33 bis 60 Jahren sowie einen weiblichen Fötus im Alter von 28 Wochen.

Die Mutter des ungeborenen kleinen Mädchens überlebte verletzt, bestätigten die Behörden. Alle Getöteten und die meisten Verletzten hätten die deutsche Staatsbürgerschaft. Unter den Verletzten sind auch zwei Frauen aus der Ukraine und aus Uganda, so die Polizei.

Ein Sprecher der Zeugen Jehovas bestätigte, dass an dem Abend ein Gottesdienst mit 36 Anwesenden in dem Gebäude stattgefunden habe. Weitere 25 Personen seien digital dazugeschaltet gewesen. Rund 20 Menschen wurden von der Polizei unverletzt in Sicherheit gebracht und psychologisch betreut.

Was wissen wir über den mutmaßlichen Täter und das Motiv?

Philipp F. (35) soll der Amokschütze von Hamburg sein
Laut RTL-Informationen handelt es sich bei dem Foto um Philipp F.
privat

Auf Twitter gibt die Polizei Hamburg in der Nacht zu Freitag bekannt: „Nach aktuellem Sachstand gehen wir von einem Täter aus.“ Eine Anwohnerin sprach von einem dunkel gekleideten Mann, der hektisch durch das Treppenhaus des Gebäudes lief. Zum Alter konnte sie nichts sagen.

Der 35 Jahre alte Philipp F. wurde laut Polizei in Memmingen geboren und studierte in München Finance & Controlling. Er soll ein ehemaliges Mitglied der Gemeinde der Zeugen Jehovas in Groß Borstel sein. Der 35-Jährige habe diese vor eineinhalb Jahren freiwillig, aber offensichtlich nicht im Guten verlassen, hieß es. Es gebe Hinweise auf Streitigkeiten innerhalb der Glaubensgemeinschaft.

Philipp F. sei nicht polizeilich registriert gewesen. Er habe die Tatwaffe – eine halbautomatische Pistole – legal besessen. Der Täter soll insgesamt neun Magazine mit je 15 Schuss abgefeuert haben. Auch in seiner Wohnung sei massenweise Munition sichergestellt worden.

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Wie geht es jetzt bei den Ermittlungen weiter?

Die Polizei ermittelt weiter mit Hochdruck. Denn noch ist unklar, was genau das Tatmotiv war. Die Behörden bestätigten, dass sie vor der Tat anonyme Hinweise zu einer möglichen psychischen Erkrankung des Verdächtigen erhalten haben. F. habe laut dem Schreiben eine besondere Wut auf religiöse Anhänger, besonders gegen die Zeugen Jehovas und auf seinen ehemaligen Arbeitgeber gehegt. Inwieweit das mit der Tat zu tun haben könnte, wird noch ermittelt.

Die Beamten der Waffenbehörde hätten nach dem Hinweis recherchiert und Anfang Februar unangekündigt aufgesucht. Dies sei eine Standardkontrolle gewesen, bei der sich F kooperativ zeigte. Es habe keine relevanten Beanstandungen gegeben. Die rechtlichen Möglichkeiten seien damit ausgeschöpft gewesen.

Die Behörden beschlagnahmte nach der Tat Laptops und Smartphones, die noch ausgewertet werden. Die Ermittler haben ein digitales Hinweisportal eingerichtet, auf das Zeugen Foto- und Videomaterial zur Tat oder relevanten Ereignissen in diesem Zusammenhang hochladen können. (dpa/adr)