Pressekonferenz nach Amoktat bei den Zeugen Jehovas Hamburg: Ungeborenes Baby ist unter den acht Todesopfern - Mutter überlebt verletzt
Der Schock sitzt tief in Hamburg, nachdem ein Todesschütze bei einer Versammlung der Zeugen Jehovas in Hamburg ein Blutbad anrichtete. Unter den Todesopfern befindet sich nach offiziellen Angaben auch ein ungeborenes Baby, das im Mutterleib getroffen wurde. Die Schwangere habe die Tat überlebt. „Es ist eine grauenvolle Tat“, sagte der Hamburger Innensenator Andy Grote bei einer Pressekonferenz am Freitag. „Man mag sich kaum vorstellen, was Menschen durchgemacht haben, die an dem Abend dabei waren“, so Grote.

Ungeborenes Baby war 28 Wochen alt - Mutter überlebte die Tat
Nach Angaben der Polizei wurden acht Menschen getötet – auch der mutmaßliche Amokschütze soll unter den Toten sein. Acht weitere Menschen, die bei der Veranstaltung der Zeugen Jehovas anwesend waren wurden zum Teil schwer verletzt.
Bei den Toten handelt es sich um vier Männer und zwei Frauen im Alter von 33 bis 60 Jahren, sowie einen weiblichen Fötus im Alter von 28 Wochen. Die Mutter des ungeborenen kleinen Mädchens überlebte verletzt, bestätigten die Behörden bei der Pressekonferenz auf Nachfrage. Alle Getöteten und die meisten Verletzten hätten die deutsche Staatsbürgerschaft. Unter den Verletzten sind auch zwei Frauen aus der Ukraine und aus Uganda, so die Polizei.
Bei der Pressekonferenz in Hamburg bestätigten die Behörden auch, dass es sich bei dem tatverdächtigen Philipp F. um ein ehemaliges Mitglied der Gemeinde der Zeugen Jehovas handelt. Der 35-Jährige habe diese vor eineinhalb Jahren freiwillig, aber offensichtlich nicht im Guten verlassen, hieß es. Es gebe Hinweise auf Streitigkeiten innerhalb der Glaubensgemeinschaft.
Philipp F. sei nicht polizeilich registriert gewesen. Er habe die Tatwaffe – eine halbautomatische Pistole – legal besessen. Der Täter soll insgesamt neun Magazine mit je 15 Schuss abgefeuert haben. Auch in seiner Wohnung sei massenweise Munition sichergestellt worden.
Tote und Verletzte nach Amoktat bei den Zeugen Jehovas
Um kurz nach 21 Uhr gingen am Donnerstagabend die ersten Notrufe bei der Polizei ein: In einem Gebäude der Zeugen Jehovas im Hamburger Stadtteil Groß Borstel schoss ein Angreifer auf Menschen. Eine Anwohnerin erzählt im RTL-Interview, dass die Schüsse „wie ein Feuerwerk“ gefallen sein sollen.
Der Tatverdächtige soll zuerst auf dem Parkplatz auf eine Frau in einem Auto geschossen haben. Die Frau konnte leicht verletzt fliehen und die Polizei verständigen. Danach habe der Schütze durch ein Fenster auf die Menschen im Gebäude gefeuert. Dort habe ein Gottesdienst mit 36 Anwesenden stattgefunden, bestätigte ein Sprecher der Zeugen Jehovas. Weitere 25 Personen seien digital dazugeschaltet gewesen. Laut den Einsatzkräften drang der Täter unter permanentem Schusswaffengebrauch ins Gebäude ein.
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Anrufer wird getroffen, während er mit Notrufzentrale spricht
Bei der Pressekonferenz wurden auch weitere schlimme Details der Horrornacht in Hamburg bekannt. Ein Anrufer, der mit der Notrufzentrale sprach, habe plötzlich aufgehört zu sprechen. Der Anruf riss offenbar ab, weil der Schütze auf den Augenzeugen schoss.
Laut Grote sei es nur dem schnellen Eingreifen der Polizei zu verdanken, dass es nicht noch weit mehr Opfer gebe. Spezialkräfte der Polizeieinheit USE seinen ins Gebäude eingedrungen und hätten so das Tatgeschehen unterbrochen. Der Schütze sei von den Opfern getrennt worden. Wenig später entdeckte die Polizei den leblosen Tatverdächtigen weiter oben im Gebäude. Die Spezialkräfte seien durch einen glücklichen Zufall ganz in der Nähe des Tatorts in Alsterdorf befunden – nur etwa drei Minuten vom Tatort entfernt.
Auf RTL-Nachfrage wurde bestätigt, dass die Beamten der USE kurz davor waren in den Feierabend zu gehen. Die Einheit ist nicht rund um die Uhr in Alarmbereitschaft. Wären die Einsatzkräfte bereits zuhause gewesen, hätte es bis zu 30 Minuten dauern können, bis sie wieder einsatzfähig gewesen wären, hieß es bei der Pressekonferenz. „Durch ihre entsprechende Ausbildung, die sie genossen haben - gerade für Amok- und Terrorlagen - haben sie sehr schnell die Lage antizipiert und erkannt, dass kein Abwarten mehr hinzunehmen ist, und haben sofort versucht, sich Zugang zum Gebäude zu verschaffen“, sagte Matthias Tresp, Leiter Schutzpolizei. So konnten rund 20 Menschen unverletzt aus dem Gebäude gerettet werden.
Hamburg: Polizei richtet Hinweisportal und Telefon für Betroffene ein
Die Polizei richtete für Angehörige und Betroffene eine Telefonhotline ein. Die Anlaufstelle sei unter den Nummern +49 40 4286-24393, -24386 und -24323 erreichbar.
Diese Nummern sollen nicht für Hinweise genutzt werden. Dafür hat die Polizei zusätzlich ein Hinweisportal eingerichtet, das der Webseite https://hh.hinweisportal.de/ erreichbar ist. Dort können Fotos und Videos zur Tat oder relevanten Ereignissen in diesem Zusammenhang hochgeladen werden.
Todesschütze war nicht als Extremist bekannt
Der mutmaßliche Täter soll vor der Bluttat nicht als Extremist bekannt gewesen sein. Sein Name tauche nach Informationen aus Sicherheitskreisen nur in den Datenbanken der Behörden auf, weil er eine waffenrechtliche Erlaubnis beantragt habe.
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