Zu Besuch bei Familie Rubin: Der Tannenbaum steht zwar noch nicht, die Geschenke werden aber schon verpackt. Seit sieben Monaten leben Mutter Daniela und Vater Raphael zusammen mit ihren drei Kindern in dieser Ferienwohnung: „Eigentlich sage ich immer ‚uns geht’s gut‘. Wenn die Kinder traurig sind, habe ich schon früh gesagt: Das Wichtigste ist, dass wir einander haben. Es ist immer ein wenig provisorisch: Wir haben die Schränke von den Besitzern nicht ausgeräumt. Wir leben so ein bisschen drum rum.“
Die Familie und alle anderen gut 300 Blattener müssen Mitte Mai ihre Heimat verlassen. Zu groß ist das Risiko eines Berg- und Gletscher-Sturzes. Als wenige Tage später genau das passiert, liegt der Dorfkern unter Schutt begraben.
Hinter dem hundert Meter hohen Kegel staut sich das Wasser des Flusses Lonza. Verschont gebliebene Häuser werden in der Folge überflutet, sind jetzt unbewohnbar und müssen abgerissen werden. So auch das Haus der Rubins.
Das Geröll, Eis und Wasser zerstören ebenfalls die drei Hotels in Blatten. Auch den Familienbetrieb von Lukas Kalbermatten. Ihn treffen wir damals einen Tag nach dem Gletscherabbruch.
Lukas Kalbermatten, Hotelier am 29.05.2025: „Es war wirklich unser ganzes Herzblut und unsere ganze Existenz, mit 15 Mitarbeitern.“
Der Tourismus ist für das gesamte Lötschental überlebenswichtig. Die Hotelübernachtungen sind diesen Sommer um 82 Prozent zurückgegangen – weil schlichtweg die Betten fehlten. Um die Wintersaison zu retten, hat Kalbermatten zusammen mit seinen Partnern innerhalb von 105 Tagen ein Hotel gebaut: „Es ist für das ganze Tal, für alle Leute von Blatten ein Zeichen, dass, wenn wir anpacken, wenn wir dran glauben, dass es weitergeht.“
Fortschritte macht die Gemeinde auch beim Wiederaufbau. Mittlerweile ist klar, wo das neue Blatten entstehen kann und wo nicht. 70 Prozent des ehemaligen Gebietes liegen in der roten Zone, dürfen also nicht mehr bebaut werden. Zu groß ist die Gefahr vor weiteren Naturkatastrophen. Als Baufläche bleiben 14 Hektar:
Yannick Seeber, RTL-Reporter: „Das entspricht ungefähr der Größe von 20 Fußballfeldern. Um die Fläche tatsächlich wieder bebauen zu können, sind Sicherheitsmaßnahmen, wie Schutzwälder oder ein Damm nötig.“
2029 soll das neue Dorf stehen. Schneller als ursprünglich gedacht. Bereits im Frühsommer nächsten Jahres könnten die ersten Bewohner zurückkehren, erklärt uns Matthias Bellwald. Er ist der Gemeindepräsident Blattens: „Es soll ein Leuchtturm sein im Alpenraum, es soll ein neues Blatten sein. Und ich denke, dort werden alle dann aktiv mitgestalten können.“
So auch Familie Rubin. In den nächsten Tagen ziehen sie erst einmal in ein größeres Haus im Nachbarort ein. Für sie ist aber klar: Steht das neue Dorf, wollen sie gerne zurück. Zurück in ihre Heimat, nach Blatten.