An Schule ist nicht mehr zu denkenNach Corona-Infektion im Rollstuhl: Elli (12) kämpft gegen Long Covid

von Petra Schaffarzik

Eigentlich sollte die sportliche Elli mit den anderen Cheerleadern für den nächsten Auftritt proben, oder mit den Nachbarskindern Trampolin springen. Stattdessen liegt die 12-Jährige seit Monaten im Bett oder auf der Couch. Bewegen kann sie sich fast nur noch mithilfe eines Rollstuhls. Post Covid, Long Covid und dann ME/CFS, das chronische Erschöpfungssyndrom: Elisabeth Riepl aus dem bayerischen Kelheim leidet unter den schlimmen Spätfolgen einer heftigen Corona-Infektion.

"Corona schlug bei Ellie ein wie eine Bombe, kurz und heftig"

Die lebensfrohe Elli gibt nicht auf.
Immer dabei: Terrier-Dame Happy und der Rollstuhl, den die Riepls Gerti getauft haben, um dem Ganzen etwas den Schrecken zu nehmen.
privat

Elisabeth, die alle nur Elli nennen, ist dadurch körperlich so eingeschränkt, dass sie die Schule nicht mehr besuchen kann. Das System ist auf Fälle wie ihren nicht vorbereitet. Elisabeths Eltern berichten über den steinigen Weg, Hilfe für ihre Tochter zu erhalten.

Bis Anfang dieses Jahres war Elli ein aktiver und sportlicher Teenager. Die heute 12-Jährige war Leistungssportlerin und insgesamt sehr sportinteressiert. Ihre Hobbys: Bodenturnen, Trampolinspringen, Wettkampfstanz in einer Cheerleadergruppe.

Bis das Mädchen im Februar 2022 an Corona erkrankt. Die Infektion „schlug ein wie eine Bombe, kurz und heftig“, erinnert sich Ellis Mutter, Lena Riepl. Nach der Infektion kamen die Spätfolgen: Long Covid, Post Covid, dann ME/CFS, das chronische Erschöpfungssyndrom. Seitdem verbringt Elli ihren Alltag vor allem im Liegen. Erst konnte sie noch ein wenig gehen, dann noch sitzen, bis sie dann nur noch liegen konnte. Einfachste Tätigkeiten wie das Heben eines Wasserglases sind nicht mehr möglich. Jeder Weg ist beschwerlich, sie muss sogar zur Toilette getragen werden. Elli schaffte ihre Hausaufgaben nicht mehr, war ständig müde und unkonzentriert. "Früher hat sie Flick Flacks gemacht und jetzt schiebe ich sie im Rollstuhl“, sagt Mama Lena. Immer wieder erleidet sie Zusammenbrüche, sogenannte Crashs. Meistens dann, wenn sie ihren gewohnten Bewegungsradius erweitert, sie mit ihren verminderten Kräften nicht richtig haushaltet oder sie von unvorhergesehenen Situationen überfordert wird.

Eine große Stütze ist Hündin Happy, eine niedliche Yorkshire-Terrier-Dame. Sie kam im April zur Familie und sei ein echter „Glücksfall“, sagt Ellis Mutter. Wenn Elisabeth alles zu viel wird, wenn Körper und auch die Seele leiden, dann ist Happy da und muntert das Mädchen auf.

Elli konnte nicht mehr zur Schule gehen

Bei ihrer Familie findet Elli Halt.
Elisabeth mit ihrer Mutter Magdalena Riepl. Sie versuchen, trotz Ellis schwerer Krankheit, viel zu lachen.
privat

Was die ganze Familie zusätzlich schwer belastet: Elli ist nicht mehr in der Lage, in die Schule zu gehen. In den ersten Monaten der Erkrankung musste sie komplett zu Hause bleiben. Seit Juli versucht Elli zumindest stundenweise sporadisch am Unterricht teilzunehmen. Maximal zwei Stunden pro Tag waren möglich – und das auch nicht die volle Woche. Im gesamten Juli waren es gerade einmal neun Tage.

In der Schule sei man zwar sehr bemüht gewesen, aber wenig organisiert und eher hilflos, beschreibt Lena Riepl die Situation. So sollte Elli beispielsweise ein Klassenzimmer im 4. Stock weit entfernt vom Aufzug aufsuchen. Obwohl Lena und Ehemann Markus frühzeitig und dringend darauf hingewiesen haben, dass ihre Tochter unbedingt einen Raum im Erdgeschoss benötigt, weil ihr die Energie zum Laufen und Treppensteigen fehlt und sie ihre verbleibenden Ressourcen besser für neuen Unterrichtsstoff einsetzen sollte, anstatt sie auf unnötige körperliche Anstrengung zu verschwenden. Mittlerweile hat die Schule das Klassenzimmer ins Erdgeschoss verlegt.

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„Mama, muss ich traurig sein, um krank zu sein oder warum glaubt man mir nicht?"

Zusätzlich erschwert der Umgang mit Außenstehenden die Situation. Wenn Elisabeth lacht oder versucht, die Lage positiv zu meistern, schließen Außenstehende sofort auf eine Besserung ihres Gesundheitszustands. Aber dass das Mädchen während des Tages in der Regel mehr als neun Stunden oder länger liegen muss und sich wenig bis gar nicht bewegen kann, sehen die wenigsten, sagt Lena Riepl im Gespräch mit RTL. In der Schule strahle sie vor Freude, sei glücklich, am Leben teilnehmen zu können und schon denken alle es gehe ihr gut und sie übertreiben. Einmal fragte Elisabeth ihre Mutter sogar: „Mama muss ich traurig sein, um krank zu sein oder warum glaubt man mir sonst nicht?“

Behördliche Mühlen mahlen nur schleppend

Zusammen sind sie "ein wahnsinnig gutes Team", sagt Lena Riepl.
Elisabeth mit Papa Markus und Yorkshire-Terrrier Happy.
privat

Auch die behördlichen Mühlen bei der Antragsstellung mahlen sehr schleppend. Das Schulsystem ist auf Fälle wie den von Elli nicht eingestellt. Schon sehr früh, als sich die Schwere von Ellis Krankheit abzuzeichnen begann, stellten die Riepls alle nötigen Anträge. Unter anderem auf einen Schulbegleiter, Schulbeförderung und Hausunterricht. Bisher wurden diese Anträge vom Ministerialbeauftragten der Oberpfalz mündlich abgelehnt, da es sich hier um eine Folgeerkrankung von Corona handele und dafür, ebenso wie für ME/CFS, eine entsprechende gesetzliche Grundlage fehlen würde. Der Vorschlag des Amtes: Elli solle einfach so lange das Schuljahr wiederholen, bis sie wieder gesund ist oder die Schulpflicht endet. Doch so leicht ließen sich die Riepls nicht abspeisen. Zumal Elli, die vor ihrer Erkrankung immer eine gute und beliebte Schülerin war, bereits ein Schuljahr zurückgestellt worden war.

Runder Tisch bringt Lösungen

Die Hartnäckigkeit der Eltern zahlte sich am Ende aus. Am 14. November gab es einen runden Tisch an dem Ellis Eltern und auch die zuständige Ministerialbeauftragte des Bezirks Oberpfalz Mathilde Eichhammer, teilnahmen. Mit dem Ergebnis dieses Treffens sind die Riepls sehr zufrieden: Zumindest mündlich gab es von Seiten der Ministerialbeauftragten die Zusage, dass Elli ab sofort einen Schulbegleiter an die Seite gestellt bekommt. Dieser soll helfen, Unterrichtsmöglichkeiten für Elli auszuloten: Ob sie täglich eine Stunde Online-Unterricht von einem Lehrer ihrer Schule bekommt – oder ob möglicherweise ein Lehrer auch zu ihr nach Hause kommen kann. Er hilft dabei, die anstehenden Prüfungen zu gestalten und ihrem Lernstand anzupassen.

Lena Riepl rät anderen Eltern, frühzeitig um Hilfe zu bitten. Dabei freundlich und ruhig zu bleiben. Ihrer Erfahrung nach führt das am ehesten zum Ziel, den betroffenen Kindern zu helfen. Auf die Frage, woher sie ihre Kraft nimmt, antwortet sie: Vor allem aus ihrer Familie, ihrem Mann, sie seien gemeinsam „ein wahnsinnig gutes Team“. Aber auch die gesamte medizinische Betreuung und die Unterstützung durch die EUTB (ergänzende unabhängige Teilhabeberatung), Regensburg. Deren Mitarbeiterin hilft der Familie bei allen Anträgen, Behörden und Ämtern und ist für die Riepls schon unersetzlich geworden.

Studie erforscht Behandlungsansätze

Um ihrer Tochter alle zur Verfügung stehenden Mittel zu ermöglichen und mehr über ihre Erkrankung herauszufinden, ließen ihre Eltern Elli im Frühjahr in die Post-Corona-Kids-Bavaria-Studie aufnehmen, einem Modellprojekt des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege. Insgesamt 300 Kinder mit Folgeerscheinungen der Pandemie wurden für diese Studie bislang erfasst. Eine der Fragen ist, ob die Symptome direkt durch die Covid-Infektion entstanden sind, oder ob sie eine Folge der psychischen Belastung im Laufe der Pandemie sind. Bereits jetzt sehen die Medizinerinnen und Mediziner, dass viele der in die Studie aufgenommenen und untersuchten Patienten eher als Folge der Infektion an Post-Covid erkrankt sind, und nicht etwa aufgrund der psychischen Belastung in den vergangenen Corona-Monaten und -Jahren.

Dies scheint auch bei Elli der Fall zu sein. Denn die Familie habe die Pandemiezeit als gemeinsame Zeit sehr positiv erlebt, erinnert sich Mama Magdalena.

Bis Kinder wie Elli von möglichen neuen Therapieansätzen profitieren, wird allerdings noch einige Zeit vergehen. Immerhin erhält sie im Rahmen dieses Modellprojekts eine Sporttherapie und besucht regelmäßig eine Kinderpsychiaterin. Auch ihre Eltern wissen jeden Tag besser, wie viel sie Elli zumuten können. Sie machen weiterhin Ausflüge – mit dabei ist allerdings jetzt immer ein Rollstuhl – Gerti haben sie ihn getauft, um dem Ganzen etwas den Schrecken zu nehmen. Sie versuchen trotz allem viel zu lachen – und hoffen, dass Elli bald wieder gesund wird.