Mediziner Dr. Christoph Specht klärt auf

Long Covid - wann ihr bei welchen Symptomen zum Arzt gehen solltet

Dr. Christoph Specht - Allgemeinmediziner und Medizinjournalist
Dr. Christoph Specht - Allgemeinmediziner und Medizinjournalist
Foto Jo Kirchherr, Foto Jo Kirchherr

„Fast jede Viruserkrankung kann auch Langzeitverläufe zeigen.“

In den meisten Fällen ist eine Corona-Infektion zwar nach zwei Wochen wieder vorbei, einige Betroffene klagen aber auch Wochen nach der Infektion noch über Symptome. Doch was genau sind eigentlich Long und Post Covid und wann solltet ihr wirklich einen Arzt aufsuchen?
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"Langzeitfolgen sind bei Viruserkrankungen leider völlig normal"

Gedächtnisprobleme, anhaltende Müdigkeit, immer wieder auftretende Gliederschmerzen: Das sind nur einige der möglichen anhaltenden Symptome nach einer Corona-Infektion. Experten unterscheiden diese in zwei Kategorien: Long Covid und Post Covid. Long Covid bezeichnet einen Zeitraum von mindestens vier Wochen nach der Infektion. Post Covid bedeutet, dass die Beschwerden mindestens zwölf Wochen anhalten. Das sei jedoch nicht direkt ein Grund zur Panik, denn Langzeitfolgen seien bei Viruserkrankungen leider völlig normal, sagt Allgemeinmediziner Dr. Christoph Specht im RTL-Interview: „Fast jede Viruserkrankung kann auch Langzeitverläufe zeigen. Sehr bekannt ist das von der Grippe. […] So wäre es verwunderlich, wenn ausgerechnet Corona keine Langzeitverläufe hervorbringen könnte.“

Die Psyche spielt bei der Heilung eine große Rolle

Gliederschmerzen, anhaltende Müdigkeit, Kopfschmerzen, Aufmerksamkeitsdefizite, Luftnot oder auch der Verlust des Geschmacks- und Geruchssinns können mögliche Anzeichen einer Long- und Post-Covid-Erkrankung sein. Allerdings sei die Symptomatik nicht nur auf das Coronavirus zurückzuführen, so der Allgemeinmediziner. „Viele Menschen neigen dazu, über Long-Covid-Symptome zu berichten, dabei ist nicht bewiesen, dass die Corona-Infektion tatsächlich der Auslöser der Beschwerden ist“, so der Arzt.

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Vielen Menschen falle es schwer, in der aktuellen Lage, die Symptome richtig einzuordnen und auch die Empfindlichkeiten eines jeden spielen eine entscheidende Rolle. So würden Betroffene zum Beispiel Müdigkeit und Erschöpfung nach einer Covid-Infektion vielleicht Long Covid zuordnen, obwohl gegebenenfalls das Fatigue-Syndrom der Auslöser für die anhaltende Antriebslosigkeit ist. Damit will der Arzt nicht infrage stellen, dass es Long und Post Covid gibt und Menschen die Symptome ausreden, aber er warnt vor zu schneller Panikmache. „Ja, es gibt die verlängerten Verläufe, es wäre ein Wunder, wenn es die nicht gäbe. Aber der Nocebo-Effekt spielt ganz sicher auch eine Rolle“, so Dr. Specht.

Wann sollten Patienten einen Arzt aufsuchen?

„Wenn die Symptome, die während einer akuten Infektion aufgetreten sind, länger als vier Wochen andauern, sollte man mal zu einem Arzt gehen“, so der Ratschlag des Mediziners. Long oder Post Covid bereits während der Infektionszeit vorzubeugen oder entgegenzuwirken sei allerdings nicht möglich. Die beste Vorbeugung ist laut Specht, „das Leben nicht zu vergessen.“ Deswegen rät er Betroffenen, schnellstmöglich ihren normalen Alltag fortzuführen und sich nicht zu sehr auf die Symptome zu fixieren. „Beim Anhalten von Symptomen darf man zuversichtlich sein, dass sich viele Symptome doch noch legen, z. B. auch der Geschmacksverlust, beziehungsweise die Störung, wobei diese bei der Omikron-Variante generell ja nur noch sehr selten beeinflusst werden.“

Wie sieht eine sinnvolle Behandlung bei Long und Post Covid aus?

Jesko Streeck ist Physiotherapeut, rund 40 Prozent seiner Patienten leiden an Long- und Post-Covid-Symptomen. Auch er hat keine allgemeinwirksame Therapie. Je nach Symptomatik setzt er auf Konditions- oder Aufbautraining. Sein Tipp: Beim Sport regelmäßig den Blutdruck und Sauerstoffgehalt checken. Das geht am einfachsten mit Fitnesstrackern, sagt der Physiotherapeut.„In den Aktivitäten, die Sie machen, lassen Sie das Gerät an und so können Sie sehen, wie weit Sie abfallen. Fallen Sie ab, wäre als Folge im Prinzip eine Atemtherapie, hätten Sie Schwierigkeiten mit der Herzgeschichte – in den meisten Fällen bei Bluthochdruck – Ausdauertraining. Also Ergometer, Fahrradfahren und so weiter.“

Um den Körper noch zusätzlich bei der Heilung zu unterstützen, raten viele Ärzte ihren Patienten, Vitamin-D-Präparate einzunehmen. Diese sollen zumindest gegen die anhaltende Müdigkeit helfen können. Auch B-Vitamine, Zink und Folsäure sollen die Beschwerden angeblich lindern. Das muss aber unbedingt individuell mit dem Hausarzt abgeklärt werden. (iku,kko)

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