Sänger steht in Leipzig vor Gericht
Gil Ofarim erscheint mit Davidstern-Kette über dem Shirt zum Prozess
Ist er Opfer oder Täter?
Erst erhebt Sänger Gil Ofarim schwere Antisemitismusvorwürfe gegen einen Leipziger Hotelmitarbeiter, jetzt steht er selbst vor Gericht – unter anderem wegen falscher Verdächtigungen und Verleumdung. Zum Prozessauftakt am Dienstag gibt es einen großen Medienandrang. Der Sänger erscheint mit jener Kette, die im Prozess eine maßgebliche Rolle spielt.
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Großer Medienandrang zum Start des Verleumdungsprozesses in Leipzig
Die ersten Journalisten versammeln sich bereits um 05:15 vor dem Landgericht Leipzig. Alle Presse- und Besucherplätze im Verhandlungssaal sind besetzt.
Gegen 9 Uhr betritt Gil Ofarim den Saal, er wirkt angespannt. Der Sänger trägt seine Davidstern-Kette offen über dem T-Shirt. Ofarim entscheidet sich dafür, mit seinem Künstlernamen und nicht mit seinem vollen bürgerlichen Namen angesprochen zu werden.
Während die Anklage verlesen wird, schreibt Gil Ofarim eine Notiz und schiebt sie seinem Anwalt zu. Der Musiker wirkt gefasst und selbstbewusst. In der Anklage heißt es, er habe den Hotelmitarbeiter zu Unrecht als Antisemiten dargestellt. Beim Einchecken ins Hotel sei der Davidstern unter Ofarims Hemd gar nicht zu erkennen gewesen. Erst bei der Aufnahme eines später viral gegangenen Videos habe der Sänger den Stern sichtbar gemacht.
Gil Ofarims Anwalt: Leipziger Hotel hat nicht ergebnisoffen und fair ermittelt

Ofarims Anwalt Dr. Alexander Stevens erklärt: „Viel wurde geredet und spekuliert zu diesem Fall. Für die Gesellschaft ist es wichtig, dass das Gericht die Wahrheit ermittelt, was am 4. Oktober 2021 passiert ist.“ Der Fall sei von Anfang an „vom Kampf um die Wahrheit geprägt" gewesen. Ob diese Wahrheit im Prozess ans Licht kommt? „Gil Ofarim hofft das, seine Anwälte sind skeptisch", sagt Stevens.
Es handele sich um einen „klassischen Fall von Aussage gegen Aussage". Sollte während des Vorfalls vor gut zwei Jahren ein diskriminierendes Wort gefallen sein, dann sei sein Mandant freizusprechen, erklärt der Anwalt. Möglich sei, dass es sich um ein Missverständnis oder schlechten Humor handele – oder eben doch um eine „antisemitische Anspielung".
Gil Ofarim schweigt zum Prozessauftakt in Leipzig

Die Verteidigung wolle im Prozess auf mehrere Lügen eingehen, von denen die öffentliche Meinung im Fall Ofarim bestimmt sei, sagt Stevens. So habe das Hotel nach dem Vorfall keineswegs ergebnisoffen und fair ermittelt; vielmehr handele es sich um einen „PR-Stunt". Zudem halte es die Verteidigung für „völlig unplausibel", dass sich der Vorfall so abgespielt habe wie vom Hotelmitarbeiter geschildert.
Ursprünglich wollte Gil Ofarim selbst zum Prozessauftakt zu den Vorwürfen der Staatsanwaltschaft Stellung nehmen. Doch weil der Verteidigung noch einige Akten fehlten, verzichtete er zunächst auf eine Aussage und ließ seine Anwälte für ihn sprechen.
Video fliegt Gil Ofarim um die Ohren
Es ist rund zwei Jahre her, dass der jüdische Sänger Gil Ofarim ein Video im Netz postet, das ihm später zum Verhängnis werden soll: Unter Tränen berichtet der 41-Jährige, er sei antisemitisch diskriminiert worden – von einem Mitarbeiter eines Leipziger Hotels. Laut Ofarims Version soll er ihn aufgefordert haben, den Davidstern an seiner Kette „einzupacken“. Der Musiker erstattet Anzeige.
Polizei und Staatsanwaltschaft ermitteln. Die Staatsanwaltschaft glaubt Ofarim nicht; nach umfangreichen Ermittlungen kommt es zur Anklage gegen den 41-Jährigen. Das Ermittlungsverfahren gegen den Hotelmitarbeiter wird eingestellt.
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Was genau wird Gil Ofarim vorgeworfen?
Der Sänger wird in zwei Punkten angeklagt: Er soll wider besseres Wissen eine Falschaussage gemacht und diese auch vor der Polizei bestätigt haben. Außerdem habe er in zwei Verfahren unter Eid Falschaussagen gemacht.
Wird es besondere Sicherheitsvorkehrungen geben?
Ja, weil die mediale Aufmerksamkeit bei diesem Fall enorm ist und auch die momentane politische Lage in Israel und Gaza Zündstoff für diesen Fall bietet.
Wie groß ist das mediale Interesse am Prozess?
Das mediale Interesse ist riesig, für die Verhandlung wird mit großem Presserummel gerechnet.
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Welche Strafe droht Gil Ofarim?
Es gilt die Unschuldsvermutung. Bei einer Verurteilung reicht der Spielraum von einer Geldstrafe bis zu fünf Jahren Haft. Das Gericht hat bis zum 7. Dezember zehn Verhandlungstage angesetzt.(sis/kra).
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