Opfer-Mutter vor Prozess: „Ich möchte ihn nicht sehen“

Raser von Frankenthal vier Jahre nach Unfall mit zwei Toten doch noch vor Gericht

von Ulrich Vonstein, Kai Bülter und Karl Wirz

Das erste Urteil ließ viele Menschen fassungslos zurück, jetzt wird Totraser Arif A. doch noch der Prozess gemacht.
Obwohl er zwei Menschen zu Tode raste und einen weiteren schwer verletzte, war der junge Verkehrsrowdy 2020 in einem schriftlichen Verfahren zu einer milden Strafe verurteilt worden. Begründet wurde das damit, dass er zuvor nicht negativ aufgefallen sei. Das erwies sich als falsch, weswegen der Fall nun neu verhandelt wird. Was die Opferfamilien dazu sagen – in unserem Video.
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Horror-Unfall: zwei Freunde tot, einer für immer Pflegefall

Rückblick: Im Juli 2019 baut Arif A. einen folgenschweren Unfall zwischen Lampertheim und Mannheim auf der Bundesstraße 44 in Rheinland-Pfalz. Er verliert die Kontrolle über den BMW seines Vaters, kracht mit 155 Stundenkilometern gegen einen Baum. Zwei Mitfahrer sterben, seine Freunde Damon und Enes. Ein dritter, Ömer, wird schwer verletzt und wird ein Leben lang auf Pflege angewiesen sein.

Lese-Tipp: Frankenthal: Todesraser kommt mit Bewährungsstrafe davon

Trotz der Umstände entscheidet das Gericht im Mai 2020 nur aufgrund der Aktenlage: sechs Monate Bewährungsstrafe und zwölf Monate Fahrverbot, 2.000 Euro Geldstrafe. Das Amtsgericht Frankenthal sagt damals, Arif A. sei vorher nie als Raser aufgefallen. Für Damons Mutter völlig unverständlich: „Kein einziger Punkt davon ist eine Strafe“, sagt Dominique S. zum Urteil.

Video: Freundin des Todrasers packt aus

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Video zeigt Raserei mit 233 Stundenkilometern, wo 70 erlaubt sind

Beiden Familien der Opfer lässt das Schicksal ihrer Angehörigen keine Ruhe. Recherchen ergeben: Vier Monate vor dem Unfall in Frankenthal wird Arif A. geblitzt, 48 Stundenkilometer zu schnell. Deswegen hätte der 19-Jährige seinen Führerschein abgeben müssen. A. ignoriert das Schreiben der Behörden, macht einfach weiter.

Lese-Tipp: Video zeigt Raser bei voller Fahrt

Von einer Opferfamilie bekommt RTL Videos zur Verfügung gestellt. Auf einem der Mitschnitte ist zu sehen, wie Arif A. mit 233 Stundenkilometern über eine Landstraße rast – 70 wären erlaubt gewesen. In einer anderen Aufnahme verfehlt er knapp einen Fußgänger, als er mit 135 Stundenkilometern durch Frankenthal brettert. Auch die Berichterstattung von RTL hierüber trägt dazu bei, dass Fall neu bewertet wird. Nun also, mehr als vier Jahre nach dem Unfall, kommt es zum Prozess.

Video: Mildes Urteil für Todesraser in Frankenthal

Bekannte warnt Raser vor Unfall

Fabienne, eine Bekannte von Arif A., erzählt unserem Reporter Karl Wirz, dass sie den Raser gewarnt habe: „Ich habe einmal nur zu ihm gesagt: ,Arif, wenn du weiterhin so schnell fährst, wird der Tag kommen, an dem du einen Unfall baust.’ Und der Tag ist gekommen.“

Lese-Tipp: Er fuhr 21-Jährige tot - Raser kommt mit mildem Urteil davon

Dieser Tag verändert auch das Leben von Familie Kurt einschneidend. Sie verliert Sohn Enes, das Leben ihres anderen Sohnes Ömer ist für immer zerstört. Er ist seit dem Unfall schwerstbehindert, wird lebenslang ein Pflegefall bleiben. Seine Familie kümmert sich rund um die Uhr um den Jungen.

Opfer-Mutter Emine Kurt: „Wir haben kein normales Leben mehr“

Emine
Mutter Emine K. mit ihrem seit dem Unfall schwerstbehinderten Sohn Ömer

Ömers Mutter Emine Kurt sagt: „Wir haben kein normales Leben mehr.“ Sie verfluche den Tag des Unfalls, wirft Arifs Familie vor: „Die haben das alle gewusst - er hat das Auto trotzdem gekriegt.“ Der Gedanke an den Prozess bereitet ihr Probleme. „Wir müssen leider hin. Ich möchte ihn nicht sehen“, sagt sie. Es gebe keine angemessene Strafe für das, was ihre Familie mitmache, findet sie. Dann bricht ihr die Stimme. „Ich kann nicht mal reden, wenn ich daran denke.“

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Ein schnelles Ende der juristischen Aufarbeitung des Geschehens ist nicht zu erwarten. Arif A.‘s Anwalt kündigte an, die sofortige Einstellung des Verfahrens zu beantragen. Man könne in Deutschland nicht zweimal wegen derselben Straftat angeklagt werden, so Rüdiger Weidhaas. „Das Verfahren in Landau ist einzustellen. Sollte dennoch verhandelt werden, sehen wir uns beim Bundesverfassungsgericht wieder“, droht er laut SWR.