Kudamm-Raser trifft Angehörigen des Mannes, der bei dem Unfall starb Sohn des Mannes, der beim Kudamm-Unfall starb: „Mich hat keiner gefragt, wie es mir geht"

Es war der erste Raser-Unfall in Deutschland, der mit einem Mordurteil endete.
Fast acht Jahre nach der Unfall-Tragödie auf dem Berliner Kudamm hat der Sohn des damals Getöteten einen der Totraser getroffen. Initiiert hat das Treffen der bekannte Youtuber Leeroy.
Wagen des Unbeteiligten wird 70 Meter durch die Luft geschleudert

Rückblende: Am 1. Februar 2016 liefern sich zwei Männer mitten in der Nacht auf dem Kurfürstendamm in Berlin ein illegales Autorennen. Rücksichtslos rasen sie durch die Stadt, überfahren rote Ampeln. An einer Kreuzung beim Kaufhaus KaDeWe rammt eines der Autos mit 160 bis 170 Stundenkilometern einen Wagen, der bei Grün aus einer Seitenstraße kommt. Dessen Fahrer, ein Arzt im Ruhestand, hat keine Chance. Sein Wagen wird 70 Meter weit durch die Gegend geschleudert, der Mann stirbt noch am Unfallort.
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Das Berliner Landgericht verurteilt zunächst beide Raser wegen Mordes zu lebenslanger Haft. Seinerzeit ein Novum in Deutschland. Es folgen einige weitere Prozesse. Das Urteil gegen den Hauptverursacher des Unfalls, Hamdi H., wird bestätigt. Der zweite Raser, Marvin N. muss letztlich für 13 Jahren wegen versuchten Mordes hinter Gitter. Inzwischen hat er etwa die Hälfte seiner Strafe verbüßt und ist im offenen Vollzug.
Mann war fast schon zuhause, als der Raser sein Auto erfasst
Der bekannte Youtuber Leeroy hat Marvin N. und Maximilian W., den Sohn des getöteten Arztes, getroffen. In „Leeroy will’s wissen“ schildern sie ihre jeweilige Sicht auf die schicksalhafte Nacht und ihre Folgen. Veröffentlicht wurde das Video am 6. November, aber dass die Männer Sommerklamotten tragen, legt nahe, dass ihr Treffen einige Tage zurückliegt.
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Maximilian W. beschreibt auf einfühlsame Weise seinen Vater als liebenswerten, ruhigen Menschen. Der sei immer vorsichtig gewesen, das habe sich im Alter verstärkt. Sein Vater ging auf die 70 zu, auf den runden Geburtstag hätten sich alle schon gefreut, das sollte groß gefeiert werden, berichtet er. In jener Nacht sei er auf dem Heimweg von seiner Freundin gewesen, zwei Straßen weiter wäre er zu Hause gewesen.
Maximilian W. „wollte nicht wahrhaben, dass der Unfall mit meinem Vater zu tun haben könnte“
Er selbst habe von dem Unglück erst am nächsten Morgen und durch Zufall erfahren, als ein Kollege anrief und ihn auf den Unfall am Kudamm aufmerksam machte. Obwohl sein Vater einen auffälligen Jeep fuhr und in den Nachrichten vom Tod eines 69-jährigen Rentners die Rede war, habe er erst nach und nach realisiert, dass es sich um seinen Vater handeln könnte. Als er ihn nicht telefonisch erreichen konnte, habe er sich auf den Weg zu seiner Wohnung gemacht, berichtet Maximilian W. weiter.
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Als er dort ankam, hätten schon die ersten Reporter im Treppenhaus gestanden und versucht, die Nachbarn zu befragen. Erst nach und nach kam ihm der Gedanke, dass die Leute wegen seines Vaters gekommen sein könnten. „Wahrscheinlich wollte ich nach wie vor nicht wahrhaben, dass der Unfall mit meinem Vater zu tun haben könnte“, erinnert er sich.
Totraser Marvin N.: „Wahrscheinlich größter Fehler meines Lebens“
Dann beschreibt er die bangen Momente, als er die Wohnung betritt. „Das Hundchen sprang mich vor lauter Freude an“, erinnert er sich. Der Anrufbeantworter habe geblinkt, besorgte Nachrichten der Freundin. Als er das ungemachte Bett seines Vaters sah, schwand auch die letzte Hoffnung.
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Marvin N. übernimmt zwar die Verantwortung für das Geschehene, teilweise klingt er aber so, als würde er über eine dritte Person sprechen, nicht über sich selbst. Wenn er schildert, dass das illegale Autorennen zwischen ihm und seinem Kumpel eine „komische Eigendynamik“ entwickelt habe, klingt es eher wenig empathisch gegenüber dem Sohn des Opfers. Das kompensiert er, wenn er vom „wahrscheinlich größten Fehler meines Lebens“ spricht.
Totraser könnte 2024 vorzeitig freikommen

Später richtet er auch direkt das Wort an Maximilian W., sagt, dass es ihm „von Herzen leid“ tue, dass sein Vater ums Leben gekommen sei und dass er „mittelbar dafür verantwortlich“ sei. Er würde alles dafür tun, das Geschehene rückgängig zu machen. Eher unpassend wirkt dann jedoch der Satz: „diese Nacht hat mich genauso mitgenommen.“
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Dass er überhaupt an dem Gespräch teilnimmt, verdankt N. dem Umstand, dass er im offenen Vollzug ist. Er berichtet, dass er nach Verbüßen von zwei Dritteln der Strafe freigelassen werden könne, das sei Ende kommenden Jahres der Fall.
„Ich habe kein Problem damit, dass er heute hier sitzen kann“
Maximilian W. sagt: „Ich habe kein Problem damit, dass er heute hier sitzen kann.“ Marvin N. habe an sich gearbeitet, habe eine „richtige Sichtweise“ auf das Unglück. Er gesteht dem Totraser zu, dass es „sicherlich auch nicht einfach für ihn war.“
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Der Sohn des Getöteten sagt allerdings auch sehr deutlich: „Mich hat keiner gefragt, wie es mir geht oder später, wie ich das verarbeitet habe oder damit klarkomme.“ Sein Vater sei seine engste Bezugsperson gewesen. „Und dieser Mensch wurde sinnlos aus dem Leben gerissen.“