Knallhart-Urteil: 2,5 Jahre Haft für Tennis-StarDie Stunde, in der Boris Beckers Welt zerbrach
Das waren wohl die nervenaufreibensten Stunden in seinem Leben: Boris Becker vor einer Richterin, die als knallhart bekannt und der Frage: Endet in diesem Gerichtssaal das Leben, wie er es bisher lebt? In seiner Wimbledon-Krawatte und im grauen Anzug marschierte er am Morgen noch über den Bürgersteig. In seinem Arm: Seine Freundin Lilan. Sogar ein Grinsen ließ er sich entlocken. Doch am späten Nachmittag sollte davon nicht mehr viel übrigbleiben. So hat unser Reporter die entscheidenden Stunden erlebt.
Lese-Tipp: Der Ablauf der Urteilsverkündung hier zum Nachlesen
Es ist heiß im Gerichtssaal
Die Aufregung im Gerichtsaal ist groß: Niemand weiß kurz vor Beginn des Prozesses, ob am Schluss eine Freiheitsstrafe für den Tennis-Profi stehen wird oder nicht. Kurz bevor die Richterin den Raum betritt, blickt er starr nach vorne. Insgesamt 24 Anklagepunkte liegen auf dem Tisch.
Während die Richterin sie verliest, streicht sich Becker immer wieder über die Augenbrauen. Das wird im Laufe der nächsten Stunde noch sehr oft passieren.
Es ist stickig im Gerichtssaal. Immer wieder nimmt Becker kleine Schlucke aus seiner Wasserflasche. RTL-Reporter Dan Farrington berichtet: „Boris Becker wirkt sehr entspannt und starrt geradeaus, als wäre er auf dem Center Court und nicht im Gerichtssaal.“ Doch sind es tatsächlich Schweißperlen auf seiner Stirn – oder Tränen? Wird ihm schmerzlich bewusst, wohin der Tag heute führen könnte?
Video: Hier fährt Boris Becker ins Gefängnis
"Boris Becker hat nichts mehr"
Der Anwalt von Becker sagt in seinem Plädoyer: Ja, Becker habe das Gesetz gebrochen. Aber aus einer finanziellen Notlage heraus. Es gebe keinen Vorsatz, keine Böswilligkeit. Gestraft sei Boris Becker zudem genug: „Der Angeklagte hat wirklich alles verloren. Boris Becker hat nichts mehr“, sagt der Anwalt. Die Karriere sei zerstört, er habe durch die Presse und die Welt viel Demütigung erfahren müssen. Er werde keine Arbeit mehr finden.
Lilian spricht mit ihrem Liebling. Durch das Glas – denn Becker sitzt in einem Glaskasten. Es scheint, als würde die Familie eine Gefängnisstrafe schon erwarten, die Hoffnung ist, dass sie zur Bewährung ausgesetzt wird.
Mittlerweile sind gut zwei Stunden um. Die Richterin kündigt eine Pause an, will ihre Entscheidung wegen der Plädoyers erneut überdenken.
Ein kurzer, intimer Familienmoment
Und die Familie? Beckers Kinder sind ihm im Prozess beigesprungen. Sie erwähnen Boris Beckers karitatives Engagement. In der Pause raucht Freundin Lilian vor dem Gericht eine Zigarette. Vom Tennis-Profi ist weit und breit nichts zu sehen.
Kurz vor Ende der Pause haben Lilian, Noah und Boris noch einmal einen kurzen, intimen Familienmoment.
Es ist kurz nach 16 Uhr deutscher Zeit. Richterin Deborah Taylor verspätet sich - die Anspannung steigt: „Was für eine Zitterpartie“, so Dan Farrington. Boris streicht sich über das Gesicht, seine Augenbrauen. Sein Sohn Noah stützt seinen Kopf auf seine Hand, wischt sich Schweiß von der Stirn.
Dann kommt die Richterin. Nach all diesen Tagen voller Anspannung und Ungewissheit, all den Problemen – jetzt entscheidet eine Frau in diesem für ihn so wichtigen Moment. Und für Boris Becker endet einer der wohl schlimmsten Tage seines Lebens mit einer der schlimmsten Entscheidungen: Er muss in den Knast, zwei Jahre und sechs Monate, so das Knallhart-Urteil. Antritt: Sofort. Nur wenige Minuten nach der Urteilsverkündung geht es für ihn in Richtung Wandsworth Prison in Südlondon.
Video: Hier kommen Noah und Lilian aus dem Gericht
Zeit sich zu verabschieden? Denkbar kurz
Boris Becker bindet sich die Schnürsenkel. Er ist rot, der Gesichtsausdruck verlegen. Er hebt seine Tasche hoch, verlässt die Glasbox. Nach dem Verlassen des Gerichtssaals sind auch Lilian und Sohn Noah die vergangenen Stunden anzusehen. Zeit sich zu verabschieden? Denkbar kurz. Lilian flüstert ihrem Schatz noch etwas zu, wirft einen Luftkuss. Die Handschellen klicken.
Beckers jüngster Sohn, Amadeus (12) muss jetzt über zwei Jahre ohne Papa auskommen. Bei guter Führung geht es vielleicht schneller. Dann darf Becker nach der Hälfte der Zeit – nach 15 Monaten – raus aus dem Knast.
Draußen vor dem Gericht warten betrunkene Boris-Becker-Fans.