So reagieren Sie richtig
Immer mehr Teenies haben psychische Probleme - was Eltern tun können
Diese Entwicklung ist wirklich traurig und gibt Anlass zur Sorge. Denn immer mehr Jugendliche bekommen in Deutschland die Diagnose Depression. Die Pandemie scheint die Probleme offensichtlich noch weiter verschärft zu haben. Angehörige, Eltern und Freunde fühlen sich oft hilflos und wissen nicht, wie sie reagieren sollen. Auch unsere Reporterin Lisa-Maria Wagner kennt diese Situation, denn sie hat selbst so einen Fall in ihrem engeren Freundeskreis. Weil sie nicht tatenlos zusehen wollte, hat sie sich Rat geholt und besucht eine Schulklasse, die lernt, mit dem Thema Depression richtig umzugehen. Wie Hilfe in so einem Fall aussehen kann, erfahren Sie im Video.
Außerdem gibt Dr. Manuela Richter-Werling, Geschäftsführerin und Gründerin von „Irrsinnig Menschlich e.V.“, im RTL-Interview Tipps, wie sich vor allem Eltern ihren Kindern gegenüber richtig verhalten können, wenn sie bemerken, dass etwas nicht stimmt.
Lese-Tipp: Depressionen ein Gesicht geben
Depression kommt mit verschiedenen Gesichtern
Fast 20 Prozent der Kinder und Jugendlichen in Deutschland erkranken laut der Bundespsychotherapeutenkammer (BPTK) innerhalb eines Jahres an einer psychischen Störung. Die Dunkelziffer dürfte weitaus höher sein. 75 Prozent der psychischen Erkrankungen beginnen dabei nach neuesten Untersuchungen bereits vor dem 24. Lebensjahr. Jugendliche und junge Erwachsene, die an Depressionen erkranken, ziehen sich oft immer mehr zurück. Freunde, Familie und Bekannte merken dies vielleicht, sind mit der Situation aber oftmals überfordert.
Dr. Manuela Richter-Werling, Geschäftsführerin und Gründerin von „Irrsinnig Menschlich e.V.“, will über „seelische Gesundheit, Krisen und Erkrankungen“ aufklären und „Vorurteile gegenüber Menschen mit seelischen Erkrankungen“ verringern. Sie weiß, wie sich vor allem Eltern am besten verhalten, wenn sie Veränderungen bei ihrem Kind wahrnehmen und gibt hilfreiche Tipps.
Wie erkennen Eltern überhaupt, ob ihr Kind an einer Depression leidet?
„Eltern kennen ihre Kinder ja eigentlich am besten, sie sind wirklich der wichtigste Schutzfaktor und sie kriegen das schon mit, wenn sich ihr Kind verändert. Was aber bei dem Thema psychische Krisen eine wichtige Rolle spielt, ist, dass sich viele Eltern schämen. Sie denken, sie sind schlechte Eltern, wenn ihr Kind eben nicht eine Mandelentzündung hat, sondern vielleicht eine Depression. Das heißt: Eltern müssen sich da einfach auch weiterbilden, sie müssen normal mit dem Thema umgehen. Da sollte überall drüber gesprochen werden, in der Kita, in der Schule“, so der Rat von Dr. Richter-Werling. „Eltern sollten mit ihren Problemen auch viel offener umgehen, weil alle Eltern Probleme haben, sich mit anderen Eltern auszutauschen.“
Man solle außerdem nicht zu lange warten und „wenn Sie merken, Ihr Kind verändert sich so stark, das mit dem Kind auch besprechen.“ Der oder die Haus-, Kinder- und Jugendärztin bzw. -arzt sollte außerdem auch mit einbezogen werden – „um einfach abklären zu lassen, was uns da Sorgen macht, damit das Leben des Kindes wieder besser wird“, so Dr. Richter-Werling. Sie ermutigt dazu, die Scham abzulegen: „Eltern sind so wichtig, ihren Kindern Sicherheit zu geben, Zuversicht zu geben, da stehen die Eltern wirklich an allererster Stelle und dann kommt die Schule.“
Wie viel Direktheit können Betroffene vertragen?
Dr. Richter-Werling spricht aus Erfahrung – sie ist selbst mit einem psychisch kranken Bruder aufgewachsen. „Es gibt ja diesen alten Spruch: ‘Je besser es den Angehörigen geht, umso besser geht’s den Betroffenen.’“, erklärt sie. „Die Betroffenen fühlen sich meistens chaotisch, ängstlich, und es dauert auch, bis man sich das selbst eingesteht und merkt, dass man wirklich schwer krank ist. Und je klarer die Angehörigen sind, in der Struktur, in ihren Aussagen, in ihren Ansagen – und das erfordert sehr sehr sehr viel Mut, je näher man der Person steht – umso besser ist es für alle Beteiligten.“
Man dürfe jedoch nicht vergessen, dass es für Betroffene oft ein langer Weg sei. Außerdem reagiert auch jeder Mensch anders und es gibt verschiedene Beweggründe, warum sich der Betroffene letzten Endes Hilfe sucht. Dabei handeln Betroffene in erster Linie gar nicht immer nur für sich selbst. „Was wir nicht vergessen dürfen, das habe ich oft in meinem Leben so erlebt: Dass man das in der Not auch oft für jemand anderen macht.“, so Dr. Richter-Werling.
„Auch wenn man das für sich selber noch gar nicht so eingesteht, aber dann macht man es vielleicht für den letzten Menschen, der zu einem hält. Das ist oft so bei einer psychischen Erkrankung, weil man so viele Menschen schon verliert und so schnell in Isolation kommt, weil eben die psychische Krankheit eben den ganzen Menschen so erfasst, das Denken, Fühlen und Verhalten. Deshalb machen das auch ganz viele Menschen im ersten Schritt für eben den Liebsten oder die Liebste und ich finde das ganz großartig, weil wir gemeinschaftliche Wesen sind.“ Dr. Richter-Werling plädiert generell für mehr Mut und Offenheit, insbesondere bei den Angehörigen. „Es ist sehr zu empfehlen, dass mehr Menschen diesen Mut haben, normal und offen damit umgehen, mit dieser schweren Not auch auf der anderen Seite. Das würde vieles erleichtern.“
Mental-Health-Expertin spricht Klartext
Auch Anna Sophia Feuerbach erhielt mit 16 Jahren die Diagnose Depression, heute ist sie Mental-Health-Expertin und will anderen Betroffenen helfen. Was es für sie bedeutet depressiv zu sein, wie ihr Umfeld damals reagiert hat und was Betroffene tun können, erzählt sie im Video. (kko)