Was wir über den Angriff in Solingen wissen und was nichtPolizei findet blutverschmiertes 15-Zentimeter-Messer in der Nähe des Tatorts

von Klaus Felder, Ulrich Klose und Sebastian Stöckmann

Endlich ist der mutmaßliche Attentäter von Solingen gefasst.
Doch im Zusammenhang mit der tödlichen Messerattacke auf das Solinger Stadtfest ist noch vieles unklar: Was ist das Motiv des Mannes, und wo hielt er sich nach der Tat versteckt?

Anschlag in Solingen: Was wir wissen

Die Festnahme
Nach RTL-Informationen stellte sich Issa al H. (26) Samstagabend einer Polizeistreife. Laut Polizei gab er an, für den Anschlag verantwortlich zu sein. Vorausgegangen war eine eintägige Großfahndung. Zudem nahm die Polizei einen 25 Jahre alten Mann fest. Ob er an der Tat beteiligt war, wird ermittelt.

Die Tatwaffe
Wie RTL aus Sicherheitskreisen erfuhr, fand die Polizei in der Nähe des Tatorts ein Messer mit einer 15 Zentimeter langen Klinge. Es lag in einer Mülltonne, am Messer klebte Blut. Nach dem jetzigen Stand der Ermittlungen geht die Polizei davon aus, dass es sich dabei um die Tatwaffe handelt. In einer Unterführung nahe dem Fundort des Messers entdeckten die Ermittler Blutspuren.

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Der mutmaßliche Täter
Beim mutmaßlichen Täter handelt es sich nach RTL-Informationen um einen 1998 geborenen Syrer. Er lebt seit 2022 in Deutschland. Bevor er nach Solingen kam, lebte er in Paderborn. Der Spiegel berichtete, er habe in Bielefeld einen Antrag auf Asyl gestellt und sei den Sicherheitsbehörden bislang nicht als islamistischer Extremist bekannt gewesen. Diese Informationen wurden der Deutschen Presse-Agentur bestätigt.

Der mutmaßliche Messerangreifer sollte eigentlich im vergangenen Jahr nach Bulgarien abgeschoben werden. Zuvor war sein Asylantrag abgelehnt worden. Gemäß dem sogenannten Dubliner Übereinkommen ist das Land, das zuerst von einem Asylbewerber betreten wird, für das Asylverfahren zuständig. Der Deutschen Presse-Agentur wurden diese Angaben bestätigt. Demnach war der gebürtige Syrer über Bulgarien in die Europäische Union eingereist. Da er allerdings in Deutschland untergetaucht sei, sei die Abschiebung vorerst hinfällig gewesen und der Syrer nach Solingen überstellt worden, schrieb die Welt.

IS-Bekennerschreiben
Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) beansprucht den Messerangriff für sich. Der Angreifer habe dem IS angehört und die Attacke, die einer „Gruppe von Christen” gegolten habe, sei aus „Rache für Muslime in Palästina und anderswo” verübt worden, hieß es in einer über das IS-Sprachrohr Amak verbreiteten Mitteilung. Die Polizei Düsseldorf hat nach eigenen Angaben ein Bekennerschreiben der Terrormiliz erhalten. Ob es echt ist, müsse noch geprüft werden. Am Sonntagmorgen teilte die Bundesanwaltschaft der Deutschen Presse-Agentur mit, dass sie auch wegen Verdachts der IS-Mitgliedschaft gegen den Tatverdächtigen ermittle.

Durchsuchung der Flüchtlingsunterkunft
Mit großem Aufgebot (darunter ein Spezialeinsatzkommando) durchsuchte die Polizei eine Flüchtlingsunterkunft in Solingen. Innenminister Reul sagte, dies sei das Ergebnis von weitergehenden Informationen gewesen. Nach RTL-Informationen hatte ein Mantrailer-Hund die Beamten zu der Unterkunft geführt. In dem Gebäude fanden Polizisten die Plastikhülle des Messersets, mit dem der mutmaßliche Täter seine Opfer attackiert hatte.

Weitere Festnahme
Auch ein 15 Jahre alter Jugendlicher wurde im Zusammenhang mit der Tat festgenommen. Als möglicher Vorwurf gegen ihn steht die Nichtanzeige geplanter Straftaten im Raum. „Nach vorliegenden Zeugenaussagen soll eine bislang unbekannte Person kurz vor dem Angriff mit dem Jugendlichen über Absichten gesprochen haben, die zur Tatausführung passen würden”, sagte der Leitende Oberstaatsanwalt Markus Caspers auf einer Pressekonferenz in Wuppertal.

Der Tatort
Tausende feierten in der Solinger Innenstadt am Freitagabend (23. August) das 650-jährige Jubiläum der Stadtgründung. Auf dem gut besuchten Fronhof, einem Marktplatz, war für das Fest eine Bühne aufgebaut worden. Unmittelbar vor dieser Bühne schlug der Täter zu. Der Tatort war am Sonntagmorgen noch weiträumig abgesperrt.

Die Flucht
Dem Täter gelang es, im Tumult und in der sich anfangs ausbreitenden Panik zu entkommen. Im gut besuchten Stadtzentrum verlor sich seine Spur.

Die Schwerverletzten
Die schwer verletzten Opfer des Messerangriffs sind auf dem Wege der Besserung. „Alle vier noch stationär behandelten Patienten sind über den Berg”, sagte der medizinische Geschäftsführer und ärztliche Direktor am städtischen Klinikum Solingen, Thomas Standl, dem Sender Welt TV. Weitere Verletzte seien am Freitagabend in Krankenhäuser nach Wuppertal und Remscheid gebracht worden.

Zwei der in Solingen behandelten Patienten hätten großes Glück gehabt, sie hätten nicht auf die Intensivstation gemusst. Eines der beiden anderen Opfer habe hingegen über Stunden beatmet werden müssen, sagte Standl. Der Patient habe sich aber schnell stabilisiert und bei der Visite am Sonntagmorgen schon Rede und Antwort stehen können.

Anschlag in Solingen: Was wir nicht wissen

Terroranschlag
Ob es sich bei dem Gewaltverbrechen um einen Terroranschlag handelt, ist aufgrund des ungeklärten Motivs noch offen.

Das Motiv
Die Polizei hat noch keine Informationen zum Motiv des Täters bekanntgegeben. Allerdings hält sie einen terroristischen Hintergrund für möglich – einfach, weil ein anderes Motiv kaum ersichtlich ist. Infolge der Festnahme des Tatverdächtigen dürften sich bald weitere Anhaltspunkte ergeben.

Viele Menschen in Solingen trauern.
Viele Menschen in Solingen trauern.
Henning Kaiser/dpa

Gaza-Krieg
Der IS gab in seiner Mitteilung als Grund für die Attacke „Rache für Muslime in Palästina und anderswo” an. Das legt einen Zusammenhang mit dem Krieg im Gazastreifen zwischen Israel und der palästinensischen Terrororganisation Hamas nahe. Ob dies zutrifft, ist bislang aber nicht erwiesen.

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Die Beweise
Bei der Festnahme des Tatverdächtigen wurden Innenminister Reul zufolge auch „Beweisstücke” gefunden. Es blieb aber unklar, worum es sich dabei handelte.

Die Flucht
Ungeklärt ist nach wie vor auch, wie der Täter nach dem Anschlag untertauchte – und auch, wo sich der nun gefasste Mann vor seiner Festnahme versteckte. (dpa)