Prozess gegen Musiker in Leipzig

Ofarim drohte mit Facebook und Instagram: „Da geht es Bam Bam viral“

Gil-Ofarim-Prozess
Gil Ofarim trägt auch am zweiten Prozesstag seine Davidstern-Kette.
RTL
von Maria Neubauer und Sebastian Stöckmann

Gleich zwei Zeuginnen sagen aus, dass Gil Ofarim dem Hotel ein Video in sozialen Medien mit Vorwürfen angedroht habe.
Die schwierige Suche nach der Wahrheit geht am zweiten Tag des Verleumdungsprozesses gegen den jüdischen Musiker weiter. Hat Hotelmanager Markus W. (35) Ofarim wegen seines Davidsterns diskriminiert, oder lügt der Sänger? Eine Zeugin berichtet, der Sänger habe dem Hotel nach einer Diskussion mit einem viralen Video gedroht.
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Prozess in Leipzig: Gil Ofarim trägt erneut Kette mit Davidstern

Fünf Minuten nach neun startet am Mittwoch der zweite Prozesstag am Landgericht Leipzig. Wie zum Auftakt am Vortag trägt Gil Ofarim seine Kette mit dem Davidstern um den Hals, als er auf der Anklagebank Platz nimmt. Offenbar bemüht, sich seine Anspannung nicht anmerken zu lassen, sieht er sich im Saal um, krempelt die Ärmel seines dunklen Shirts hoch.

Hotelmanager kann sich an Gil Ofarims Kleidung nicht erinnern

Um 09.13 Uhr betritt Markus W. selbstsicher den Raum. Der Richter stellt Nachfragen zu den Geschehnissen im Leipziger Hotel vom 4. Oktober 2021. Welche Kleidung Gil Ofarim an jenem Abend trug, kann er nicht beschreiben. Ihm sei lediglich Schmuck an den Händen des Sängers aufgefallen, ansonsten nichts. Ausrufe von anderen Personen hat Markus W. zu keiner Zeit wahrgenommen – weder während des Dialogs mit Ofarim noch danach.

Zugang zu den Überwachungsvideos des Hotels habe er nicht gehabt, sagt der 35-Jährige. Er sei erstaunt gewesen, dass die Medien in den Besitz der Aufnahmen gelangt seien. Er selbst habe das Video von besagtem Tag zuvor schon gesehen, könne sich aber nicht erinnern, ob dies vor oder nach seiner Aussage beim Anwalt gewesen sei.

Gil Ofarim hört aufmerksam zu und macht sich Notizen. Er sieht Markus W. an, während dieser spricht.

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Kein Antisemitismus beim Einchecken im Hotel

Das Fragerecht wechselt zur Staatsanwaltschaft. Gil Ofarim sei ihm von dessen Hotelbesuch nicht bekannt gewesen, erklärt Markus W. – Kollegen allerdings schon. Er habe sich im Vorfeld nicht über Google o.ä. über den Sänger informiert. Der Dialog mit Ofarim beim Einchecken habe wenige Minuten gedauert. Antisemitismus oder antisemitische Bemerkungen hätten in der Warteschlange keine Rolle gespielt.

Gil Ofarim schüttelt mit dem Kopf, macht sich während der Aussage des Hotelmanagers Notizen. Markus W. wippt mit den Beinen, wenn er antwortet. Er wirkt nervöser als am Vortag. Der 35-Jährige arbeitet inzwischen nicht mehr in dem Hotel. Er habe sich im September dieses Jahres für einen Wechsel innerhalb der Branche entschieden, erklärt Markus W. Durch Vorfall mit Ofarim sei er in seiner neuen Position bei der Arbeit nicht beeinträchtigt und trage auch wieder ein Namensschild.

Gil Ofarims Verteidiger verlangen, Markus W. zu vereidigen – sie werfen dem Hotelmanager Lügen vor. Doch das Gericht schmettert den Antrag der Anwälte ab: Markus W. bleibt unvereidigt.

Zeugin: Gil Ofarim geriet schnell in Rage

08.11.2023, Sachsen, Leipzig: Der deutsche Rockmusiker Gil Ofarim (l) steht im Saal des Landgerichts in Leipzig neben seinem Rechtsanwalt Alexander Stevens. Hier läuft der Prozess gegen Ofarim wegen falscher Verdächtigung und Verleumdung. Der Musiker hatte im Oktober 2021 in einem Video Antisemitismus-Vorwürfe gegen ein Leipziger Hotel erhoben. Nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft Leipzig hat sich der Vorfall aber nicht so zugetragen. Foto: Hendrik Schmidt/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Gil Ofarim (l) steht im Saal des Landgerichts Leipzig neben seinem Rechtsanwalt Alexander Stevens.
hsc, dpa, Hendrik Schmidt

Eine Zeugin schildert, wie sie den Streit in der Hotellobby an jenem Abend wahrgenommen hat. Die 25-jährige Studentin war für eine Kollegin eingesprungen. In der Lobby habe viel Stress geherrscht, Gäste hätten lange warten müssen. Sie habe mit einer Kollegin an der Rezeption gearbeitet. Markus W. habe zwei Stammgäste, die mehrfach pro Woche kamen, herausgezogen und aufs Zimmer geschickt. Die entsprechenden Zimmerkarten seien vorkodiert und die Daten hinterlegt gewesen.

Gil Ofarim sei daraufhin zu ihr an den Schalter gekommen – anfangs noch gefasst, berichtet die 25-Jährige. Dann habe er sich schnell darüber aufgeregt, dass Gäste vorgezogen wurden. Zwar habe Ofarim Verständnis für ein technisches Problem mit einem Kartenkodiergerät geäußert, sei aber schnell in Rage geraten. Der Musiker habe wild gestikuliert, relativ schnell den Manager verlangt und ihm seine Beschwerde erneut vorgetragen. Ofarims Tonfall bezeichnet die Zeugin als schroff; der exakte Inhalt sei ihr aber nicht bekannt. Der Musiker habe mit einem viralen Video gedroht und Markus W. vom Hausrecht Gebrauch gemacht.

Der Hotelmanager habe Ofarim dann zur Seite gezogen, erinnert sich die 25-Jährige. Den weiteren Verlauf des Gesprächs habe sie nicht mitbekommen und weitergearbeitet.

Gil Ofarim wirkte lässiger als andere Businessgäste

Beide Parteien machen sich während der Aussage der Studentin Notizen. Gil Ofarim hört aufmerksam zu, sieht die Zeugin an. Markus W.s Blick schweift manchmal ab, er schaut auf den Boden.

Zwar sei ihr Gil Ofarims VIP-Status bekannt gewesen, weil dieser im Hotelsystem hinterlegt war, berichtet die 25-Jährige. Wer er ist, habe sie aber erst beim Googeln am Folgetag erfahren. Sie erinnert sich daran, dass Ofarim in der Lobby dunkel gekleidet war. Er habe locker gewirkt – lässiger als andere Businessgäste, was sie im ersten Moment als positiv empfand.

Das Hotel habe sich am Tag nach dem Vorfall klar gegen die Vorwürfe Ofarims und gegen Antisemitismus und Diskriminierung positioniert, erklärt die Zeugin. Innerhalb des Hotelteams sei auch nie jemand diskriminiert worden.

Ofarim drohte mit Facebook und Instagram: „Da geht es Bam Bam viral“

Fortgesetzt wurde der Prozess mit dem Zeugen Thomas S., der aussagte, zwar Aufregung in der Hotellobby mitbekommen zu haben, aber wenige Details registriert habe. Sicher sei er jedoch, dass keine Bemerkung bezüglich „Stern“ oder „Davidstern“ gehört zu haben.

Zeugin Dagmar C. berichtet, dass sie mitbekommen habe, wie sich Ofarim beim Hotelangestellten W. beschwerte, dass die Bevorzugung anderer Gäste nicht okay gewesen sei. Sie beschreibt Ofarim als anfangs ruhig, allerdings sei er zunehmend „ungeduldiger“ geworden sei und habe „genervt“.

Hotel-Mitarbeiter W, habe sie als „sehr ruhig“ wahrgenommen. Er habe Ofarim darauf hingewiesen, dass dieser hier ja nicht hier übernachten müsste. Bei dem Streit will sie sich an folgenden Satz des Sängers erinnern: „Ich kann es publik machen auf Facebook und Instagram. Da geht es Bam Bam viral.“ Bei „Bam Bam soll Ofarim in die Hände geklatscht haben.

Am Tag nach dem Eklat habe sie eine Nachricht von einer Bekannten gekommen mit einem Link zum Ofarim-Video und der Nachfrage, ob es wirklich so war. Sie habe ihr geantwortet, dass es nicht so war, sagte sie aus. Zudem gab sie an, keine Äußerungen Aussage im Zusammenhang mit „Stern“ oder den Satz „Pack deinen Stern weg“ gehört zu haben.

Mit der Aussage dieser Zeugin endete der zweite Protzesstag. Das Verfahren wirrd am 4. November fortgesetzt.

Anklage: Gil Ofarims Davidstern war beim Einchecken im Hotel gar nicht sichtbar

Gil Ofarim sitzt unter anderem wegen des Vorwurfs der Verleumdung und falscher Verdächtigungen auf der Anklagebank. Er hatte Anfang Oktober 2021 in einem Instagram-Video schwere Antisemitismusvorwürfe gegen den Manager eines Leipziger Hotels erhoben. Der Mann habe ihn aufgefordert, seinen Davidstern abzunehmen – erst dann dürfe er einchecken, behauptet der Sänger.

Doch nach umfangreichen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft folgte eine Anklage gegen Ofarim: Er soll den Manager zu Unrecht als Antisemiten dargestellt haben. Nach Angaben der Anklagebehörde war der Davidstern beim Einchecken unter dem Hemd des Musikers gar nicht zu erkennen – erst bei der selbst gedrehten Videoaufnahme habe Ofarim den Stern sichtbar gemacht. Das Verfahren gegen den Manager wurde eingestellt.

Bis zum 7. Dezember hat das Gericht zehn Verhandlungstage angesetzt.