Droht jetzt das toxische Schocksyndrom? Gynäkologin klärt auf
Sie weinte vor Scham: Patientin vergaß Tampon vier Wochen in ihrer Vagina

Der Gang zum Frauenarzt ist für viele Frauen ein bisschen unangenehm. Das ist normal und variiert je nach Anlass des Arztbesuchs. Für eine Patientin war der Grund offenbar besonders schlimm. Schon vor der Behandlung brach sie in Tränen aus – vor Scham.
Viele Patientinnen finden den Besuch beim Frauenarzt unangenehm
Als meine Patientin in mein Sprechzimmer eintrat, spürte ich sofort, dass sie sich unwohl fühlte. Nun ist das nicht ungewöhnlich; einige Mädchen und Frauen fühlen sich grundsätzlich unbehaglich, wenn ihnen ein Termin bei ihrer Frauenärztin oder ihrem Frauenarzt bevorsteht.
Deswegen ist es mir immer wichtig, vor der Untersuchung ein bisschen Zeit zu haben, um miteinander sprechen zu können. Viele Patientinnen darf ich ja auch über Jahre und durch viele verschiedene Lebensereignisse begleiten. Der Gesprächsstoff geht da also nicht so schnell aus.
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"Mir ist das so peinlich!"
Meine Patientin wollte sich diesmal aber gar nicht erst auf den Stuhl vor meinem Schreibtisch setzen. Ihre Stimme war brüchig, als sie anfing zu erzählen: „Seit Tagen habe ich einen eigenartigen Geruch im Intimbereich. Es stört mich sehr. Erst dachte ich, es könnte einfach eine Infektion sein. Aber heute Nacht ist mir eingefallen, dass ich möglicherweise mein Tampon nach meiner letzten Periode in meiner Scheide vergessen habe.“ Sie fing an zu weinen. „Mir ist das so peinlich!“ schob sie hinterher.
Ich bat sie also direkt, sich freizumachen und auf meinem gynäkologischen Stuhl Platz zu nehmen. Long Story short: In der Tat bemerkte auch ich zügig einen unangenehmen Geruch, gepaart mit einem dunklen Ausfluss. Durch die vaginale Untersuchung konnte ich schnell „den Übeltäter“ entdecken: Es war tatsächlich ein vergessener Tampon. Mittlerweile hatte sich zusätzlich eine Infektion breitgemacht. Die Patientin weinte. Sie schämte sich und war verängstigt. „Bekomme ich jetzt diese schlimme Krankheit, die man von Menstruationsartikeln bekommen kann? Von der man immer liest?“

Bitte keine Scham!
Warum ich hier von dieser Geschichte berichte? Mein Hauptanliegen ist, allen Mädchen und Frauen zu sagen, dass es keinen Grund gibt, sich vor seiner Frauenärztin oder seinem Frauenarzt zu schämen. Wir haben in unserem Arbeitsalltag bereits so viel gesehen und gelebt. Ich denke, ich spreche für meine Kolleginnen und Kollegen, wenn ich sage, dass wir es als unsere Aufgabe sehen, unseren Patientinnen zur Seite zu stehen und sie auch in unangenehmen Situationen zu begleiten. Egal, ob es ein Tampon ist, das in der Vagina vergessen wurde, eine Geschlechtskrankheit oder eine unerwünschte Schwangerschaft. Das ist unser Beruf - und unsere Berufung.
Außerdem möchte ich die Geschichte zum Anlass nehmen, über genau „diese schlimme Krankheit, die man von Menstruationsartikeln bekommen kann“ aufzuklären. Meine Patientin meinte hiermit das sogenannte Toxische Schocksyndrom. Abgekürzt wird es mit TSS.
Das Toxische Schocksyndrom
Immer wieder tauchen in den Medien Schreckensmeldungen auf, in denen davon berichtet wird, dass eine Menstruierende aufgrund eines Tampons sehr schwer krank wurde oder sogar verstorben ist. Vorneweg: Diese Geschichten sind keine Fake-News.
Das Toxische Schocksyndrom gibt es wirklich und, ja, es ist eine schwere Erkrankung. Aber: Es ist eine sehr, sehr seltene Erkrankung. Laut Robert Koch-Institut (RKI) erkranken etwa zwei bis drei von 100.000 Frauen pro Jahr daran. Fast alle (92 Prozent) in Zusammenhang mit der Menstruation.
Das TSS wird durch Erreger ausgelöst, die von Natur aus den Menschen besiedeln, Staphylococcus aureus und Streptococcus pyogenes, also per sei erst einmal nicht gefährlich sind. Erst eine hohe Keimanzahl und bestimmte Bedingungen können dazu führen, dass ihre Toxine, also ihre Giftstoffe, gesundheitsgefährdend wirken. Die Erkrankung tritt außerdem vor allem bei jungen Menschen auf, übrigens nicht nur bei weiblichen, die noch keine Antikörper gegen die Keime besitzen. Im späten Erwachsenenalter haben mehr als 90 Prozent der Bevölkerung Antikörper und können bei einer Infektion die Keime und deren Toxine schnell bekämpfen.
Menschen, die an einem TSS erkranken, haben meist sehr hohes Fieber, einen niedrigen Blutdruck und einen Hautausschlag. Im Verlauf der Erkrankung kann es zu einem Versagen der Organe kommen. Die Therapie besteht zunächst aus der Gabe eines oder mehrerer Antibiotika. Bei einem schweren Verlauf kann es sein, dass eine Behandlung auf der Intensivstation nötig ist.
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Tampons als Ursache?
Ende der 70er wurde das TSS immer häufiger mit Tampons in Verbindung gebracht. Neu auf den Markt gebrachte Tampons, die als hochsaugfähig angepriesen wurden und deshalb länger in der Vagina verbleiben konnten, wurden dabei vermehrt als Ursache gefunden. Deshalb wurde die Erkrankung immer wieder als „die Tamponkrankheit“ bezeichnet.
Der Grund, warum Tampons ein Risikofaktor für das TSS sein können, ist eigentlich ganz einfach: In der Scheide können sich so allerlei Keime tummeln. Möglicherweise befinden sich dort auch die genannten Bakterien Staphylococcus und Streptococcus, ohne dass sie irgendwelche Beschwerden verursachen. Ein Tampon bietet ihnen nun den Nährboden dafür, sich ungehindert vermehren und ihre Giftstoffe bilden zu können. Gelangen diese dann in die Blutbahn, können die Frauen tatsächlich sehr krank werden.
Das TSS als „die Tamponkrankheit“ zu bezeichnen, ist medizinisch jedoch nicht korrekt. Auch wenn sie die Krankheit durchaus verursachen können, gibt es zudem andere Gründe, dran erkranken zu können. Zum Beispiel kann eine solche Infektion nach einer Geburt, durch Atemwegs- oder Weichteilinfektionen oder auch eine Operation entstehen. Außerdem: Nicht nur Tampons, sondern auch andere Menstruationsartikel, die in die Vagina eingeführt werden und dort verbleiben, wie zum Beispiel eine Menstruationstasse, können ein TSS verursachen.
Wie die Geschichte weiterging
Ich konnte das Tampon schnell entfernen und die Patientin beruhigen. Nein, sie hatte nicht „diese Tamponkrankheit“. Ihr ging es insgesamt gut, sie hatte kein Fieber oder einen Hautausschlag. Die vaginale Infektion war zwar sehr unangenehm, aber keinesfalls bedrohlich für sie.
Im Anschluss an die Entfernung hat sie sofort mit der Einnahme eines Antibiotikums begonnen Ich habe ihr außerdem empfohlen, eine Therapie mit Milchsäurebakterien zu beginnen, um die natürliche Scheidenflora wieder zu stärken. Sie war sehr erleichtert und konnte am Ende sogar ein bisschen darüber lachen, dass ihr tatsächlich ein Tampon „durch die Lappen“ gegangen ist. Erst recht, als ich erzählte, dass ich so etwas relativ häufig erlebe. Als wir uns eine Woche später zur Kontrolle wiedersahen, war von der vaginalen Infektion nichts mehr zu sehen.
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Tipps, um dem Toxischen Schocksyndrom vorzubeugen
Auch wenn das Toxische Schocksyndrom eine seltene Erkrankung ist, so gibt es dennoch Dinge, die man prophylaktisch tun kann, um das Risiko noch weiter zu senken. Hier meine Tipps:
Vor dem Tamponwechsel Hände gründlich waschen!
Tampon bitte nach acht Stunden wechseln! Über Nacht kann das Tampon länger in der Vagina verbleiben, sollte dann aber direkt am Morgen gewechselt werden!
Nach dem Ende der Menstruation sollte unbedingt noch einmal kontrolliert werden, ob das letzte Tampon entfernt wurde!
Auch beim Benutzen einer Menstruationstasse bitte die Hände vor dem Entnehmen und Einsetzen immer gründlich waschen!
Die Tasse sollte bestenfalls nicht länger als acht Stunden in der Vagina verbleiben, spätestens aber nach zwölf Stunden sollte sie entfernt und ausgespült werden!
Am Ende der Menstruation sollte die Menstruationstasse mit Wasser ausgekocht werden!
Kommt es während der Menstruation zu einem starken Krankheitsgefühl, Fieber, möglicherweise einem Hautausschlag, dann ist es durchaus sinnvoll die behandelnde Ärztin oder den Arzt darauf aufmerksam zu machen, dass gerade eine Periodenblutung vorhanden ist!