Was dafür spricht und was dagegenLobbyismus oder Traumbesetzung? Greenpeace-Aktivistin zieht ins Auswärtige Amt

ARCHIV - 04.10.2021, Norwegen, ---: Jennifer Morgan, Executive Director Greenpeace International, nimmt an einer Greenpeace Kampagne teil. Die US-amerikanische Umweltaktivistin Jennifer Morgan soll nach einem «Spiegel»-Bericht Sonderbeauftragte der Bundesregierung für internationale Klimapolitik werden. (zu dpa: «Spiegel»: Greenpeace-Chefin wird Regierungsbeauftragte für Klima) Foto: Christian Åslund/Greenpeace/dpa - ACHTUNG: Nur zur redaktionellen Verwendung im Zusammenhang mit der aktuellen Berichterstattung und nur mit vollständiger Nennung des vorstehenden Credits +++ dpa-Bildfunk +++
Greenpeace-Chefin Jennifer Morgan will in Zukunft die deutsche Klima-Politik aufmischen.
exa kno, dpa, Christian Åslund
von Judith Bräuniger

Es ist eine ungewöhnliche Personalentscheidung: Greenpeace-Chefin Jennifer Morgan wechselt ins Auswärtige Amt. Ist das die Zukunft einer neuen deutschen Klimapolitik oder holt sich die Regierung mit ihr eine Lobbyistin ins Haus?

Baerbock will mit Morgan ein Zeichen setzen

Die Greenpeace-Chefin Jennifer Morgan soll ab dem 1. März als Sonderbeauftragte für internationale Klimapolitik und designierte Staatssekretärin im Auswärtigen Amt arbeiten. Laut Baerbock ist Morgan die „Traumbesetzung“ für den Posten und setze ein „wichtiges Signal für den internationalen Klimaschutz“.

Morgan gilt als erfahrene und international gut vernetzte Klimaexpertin. Die US-Amerikanerin spricht fließend Deutsch, arbeitet in Amsterdam und lebt in Berlin. Den Angaben zufolge war sie bei jeder internationalen Klimakonferenz seit der ersten 1995 in Berlin dabei.

Jennifer Morgan soll in ihrer neuen Funktion unter anderem Deutschland auf der Weltklimakonferenz vertreten und in Zusammenarbeit mit den anderen zuständigen Ressorts die internationale Klimainitiative Deutschlands leiten. Die Bundesinitiative unterstützt vor allem Länder des globalen Südens bei Klimaprojekten, wie etwa dem Ausstieg aus Kohlestrom in Südafrika. Insgesamt steht dafür ein Budget von fast sechs Milliarden Euro zur Verfügung.

Annalena Baerbock stellt Jennifer Morgan vor

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Was spricht für die Personalie Jennifer Morgan?

Jennifer Morgan bringt in ihren neuen Posten also nicht nur ihre langjährige Erfahrung als Klimaaktivistin mit, sondern auch viele internationale Kontakte. Sie ist etwa mit den Klimabeauftragten der Vereinigten Staaten, dem Chefverhandler und dem Vizekommissionspräsidenten der EU vertraut. Die europäische Klimapolitik beeinflusste sie erstmals 2007 in einem Beratergremium der EU.

Für den deutschen Beamtenstaat ist eine derartige Personalpolitik dennoch mehr als ungewöhnlich. Viele Minister haben vor Ernennung etwa kaum Erfahrungen in ihrem jeweiligen politischen Bereich. Jennifer Morgan ist dazu das Gegenmodell. Sie besticht durch Expertise und nicht durch den klassischen Karriereweg.

Baerbock setzt mit Jennifer Morgan ein Zeichen: Sie will ihr Koalitionsversprechen halten, mehr für die deutsche Klimapolitik zu tun. „Ich kenne weltweit keine zweite Persönlichkeit mit ihrer Expertise, Vernetzung und Glaubwürdigkeit in der internationalen Klimapolitik“, sagt Baerbock bei der Pressekonferenz. Damit verspricht sich die Außenministerin nicht nur, dass Deutschland seine selbst-gesteckten Klimaziele erreicht, sondern in Zukunft auch auf internationaler Ebene eine Rolle als Klimavorreiter einnimmt.

Viele sehen in Morgan außerdem das Bindeglied zu jungen Klimaaktivistinnen und -aktivisten, die in Fridays-for-Future-Protesten immer wieder Kritik an der zähen Klimapolitik äußern. Sie könnten sich durch Morgan besser vertreten fühlen. Als ehemalige Aktivistin kann Morgan eventuell mehr in der Klimapolitik erreichen, als es bisher der Fall war.

Was spricht gegen Morgans neue Rolle?

Doch nicht bei allen kommt die neue Besetzung im Auswärtigen Amt gut an. Einige kritisieren etwa, dass Morgan als Amerikanerin Deutschland nicht richtig vertreten kann. Annalena Baerbock reagiert auf diese Kritik bei der Pressekonferenz pragmatisch: „Die Welt ist global und daher ist unser Personal auch global unterwegs.“ Morgan wartet jetzt noch darauf, dass ihr Antrag auf die deutsche Staatsbürgschaft bewilligt wird. Sie lebt bereits seit Jahren in Deutschland und kommt laut eigenen Aussagen aus einer Bäckerfamilie aus Münster. Auch Baerbock betont, der Einbürgerungsprozess laufe schon seit Jahren und habe nichts mit der neuen Position zu tun. „Mein politisches Herz schlägt ganz für Deutschland. Das ist meine Heimat“, bekräftigte Morgan bei ihrer Vorstellung. Wird der Antrag bewilligt, soll sie in Zukunft als Staatssekretärin des Auswärtigen Amtes eingesetzt werden.

Auch ihre Vergangenheit als Aktivistin und Greenpeace-Chefin wird kritisiert. Viele sehen in ihr eine Lobbyistin, die Schwierigkeiten haben könnte, deutsche Interessen zu vertreten. Auf Anfrage von RTL bestätigt Lobbycontrol, dass Morgan künftig die Positionen der Bundesregierung vertreten müsse und nicht die von Greenpeace. "Das Auswärtige Amt muss zudem sicherstellen, dass Greenpeace nun keine besonderen Vorteile gegenüber anderen Akteuren in Klimaverhandlungen zugestanden bekommt", so Lobbycontrol. Jennifer Morgan scheint sich dieser Verantwortung jedoch bewusst. „Wenn ich für Deutschland spreche, werde ich natürlich die Position der Bundesregierung vertreten, nicht von mir persönlich oder irgendeiner anderen Organisation“, stellt sie am Mittwoch klar.

Dennoch bleibt die Frage, wo Morgans Loyalitäten liegen, wenn es um klimapolitische Fragen und Deutschlands Interessen geht. In erster Linie kämpft sie auch weiterhin für die Umwelt und für das Klima, auch in ihrer politischen Rolle. „Ich bin seit 30 Jahren dabei, für diesen Planeten zu kämpfen. Ich bin immer an dem Ort, wo ich glaube, dass ich den größten Unterschied machen kann und ich glaube, in diesem Moment ist es das Auswärtige Amt“, so Morgan.

Jennifer Morgan: "Das ist eine einmalige Chance"

Fazit: Es ist eine Chance für Klima und Umwelt

Mit Jennifer Morgan hat Annalena Baerbock nicht nur eine ungewöhnliche Personalentscheidung getroffen, sondern auch ein Zeichen für ihre Klimapolitik gesetzt. „Die Klimakrise ist die größte Herausforderung unserer Zeit“, so Baerbock bei der Pressekonferenz. Jennifer Morgan ist die Person, mit der sie diese Krise stemmen möchte.

Freuen kann sich damit auf jeden Fall die Umwelt und das Klima. Dennoch wird sich Morgan in ihrer neuen Rolle daran gewöhnen müssen, nicht mehr als Greenpeace-Aktivistin, sondern als Vertreterin Deutschlands aufzutreten. Bisher scheint sie sich dieser neuen Herausforderung stellen zu wollen.

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