Infektiologe: "Nehmen, was da ist!"
Booster-Impfung: Ist Moderna genauso gut wie Biontech?
Moderna-Impfdosen sollen erst einmal aufgebraucht werden
Die Booster-Impfung ist aktuell der Hoffnungsschimmer am eher dunklen Corona-Horizont. Für viele Menschen steht der dritte Piks an, viele Menschen werden für ihre Booster-Impfung statt des Biontech-Vakzins allerdings den Impfstoff von Moderna angeboten bekommen. Der Grund: Eingelagerte Moderna-Dosen sollen vor ihrem Verfall verimpft werden. Nun werden sich einige Menschen fragen: Ist das schlimm? Ist Biontech nicht „besser“?
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Situation könnte für Impf-Chaos sorgen
Das Bundesgesundheitsministerium hat mit der Ankündigung, beim Biontech-Impfstoff „Höchstbestellmengen" einzuführen, damit eingelagerte Moderna-Dosen vor dem Verfall verimpft werden, viel Kritik auf sich gezogen. Die Arztpraxen befürchten das nächste Durcheinander und Verzögerungen bei den Booster-Impfungen, die gerade erst Fahrt aufgenommen haben.
Befürchtet wird, dass Menschen, die schon Booster-Termine mit Biontech vereinbart haben, zögern könnten, wenn ihnen Moderna angeboten wird, und dass in den Praxen durch viele Nachfragen deutliche Mehrarbeit entsteht. Doch ist die Sorge berechtigt? Einige Antworten auf mögliche Fragen:
Im Video: Ab wann ist die Booster-Impfung nötig? Und worauf ist zu achten?
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Worum geht es überhaupt?
Deutschland hat dem Bundesgesundheitsministerium zufolge 16 Millionen Dosen Moderna auf Lager. Bestellt werde aber momentan zu 90 Prozent Biontech. Ab Mitte des ersten Quartals drohten eingelagerte Moderna-Dosen zu verfallen.
„Es muss unser gemeinsames Anliegen sein, dies mit allen Mitteln zu verhindern", heißt es in einem Schreiben des Ministeriums an die Länder. Praxen und Impfzentren sollen nun zunächst nur noch bestimmte Mengen Biontech bestellen dürfen, damit mehr Moderna zum Einsatz kommt. Insgesamt, so betont das Ministerium, sei „genug Impfstoff für alle da".
Bis zum Jahresende stehen laut Ministerium noch rund 50 Millionen Dosen für Erst-, Zweit- oder Booster-Impfungen zur Verfügung, etwa die Hälfte davon kommt von Biontech, die andere Hälfte von Moderna. Angestrebt werden bis Jahresende 20 bis 25 Millionen Auffrischungsimpfungen – zwischen 5,5 und 6 Millionen sind es bisher.
Wie gut schützt Moderna denn grundsätzlich vor der Delta-Variante?
Sehr gut – darauf weisen Untersuchungen hin. Eine US-Studie etwa verglich die Effektivität der Impfstoffe von Moderna und Biontech/Pfizer mit Blick auf Delta. Ihr Ergebnis: Modernas Spikevax schützt zu rund 76 Prozent vor einer Infektion. Comirnaty von Biontech kam auf 42 Prozent. Die Studien-Autoren weisen allerdings darauf hin, dass die Unterschiede noch bestätigt werden müssten.
Eine jüngst veröffentlichte Studie aus Katar tut dies: Der Schutz vor Infektion wie Hospitalisierung ist bei der Delta-Variante bei Spikevax höher als bei Comirnaty, so ihr Ergebnis. Betrachtet man die Dauer des Schutzes, deuten erste Daten darauf hin, dass Moderna auch hier die Nase vorn haben könnte.
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Was kann Moderna als Booster?
Dazu gibt es bislang nur erste Hinweise. Es deutet sich an, dass Moderna hier mindestens genauso effektiv ist wie Biontech. So hat das Gesundheitsministerium Singapurs vor einigen Tagen die Ergebnisse eines Vergleichs veröffentlicht, bei dem alle Personen die Grundimmunisierung mit Biontech hatten.
Wurden diese auch beim dritten Mal damit geimpft, ergab sich eine Reduzierung des Infektionsrisikos von 62 Prozent. Bekamen sie Moderna, lag sie bei 72 Prozent.
Wie wird Moderna als Booster dosiert?
Beide mRNA-Impfstoffe haben bei der europäischen Arzneimittelbehörde EMA eine Zulassung für den Einsatz als Booster-Impfstoff. Bei Moderna wird die halbe Dosis der Grundimmunisierung gespritzt, bei Biontech eine ganze Dosis.
Was sagen Wissenschaftler sonst zur Kombination von Impfstoffen?
Für die Auffrischungsimpfung empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) generell einen mRNA-Impfstoff, auch wenn man vorher einen anderen bekommen hat. Wenn möglich, soll es beim Boostern derselbe mRNA-Wirkstoff sein wie bei der Grundimmunisierung, schreibt das Robert-Koch-Institut. Wenn dieser nicht verfügbar sei, könne auch der jeweils andere eingesetzt werden.
Lediglich für Personen unter 30 Jahren empfiehlt die STIKO ausschließlich den Biontech-Impfstoff, weil in dieser Altersgruppe beim Moderna-Impfstoff das Risiko für bestimmte Herzentzündungen leicht erhöht ist. Die Experten haben also grundsätzlich keine Bedenken hinsichtlich eines möglichen Wechsels.
„Ich halte das für völlig unproblematisch", sagt auch der Infektiologe Leif Erik Sander von der Berliner Charité. Es gebe sogar Studien, die zum Ergebnis kämen, dass die Kombination verschiedener Impfstoffe immunologisch günstig sei. Sander weiter: „Man sollte einfach das nehmen, was da ist." Die möglichen Nebenwirkungen und Reaktionen einer Auffrischungsimpfung gleichen den Studien zufolge denen, die auch nach den ersten beiden Spritzen auftreten können.
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Warum entscheiden sich so viele in Deutschland für Biontech?
Das dürfte auch daran liegen, dass der Impfstoff hier entwickelt wurde und durch die vielen Berichte über die Erfolgsstory der Biontech-Gründer Özlem Türeci und Ugur Sahin ein besonders gutes Image hat. Das Mainzer Ehepaar wurde von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier für die Entwicklung dieses Impfstoffs mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt. Außerdem setzt auch die deutsche Corona-Impfkampagne vor allem auf Biontech. Der Impfstoff liegt bei den vereinbarten Liefermengen mit Abstand vorne: In diesem Jahr sind es laut einer Übersicht des Gesundheitsministeriums weit über 100 Millionen Dosen. Von Moderna wurde etwa halb so viel geordert. (dpa/ntv/vdü)
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