Anfeindungen, Pöbeleien und BestechungsversucheHausarzt packt aus: "Sie haben mir schon Geld angeboten" – nur für den Stempel im Impfpass
Seit Beginn der Corona-Pandemie sind sie dabei: Hausarzt Ilker-Akgün Aydin aus Berlin und sein Team bieten seit über einem Jahr Corona-Abstriche an, untersuchen Patienten mit Verdachtssymptomen, begleiten Patienten, die erkrankt waren – und impfen nun auch gegen das Coronavirus. „Wir versuchen, dazu beizutragen, diese Pandemie zu überwinden“, sagt Aydin im Interview mit RTL. Doch das wird ihm und seinen Mitarbeitern nicht immer leicht gemacht: Sechs Tage die Woche arbeitet das Team, stößt an die Grenzen seiner Belastbarkeit und hat täglich mit Anfeindungen, Pöbeleien und sogar Bestechungsversuchen zu tun. Es ist „jeden Tag ein großer Kampf“, so Aydin. Oft hat er darüber nachgedacht, einfach hinzuschmeißen. Eine wirklich Option ist es aber nicht – womit sein Team jeden Tag zu kämpfen hat, warum es trotzdem durchhält und welchen wichtigen Appell Aydin an die Gesellschaft hat, erzählt der 47-Jährige im Video.
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Team ist an körperlicher und seelischer Grenze angelangt
20 Impfdosen stehen Hausärzten jede Woche zur Verfügung. Was wenig klingt, reicht völlig aus, um Hausarzt Ilker-Akgün Aydin und sein Team an die körperlichen und seelischen Grenzen zu bringen. Denn gegen Corona zu impfen, ist laut dem 47-jährigen Allgemeinmediziner nicht vergleichbar mit anderen Impfungen. „Es hat einen hohen bürokratischen Aufwand, was Aufklärungen, Einwilligungen und Anamnese angeht. Es hat einen hohen Beratungsaufwand. Und es hat natürlich auch hinterher eine Beobachtungszeit von einer Viertelstunde in der Praxis“, erklärt Aydin.
„Seitdem sich das rumgesprochen hat, dass ich impfe, klingelt das Telefon in einer Tour"
Doch das allein ist es nicht, was an dem Praxis-Team nagt. Seit sich herumgesprochen hat, dass dort gegen Corona geimpft wird, erhalten die Mitarbeiter auch privat Anfragen, ob sie jemanden vorziehen können. Cornelia Gotthardt, medizinische Fachangestellte in der Berliner Hausarztpraxis, geht darum manchmal schon nicht mehr an ihr Handy. Und auch Aydin selbst hat schon mehrere Bestechungsversuche erlebt.
„Seitdem sich das rumgesprochen hat, dass ich impfe, klingelt das Telefon in einer Tour, die Nachrichten kommen haufenweise. Tag und Nacht und auch am Wochenende. Von Leuten, die ich teilweise kaum noch kenne. Das ist schon nervig, weil unser Wochenende und unsere Freizeit überhaupt nicht respektiert wird“, sagt Aydin.
Bestechungsversuche: 500 bis 600 Euro für einen Stempel im Impfpass
Anders als man glauben könnte, wollten aber nicht nur Menschen früher geimpft werden, sondern auch explizit keine Impfung – dafür aber einen Stempel in den Impfpass, um Vorteile bei Reisen zu bekommen. 500 bis 600 Euro wurden dem Allgemeinmediziner dafür schon angeboten. Auf die Bestechungsversuche eingegangen, ist er nie.
„Bitte liebe Menschen, diese letzten Meilen können wir nur schaffen, wenn wir zusammenarbeiten“
Was viele Menschen nicht verstehen: Auch als Hausarzt muss sich Aydin an die von der Bunderegierung vorgegebene Impfreihenfolge halten. „Wir sollen Dinge durchsetzen, die uns sozusagen von der Regierung vorgeschrieben werden“, berichtet der Mediziner. Wenn Patienten versuchen, diese Reihenfolge zu umgehen, sei das dann nicht immer ohne Reibung möglich.
Von der Politik hätte er sich gewünscht, dass die Praxen nicht die Aufgabe hätten, die Impfreihenfolge durchzusetzen. „Ich hätte mir gewünscht, dass es Praxen gegeben hätte, die eine Woche nur impfen, dann wieder mehrere Wochen normal arbeiten [...] Oder dass man gesagt hätte, wir machen die chronisch Kranken alle über die Impfzentren, über Einladungen, und in den Praxen das freie Impfen für jeden, der das möchte.“
Zwar sei er im Grunde froh, dass sich die meisten Leute impfen lassen wollen, er hat aber eine eindringliche Bitte: „Wir kommen hier nur durch, indem wir als Gemeinschaft und Gesellschaft umsichtig, nachsichtig und respektvoll miteinander umgehen und die Vorgaben der Arztpraxen respektieren und auch kooperieren. Sonst ist das nur ein einziger Nervenkrieg.“
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