Hoffnung für MillionenNeue Fett-Formel? Experten fordern Ende des BMI-Wahnsinns

Female checking kilogrammes getting on the scale - self care and body positivity concept - warm flare on left
Doch nicht adipös? Wissenschaftler fordern neues Vorgehen bei der Diagnose.
fabrycs, iStockphoto

Ab wann ist man eigentlich adipös, also fettleibig?
Die Antwort darauf ist gar nicht so leicht zu geben. Denn an der Definition gibt es Kritik – auch weil manche Menschen zwar stark übergewichtig, aber dennoch weitestgehend gesund sind. Eine Expertenrunde schlägt deswegen jetzt Anpassungen vor.

Kritik an Jahre altem System: Wissenschaftler halten BMI-Wert für irreführend

Derzeit stützt sich die Diagnose einer Fettleibigkeit auf den sogenannten Body-Mass-Index (BMI) – der ist Experten zufolge aber kein zuverlässiges Maß, insbesondere wenn es um die Gesundheit eines Menschen geht. Eine Medizinergruppe schlägt daher jetzt vor, die Diagnoserichtlinien für Adipositas grundlegend zu überarbeiten.

Neben dem BMI sollten Daten zum Körperfett – etwa zum Taillenumfang oder als direkte Fettmessung – herangezogen werden, empfiehlt die Gruppe im Fachjournal The Lancet Diabetes & Endocrinology.

Für die Berechnung des BMI wird das Körpergewicht in Kilogramm durch die Körpergröße in Meter zum Quadrat geteilt. Derzeit gilt ein BMI von über 30 bei Menschen europäischer Abstammung als Hinweis für Fettleibigkeit. Doch schon seit längerer Zeit wird kritisiert, dass der Wert kein direktes Maß für Fett ist. Er spiegele weder dessen Verteilung im Körper wider, noch gebe er individuelle Informationen über Gesundheit oder Krankheit bei einem Menschen.

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BMI, Taillenumfang, Größe: SO soll Adipositas in Zukunft diagnostiziert werden

„Sich bei der Diagnose von Fettleibigkeit allein auf den BMI zu verlassen, ist problematisch, da manche Menschen dazu neigen, überschüssiges Fett an der Taille oder in und um ihre Organe wie die Leber, das Herz oder die Muskeln zu speichern”, erklärte Mitautor Robert Eckel von der University of Colorado in Aurora.

Doch Fett an diesen Stellen berge ein höheres Gesundheitsrisiko als beispielsweise überschüssiges Fett direkt unter der Haut in Armen, Beinen oder anderen Körperbereichen. Auch hätten Menschen mit überschüssigem Körperfett nicht immer einen BMI, der auf Fettleibigkeit hinweise, sodass Gesundheitsprobleme unbemerkt bleiben könnten.

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Der Vorschlag der Expertengruppe lautet daher: Statt nur den BMI zu berechnen, sollte zusätzlich der Taillenumfang, das Verhältnis von Taille und Hüfte oder von Taille, Hüfte und Größe gemessen werden. Alternativ könne man auch direkt das Körperfett mittels Knochendichtemessung ermitteln.

Bei Menschen mit einem BMI über 40 könne allerdings ohne weitere Bestätigung von Fettleibigkeit ausgegangen werden.

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Wissenschaftler erhoffen sich individuellere Behandlung von Fettleibigkeit

Und noch etwas haben sich die Wissenschaftler überlegt. Künftig soll Adipositas nicht mehr gleich Adipositas sein. Die Experten um Francesco Rubino vom King’s College London schlagen zwei neue Diagnosekategorien vor: „klinische Adipositas” für die chronische Krankheit mit Organschäden und „präklinische Adipositas” für die Phase mit Gesundheitsrisiken, aber ohne Erkrankung.

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„Die Frage, ob Adipositas eine Krankheit ist, führt in die Irre”, so Rubino. Bei einigen fettleibigen Menschen bleibe die normale Funktion der Organe und die allgemeine Gesundheit langfristig erhalten, während andere direkt schwere Krankheiten entwickelten.

Die neue Unterteilung soll eine differenziertere Behandlung von Fettleibigkeit ermöglichen und die Versorgung der Betroffenen optimieren. Besonders wichtig sei die frühzeitige Diagnose und Behandlung von Fettleibigkeit bei Kindern und Jugendlichen, da Adipositas in jungen Jahren das Risiko für Folgeerkrankungen im Erwachsenenalter erhöht.

Aus Deutschland hagelt es Kritik an den neuen Adipositas-Kriterien

Für die Vorschläge hagelt es jedoch auch Kritik. Gegner bemängeln, dass die neuen Kriterien zu einer Unterversorgung von Menschen mit Übergewicht führen könnten. Thomas Reinehr von der Vestischen Kinder- und Jugendklinik Datteln befürchtet, dass Krankenkassen Behandlungen nur noch bei nachgewiesenen Folgeerkrankungen übernehmen.

Dies sei problematisch, da Übergewicht effektiver behandelt werden kann, bevor Folgeerkrankungen auftreten. Außerdem bemängelt Reinehr, dass die Anzahl adipöser Menschen in Statistiken sinken würde, was dann fälschlicherweise so wirke, als habe sich das Übergewichtsproblem unserer Gesellschaft verringert. (vho, mit dpa)